Peter Huth: Aufsteiger

 Kurskorrekturen

Die Karriere des ehrgeizigen Journalisten Felix Licht kannte bisher nur eine Richtung: nach oben. Dafür hat er Familie, Privatleben und Gesundheit hintangestellt und lebt in Erwartung weiteren Aufsteigens auf zu großem Fuß. Um den Gipfel in Gestalt des Chefredakteurspostens bei der bedeutenden Wochenzeitschrift „Das Magazin“ zu erreichen, schreckt er auch vor Königsmord an seinem Mentor, Förderer und Freund Richard Leck nicht zurück, doch kommt ihm der mit der Kündigung zuvor. Seit das Blatt vom neureichen Ehepaar Christian und Charlotte Berg übernommen wurde, die ihr Riesenvermögen mit Kleidung für Neurechte gemacht haben und dieses Image nun unbedingt loswerden möchten, rückt Felix‘ Ziel in immer greifbarere Nähe, nun ist er sich seiner Sache sicher:

Er fühlte sich wie ein Alpinist, der im Schatten eines gewaltigen Berges aufgewachsen war und nun nach vielen Jahren und Aufstiegsversuchen nur noch wenige Meter bis zum Gipfel vor sich hatte, das Ziel fest im Blick. Er war viel zu nah dran, als dass er noch scheitern könnte. (S. 35)

Peter Huth: Aufsteiger. Foto & Collage: © B. Busch. Cover: © Droemer.

Verkalkuliert
Der Schlag trifft ihn ebenso unvorbereitet wie hart, plötzlich ist nicht nur Richard Leck, sondern auch Felix Licht ein alter weißer Mann. Ihm, der sich mit seinen 48 Jahren noch zum journalistischen Nachwuchs im besten Alter zählte, wird dank der Fürsprache von Charlotte Berg ausgerechnet die 31-jährige woke, schwarze Zoe Rauch vorgezogen, eine Frau mit einem „ausgezeichneten Ruf in genau dem Milieu, das das Magazin bislang strikt ablehnte“ (S. 76). Vor zwölf Jahren war sie seine begabteste Volontärin. Um ein Haar wäre er damals ihrer Schönheit und ihrem Charme erlegen und hätte für sie sein „Spießerleben“ (S. 71) riskiert. Nun ist sie plötzlich wieder da – unter umgekehrten Vorzeichen, aber ebenso anziehend. Innerhalb weniger Stunden bricht für Felix Licht alles zusammen: Karriere, Ansehen, Familie. Warum also nicht auf das Angebot des rechten Hetzbloggers und Anwalts Cornelius Sentheim eingehen und auf Diskriminierung wegen Alters, Geschlechts und Hautfarbe klagen, um wenigstens die finanziellen Probleme abzufedern?

Auf und Ab
Aufsteiger
ist ein Roman aus der Berliner Medienwelt, der mich zunächst in Bann gezogen hat. Der Prolog in den Räumen der Gerichtsmedizin macht neugierig, die Niederlage des selbstmitleidigen Ehrgeizlings Felix Licht erzeugt Schadenfreude und die Schilderung der prekären Lage der Printmedien ist interessant. Dass der 1969 geborene Autor Peter Huth heute Unternehmenssprecher bei Axel Springer ist und früher als Journalist unter anderem Chefredakteur der B.Z. und der Welt am Sonntag war, steht für tiefe Kenntnis der bundesdeutschen Medienszene.

Allerdings flaute meine Begeisterung im Mittelteil deutlich ab, denn die Diskussionen in der Redaktion und den rechtspopulistischen sozialen Medien über Klimakleber, Windkraft, Indianer, Gendersternchen und Transpersonen wirken – wenn auch nicht abschließend gelöst – entsetzlich abgedroschen. Ausgetauscht werden altbekannte Argumente, die mich angesichts der schweren aktuellen Krisen wie Ukraine- oder Gazakrieg einfach nur gelangweilt haben. Gestört hat mich außerdem, dass es durchgängig nur radikale Charaktere gibt, die zudem jedes erdenkliche Klischee erfüllen: radikal ehrgeizig, geltungssüchtig, (pseudo-)feministisch, rechtspopulistisch, wertefrei, selbstmitleidig, reich…, keinerlei Grautöne, und für mich damit ohne Möglichkeit zur Anknüpfung.

Im letzten Teil hat mich die Handlung allerdings wieder eingefangen, trotz der extremen Wendungen, so dass Aufsteiger, nicht zuletzt wegen des dynamischen, temporeichen Schreibstils und des Clous im Epilog, trotz der angeführten Schwächen letztlich insgesamt doch eine lohnende Lektüre für mich war.

Peter Huth: Aufsteiger. Droemer 2025
www.droemer-knaur.de

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