Von wegen igitt!
Nach neun wirklich tollen Romanen für Kinder gibt es mit Staub nun das erste erzählende Bildersachbuch von Silke Schlichtmann, dieses Mal erschienen im Tulipan Verlag. Wer wie sie mühelos gut verständliche Erklärungen für Begriffe wie „Palindrom“ oder „Dimethylsulfid“ in Kinderromane einbauen kann, ist geradezu prädestiniert für ein spannendes Sachbuch. Dass es kein weiterer Band über Ritter, Piraten, Bauernhof oder Dinosaurier geworden ist, hat mich nicht überrascht, denn originelle Einfälle sind typisch für Silke Schlichtmann. Aber ausgerechnet Staub? Igitt!, mag man zunächst denken und mit dem Putzen hadern, aber weit gefehlt. Einst selbst „eine klassische Staub-weg-Wünscherin“, bringt sie dieser Materie inzwischen gefühlt ebenso viel Empathie entgegen wie den kleinen Heldinnen und Helden ihrer Romane und hat sich vor allem ein Ziel gesetzt: dem meist ungeliebten Staub zu einem besseren Ruf zu verhelfen. Um zu zeigen, „was Staub so aufregend und klasse macht“, hat sich die promovierte Literaturwissenschaftlerin als Quereinsteigerin tief in die Staubforschung eingelesen und lässt erwachsene Vorleserinnen und Vorleser, aufmerksame Zuhörerinnen und Zuhörer ab sechs Jahren und selbstlesende Grundschulkinder auf ebenso lehrreiche wie unterhaltsame Weise an ihrem neuerworbenen Wissen und ihrer ansteckenden Faszination teilhaben.

„Ohne Staub wäre vieles nichts.“
Auf 48, von Maja Bohn reich, äußerst fantasievoll, witzig und trotz der grauen Materie knallbunt bebilderten Seiten erklärt Silke Schlichtmann, warum der selbst in Reinräumen noch vorhandene Staub absolut unverzichtbar ist: „fürs Wetter, fürs Klima, fürs Essen, für die Kunst, die Wissenschaft, die Schönheit und, und, und“. Zu jedem dieser staubrelevanten Bereiche gibt es anschauliche Erklärungen, kindgerechte Beispiele und manchmal sogar Anleitungen zu einfachen Experimenten. Wie immer nimmt Silke Schlichtmann ihre Zielgruppe ernst, schreckt auch vor komplizierteren Begriffen wie „Mikrokosmos“, „Tyndall-Phänomen“, „Kehrblechparadox“, „Partikelatlanten“ oder „Kieselgur“ nicht zurück, vereinfacht nicht mehr als nötig und fordert zum Mitdenken heraus. Dass es dabei nie – pardon, dämliches Wortspiel – staubtrocken wird, ist ihrem quicklebendigen und fantasievollen Erzählstil, ihrer Begeisterung für die Materie, der direkten Ansprache aus der Ich-Perspektive und den genialen Illustrationen zu verdanken.
Wer nach der Lektüre Staub noch immer doof findet, dem ist nicht mehr zu helfen. Ich habe jedenfalls viel dazugelernt und bin dadurch zum Staubfan geworden – mindestens bis zum nächsten Hausputz… Und eines weiß ich genau: Dieses geniale erzählende Sachbuch wird im Kinderzimmerregal – nochmals pardon – garantiert nicht verstauben.
Silke Schlichtmann & Maja Bohn: Staub. Tulipan 2025
www.penguin.de/verlage/tulipan
Weitere Rezensionen zu Kinderbüchern von Silke Schlichtmann auf diesem Blog: