Hendrik Lambertus: Die Mission der tollkühnen Bücher

  Ein buchiges Fantasy-Abenteuer

Das Antiquariat Dinas Bücherhort in der Papyrusgasse 13 ist das Hauptquartier der Buchagenten und -agentinnen. Hier sind die tollkühnen Beschützer und Beschützerinnen der gesamten Buchheit zuhause, die bei Alarm unschuldige bekritzelte oder zerfledderte Bücher retten, verlorene Bücher unter dem Sofa hervorziehen, durcheinandergeratene Geschichten neu ordnen oder auch mal ein Taschentuch vorbeibringen, wenn ein Buch unter Staub-Allergie leidet. Alle Buchagenten und -agentinnen waren selbst einst normale Bücher, bevor sie von der machtvollen Magie des Buchvaters und Zauberers Hermes Trismegistos erfüllt und lebendig wurden, ausgestattet mit hauchdünnen Armen und Beinen und einem Gesicht auf dem Buchrücken.

Das Zauberbuch Hedy Hexensocke, das Piratenbuch Paulchen Piratenkind und die Detektivgeschichte Reginald Ratlos sind Nachwuchs-Buchagenten frisch vom Trainings-Parcours, als sie zu ihrer ersten richtigen Mission gerufen werden. Der vermeintliche Routinefall entpuppt sich schnell als Bedrohung für die gesamte Buchheit, denn ein geheimnisvoller Zensor geht um und liest unschuldige Bücher leer. Zurück bleiben Bücher, deren spannendste und fantasievollste Teile verschwunden sind, und zwar zugleich in allen Exemplaren auf der ganzen Welt. Als dann auch noch die Chefin des Antiquariats, die erste Buchagentin Tabula Smaragdina, entführt wird, herrscht Alarmstufe Rot. Statt der Regel Nummer zwei: „Menschen dürfen uns nicht sehen – wo immer wir auch schleichen und stehen“ gilt nun die Ausnahmeregel 27c: „Wird die Not am größten sein, weihen wir auch Menschenkinder ein“. Die buchbegeisterten Geschwister Melusine und Arthur Gutenberg unterstützen die Jungagenten tatkräftig bei ihrer Rettungsaktion.

Viele „buchige“ Stationen müssen die fünf Abenteurer besuchen, eine alte Klosterbibliothek, eine Buchhandlung, die Stadtbibliothek und meinen absoluten Lieblingsort, den „Zeichenwald in den Buchlanden“. Hier leben die gefährlichen „Papiertiger“, wachsen „Buchstablumen“, „Silbüsche“ und „Wortweiden“, von hier kommen auf dem „Schreibfluss“ Buchstaben, Silben und Wörter in die Menschenwelt und verursachen Biber die gefürchteten Schreibblockaden.

Das Fantasy-Abenteuer von Hendrik Lambertus ist in erster Linie ein Buch für Jungen und Mädchen ab acht Jahren, die beim Lesen kräftig miträtseln können. In einer zweiten, durchaus auch für Erwachsene interessanten Ebene geht es darüber hinaus um die Frage, ob man Texte vor der Fantasie ihrer Leserinnen und Leser bewahren muss, oder ob die Vorstellungskraft nicht vielmehr unbeschränkt bleiben soll, wie es der Buchvater Hermes Trismegistos vehement vertritt:

Aber sie [die Geschichten] sind nun einmal veränderlich, das ist ihre Natur – wie bei allem, was lebendig ist. Es gibt nicht nur den einen Robinson. Er wird jedes Mal neu erschaffen, wenn wieder ein Mensch seine Geschichte liest.

Die Mission der tollkühnen Bücher ist eine genau solche Geschichte, die die Fantasie kleiner wie großer Leserinnen und Leser anregt, nicht nur wegen des vielschichtigen Textes, sondern auch wegen der vielen detailreichen wie atmosphärisch passenden Illustrationen von Alica Räth. Deshalb hoffe ich, dass es nicht bei dieser einen Mission für die Buchagenten „mit und ohne Einband“ bleibt!

Hendrik Lambertus: Die Mission der tollkühnen Bücher. Mit Illustrationen von Alica Räth. Ueberreuter 2020
www.ueberreuter.de

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