Elisabeth R. Hager: Fünf Tage im Mai

Vom Weggehen und Heimkehren

Nicht fünf aufeinanderfolgende Tage im Mai sind titelgebend für diesen Debütroman, vielmehr verteilen sich die fünf – genaugenommen sogar sechs – Maitage auf die Jahre 1986, 1996, 1998 und 2004. Anfang und Ende des harmonisch aufgebauten Romans bildet jeweils ein Gottesdienst, 1986 ist es die Erstkommunion der siebenjährigen Ich-Erzählerin Leonore, abgekürzt Illy, 2004 die Beerdigung ihres Urgroßvaters Korbinian Hofer, von ihr liebevoll Tat’ka, Väterchen, genannt. In diesen Kapiteln aus den Jahren 1986 und 2004, die die Geschichte einrahmen, stehen Illy und ihr Urgroßvater im Mittelpunkt, weshalb sie mir die liebsten waren. Ihre einfühlsam beschriebene Beziehung ist geprägt von Zuneigung, Verständnis, Vertrauen und Freundschaft, obwohl sie 74 Jahre trennen. Etwas weniger gut gefallen hat mir der Mittelteil.

Das Urgestein Korbinian Hofer, letzter Fassbinder Tirols, respekteinflößend, unbeugsam, konsequent, heimatverbunden, monachietreu und auch in hohem Alter noch sprühend vor Energie, hat ein übergroßes Herz für seine Enkelin. Für Illy ist er die wichtigste Bezugsperson, denn er versteht sie besser als ihre Eltern oder irgendjemand sonst und sie fühlt sich bedingungslos geliebt. Nur auf ihn kann sie sich jederzeit uneingeschränkt verlassen. Als sie sich mit 17 Jahren Hals über Kopf in Tristan mit den langen schwarzen Locken und dem silbernen Ring im Nasenflügel verliebt, der überall Ärger bekommt und in ihrem katholischen Dorf nach „Exzess und Freiheit“ aussieht, ist ihr Urgroßvater verständnisvoller als ihre Eltern. Deren Verbot bleibt erfolglos, denn: „Von einem Tag auf den nächsten hatte meine Welt Atemlöcher bekommen, ein frischer Wind wehte durch mein muffiges Leben.“ Doch aus der großen Liebe wird nach und nach ein Alptraum, der in eine Katastrophe mündet. Illy gibt sich dafür eine Mitschuld und „das Gleichgewicht ihres Lebens“ ist zerstört. Fünf „gehetzte Jahre“ verbringt sie nach der Matura fern von zuhause auf der Flucht vor ihrer Schuld, doch erst als sie zur Feier von Tat’kas 100. Geburtstag zurückkehrt, beginnt „das warme Gefühl seiner Zuneigung“ ihr „Korsett“ zu lockern.

Die 1981 geborene Autorin Elisabeth R. Hager ist neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit laut Klappentext auch als Kulturvermittlerin und Klangkünstlerin tätig. Vielleicht sind die vielen schönen Bilder in ihrer ausdrucksstarken Sprache dieser letzten Berufsbezeichnung geschuldet. Sätze der Ich-Erzählerin wie der über das schöne Haus ihres Urgroßvaters: „…in dem Tat’ka so achtlos hauste wie eine Feldmaus in einem teuren Lederstiefel…“, die Beschreibung ihrer sterbenden Liebe zu Tristan: „Unsere Küsse waren noch echt, das Drumherum schon nicht mehr“, ihre Gefühle bei der Rückkehr: „Wie auf Knopfdruck legte mein Körper beim Blick auf die vertraute Landschaft den Panzer an, von dem ich geglaubt hatte, ihn längst abgestreift zu haben“ und immer wieder die Beschreibung Tat’kas als „eine Sonne die Kraft und Zuversicht ausstrahlte“ machen mir beim Lesen einfach Spaß. Gut gefallen hat mir auch das hoffnungsvolle, aber keineswegs rosarote Ende, zunehmend genervt war ich allerdings vom ständig erwähnten Rauchen, das völlig unnötig für den Handlungsverlauf war.

Ein gelungener, ruhig erzählter Debütroman, dessen junge Autorin ich im Auge behalten werde.

Elisabeth R. Hager: Fünf Tage im Mai. Klett-Cotta 2019
www.klett-cotta.de

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