Carin Hjulström: Finns inte på kartan

 Kein Bullerbü

Bei einem Berlin-Besuch im Herbst 2022 habe ich die halbe Stadt durchquert, um im Zentrum von Pankow die Buchhandlung Pankebuch mit ihrem Schwerpunkt auf Literatur der nordischen und baltischen Länder zu besuchen. Neben Im Kielwasser von Per Petterson habe ich mir einen leicht zu lesenden Roman auf Schwedisch als Vorbereitung auf den nächsten Schwedenurlaub empfehlen lassen: Finns inte på kartan. Auf Deutsch hätte ich das Buch nicht gelesen, weil leichte Frauenromane nicht mein Genre sind und mich sowohl der Titel Wo der Elch begraben liegt als auch das grotesk unpassende Cover der deutschen Ausgabe abgeschreckt hätten. Auf Schwedisch dagegen und zum Sprachtraining war das Buch genau richtig.

Verbannung aufs Land
Im Mittelpunkt steht die 23-jährige Frida Fors, die in Göteborg Journalismus studiert und mit ihrem charismatischen, begabten, aber rücksichtslos egoistischen Kommilitonen Peter Engström liiert ist. Während alle anderen für das halbjährige Praktikum eine ihrer Wunschadressen zugeteilt bekommen, erhält Frida zu ihrem Entsetzen statt des ersehnten Platzes bei Aftonbladet, Expressen oder Dagens Nyheter in Stockholm die Zuteilung zur Lokalredaktion des Smålandsbladets in Eksjö, Außenposten Bruseryd:

Varför just hon? Varför skulle Frida Fors komma i den dödeste av alla hålor i hela södra Sverige? Och hur i helvete skulle hon kunna göra „ett bra jobb“ […] på en ort där det aldrig hände någonting? (S. 29)

[Warum gerade sie? Warum sollte Frida Fors im m totesten Winkel Südschwedens landen? Und wie zum Teufel sollte sie an einem Ort, an dem nie etwas passierte, „gute Arbeit“ leisten?]

Bruseryd ist alles andere als eine Bullerbü-Idylle: Zunehmende Entvölkerung, leerstehende, verfallende Immobilien und verschwindende Infrastruktur setzen dem Ort schwer zu. Antriebslosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Wut auf die Regierung in Stockholm prägen das Klima und bilden den Nährboden für die heutigen Wahlerfolge der rechtsgerichteten Sverigedemokraterna im ländlichen Südschweden. Womit Frida allerdings nicht gerechnet hat, ist der Sturm der Entrüstung über ihren Artikel, der die Missstände ehrlich benennt. Als sie dann auch noch herausfindet, dass die Telefonbuch-Firma Orte unter 100 Einwohnerinnen und Einwohner nicht mehr in ihren Karten verzeichnen will, schlägt die Empörung in Aktivität um, denn Bruseryd mit seinen knapp 90 darf auf keinen Fall auch noch dort unsichtbar werden! Die Nachricht wirkt als Weckruf in dem verschlafenen Ort, in dem es nicht nur äußere Missstände, sondern auch haufenweise persönliche Probleme gibt…

Carin Hjulström: Finns inte på kartan. Foto & Collage: © B. Busch. Cover: © Månpocket.

Für jedes Problem eine Lösung
Finns inte på kartan ist der Debütroman der in 1963 geborenen Göteborger Journalistin, Kolumnistin, Fernseh- und Radiomoderatorin Carin Hjulström aus dem Jahr 2009. Bis heute folgten 16 Romane und Cozy Krimis, darunter vier weitere Bücher mit Frida Fors. Die Idee kam der Autorin, die seit ihrer Kindheit die Sommer in Gammelgarn auf Gotland verbringt, bei ihren Autofahrten zwischen Göteborg und dem Fährhafen Oskarshamn, bei denen ihr die allmählichen Veränderungen in den Dörfern Smålands auffielen. Ebenfalls in den Roman eingeflossen sind eigene Erfahrungen als junge Journalistin.

Gammelgarn auf der Insel Gotland, wo Carin Hjulström ihre Sommer verbringt und Finns inte på kartan hauptsächlich geschrieben hat. Bilder & Collage: © B. Busch. Cover: © Månpocket.

Der Roman wäre kein Wohlfühlbuch, würden sich am Ende nicht die meisten der vielen Probleme lösen. Warum die aufgeweckte Frida allerdings 280 Seiten braucht, um Peters Charakter zu durchschauen, blieb mir rätselhaft.

Carin Hjulström: Finns inte på kartan. Månpocket 2010
www.alskapocket.se

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