Die allerbesten Bücher bewegen dich dazu, die Welt um dich herum zu überdenken. (Nicola Yoon)
Meine liebsten Bücher 2019 sind nicht alle in diesem Jahr erschienen, sie haben mich aber im Laufe des Jahres am nachhaltigsten beschäftigt, im besten Falle mein Denken und meine Sicht auf die Welt verändert und/oder mich besonders gut unterhalten. Mein Kriterium ist dabei weder, dass die Bücher sich bereits über lange Zeit als Klassiker bewährt haben, noch die Überzeugung, dass sie auch in hundert Jahren noch gelesen werden. Es ist eine subjektive Auswahl von Titeln, die für mich im genau richtigen Augenblick kamen.
Durch das ganze Jahr begleiteten mich die ersten drei Bände aus der neuen Erstleserreihe von Silke Schlichtmann, beginnend mit Mattis und das klebende Klassenzimmer. Silke Schlichtmann schreibt aus Kindersicht vor Fantasie sprühende Geschichten voller Wortwitz, nie belehrend und nie banal.
Im Frühling waren Machandel von Regina Scheer, ein großartiger, bereits 2014 erschienener Roman über 70 Jahre deutsche und speziell DDR-Geschichte, sowie Bella Ciao von Raffaela Romagnolo über das Schicksal zweier Frauen vor dem Hintergrund Italiens der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts große Entdeckungen für mich.
Noch bevor Saša Stanišić für Herkunft völlig zu Recht im Oktober auf der Buchmesse mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde, war ich im September von der Lektüre, später auch vom Hörbuch völlig begeistert. Inhalt, Sprache, Ernst und Humor machen dieses berührende, kluge, hochaktuelle und zugleich so unglaublich positive und unterhaltsame Buch zu einem Highlight für mich.
Noch nie hat mich ein Gastland-Auftritt auf der Frankfurter Buchmesse so inspiriert wie in diesem Jahr. Seit Oktober habe ich deshalb viele Bücher aus Norwegen gelesen und das bleibt auch noch eine Weile so. Åsne Seierstads Biografie des rechtsextremen norwegischen Massenmörders Anders Behring Breivik und einiger seiner Opfer, Einer von uns, hat mir schlaflose Nächte bereitet. Die Frage, wann ein Mensch zum Monster wird, beschäftigt mich immer noch. Dieselbe Überlegung liegt Simon Strangers hervorragendem Roman Vergesst unsere Namen nicht zugrunde, in dem es um die jüdische Familiengeschichte seiner Frau und den norwegischen Nazikollaborateur Henry Otto Rinnan geht. Als Kontrastprogramm dazu habe ich zuletzt mit großem Vergnügen Nina Lykkes ebenso bissige wie unterhaltsame Ehe- und Gesellschaftssatire Aufruhr in mittleren Jahren gelesen.
Vier der genannten Autorinnen und Autoren bin ich zu meiner großen Freude im Jahr 2019 persönlich begegnet: Regina Scheer hat am 10. April 2019 im Botnanger Buchladen aus ihrem ebenfalls empfehlenswerten Roman Gott wohnt im Wedding gelesen, Saša Stanišić habe ich am 16. Oktober im ARD-Forum auf der Frankfurter Buchmesse erlebt und Åsne Seierstad und Simon Stranger beim Kaffeslabberas zwei Tage später im Gastland-Pavillon getroffen. Mein persönlicher Höhepunkt war jedoch die Organisation einer unvergesslichen Veranstaltung am 23. Oktober in der Johann-Friedrich-von-Cotta-Schule Stuttgart mit Simon Stranger vor weit über hundert begeisterten Gästen.