Gaea Schoeters: Das Geschenk

   Wohin mit 20.000 Elefanten?

2006 wurde der Braunbär Bruno in Deutschland zum Politikum. Die bayerische Staatsregierung erklärte ihn zum „Problembären“ und gab ihn unter großer medialer Anteilnahme zum Abschuss frei.

Von anderer Tragweite sind die Schwierigkeiten von Bundeskanzler Hans Christian Winkler im Roman Das Geschenk der 1976 geborenen flämischen Autorin Gaea Schoeters, denn wie von Zauberhand tauchen in Berlin und Umgebung plötzlich 20.000 afrikanische Elefanten auf. Ein Anruf des botswanischen Präsidenten schafft Klarheit: Die Dickhäuter sind weder Terroranschlag noch Spionageangriff, sondern die Antwort auf das vom Bundestag mit deutlicher Mehrheit verabschiedete sogenannte „Elfenbeingesetz“, das die Bedingungen für den Import von exotischen Jagdtrophäen beträchtlich verschärft. Das tierische Geschenk ist vergiftet:

Ihr Europäer wollt uns vorschreiben, wie wir zu leben haben. Vielleicht solltet ihr einfach mal selbst versuchen, mit Megafauna zurechtzukommen. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, Deutschland zwanzigtausend Elefanten zu schenken. (S. 34)

Liquidieren oder einsperren ist keine Option:

Jeder Elefant, dem auch nur ein einziger Stein in den Weg gelegt wird, wird sich verdoppeln. […] Alles für die Elefanten. (S. 35)

Gaea Schoeters: Das Geschenk. Fotos: © M. & M.A. Busch. Bearbeitung mittels Photopea u. Collage: © K. Pape & B. Busch. Cover: © Zsolnay.

Die Rechtspopulisten im Nacken
Winklers Hoffnung, sein Image durch medienwirksame Krisenbewältigung aufzubessern und damit den rechtspopulistischen Konkurrenten Holger Fuchs bei den anstehenden Wahlen in Schach zu halten, zerplatzt wie eine Seifenblase. Stattdessen ergeht man sich im Krisenstab in Macht- und Ränkespielen und steht hilflos den 2000 Tonnen Elefantenfäkalien pro Tag gegenüber, für deren Treibhausgase die nötigen Emissionszertifikate im schlimmsten Fall für viel Geld von Botswana erworben werden müssen, kämpft mit der Beschaffung von Wasser und Futter, demonstrierenden Müllwerkern und Bauern, Massenkarambolagen und höchst invasiven Pflanzen. Die Öffentlichkeit schwankt zwischen gefühliger Euphorie für ein neugeborenes Elefantenbaby, hysterischer Ablehnung und Unterstützung für Holger Fuchs, der sich mit Hilfe der Elefanten zunehmend profiliert. In seiner Not und auf Anraten seiner Vorgängerin beruft Winkler eine Ministerin für Elefantenangelegenheiten und lagert die Verantwortung auf die taffe Schwäbin Hannelore Hartmann aus:

Männer bekommen meistens in stabilen Unternehmen oder Situationen Führungsposten, Frauen werden nur in Krisenzeiten solche Spitzenjobs angeboten. (S. 66)

Die neue Ministerin sprüht vor Tatendrang, ruft Elefantenquoten für die Bundesländer aus, lässt aus Exkrementen exklusiven Dünger für den Weltmarkt produzieren und radikalisiert sich zu Winklers Überraschung zugunsten von Elefanten, Umwelt- und Klimapolitik, Renaturierungsmaßnahmen und sogar Deindustrialisierung…

Eine Politsatire mit realem Hintergrund
Als der botswanische Präsident Mokgweetsi Masisi am 2. April 2024 die Ankündigung machte, 20.000 Elefanten nach Deutschland zu schicken, hielten viele das für einen verspäteten Aprilscherz. Tatsächlich hatte die ebenso provokante wie absurde Ankündigung einen ernsten Hintergrund: die Überforderung seines Landes durch die zunehmende Elefantenpopulation und die postkoloniale Überheblichkeit des Westens. Gaea Schoeters, Tochter eines belgischen Politikers, hat die Idee als Steilvorlage für ihren schmalen Roman Das Geschenk aufgegriffen und die Folgen von Tag 1 bis 435 äußerst fantasievoll ausgemalt. Herausgekommen ist eine klug komponierte Polit- und Gesellschaftssatire, bissig, entlarvend, zoologisch wie botanisch lehrreich und urkomisch, wobei mir das Lachen oftmals im Hals steckengeblieben ist.

Herausragend, aufrüttelnd und unbedingt lesenswert!

Gaea Schoeters: Das Geschenk. Aus dem Niederländischen von Lisa Mensing. Zsolnay 2025
www.hanser-literaturverlage.de/verlage/zsolnay-c-71

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