Leider ein bisschen zuviel von allem
Minus 18° war mein erster Krimi des hochgelobten schwedischen Autors Stefan Ahnhem, obwohl es sich dabei schon um Band drei der Fabian-Risk-Serie handelt, und es wäre sicher einfacher gewesen, wenn ich Herzsammler sowie Und morgen du bereits gekannt hätte. Aber auch so war der Einstieg möglich und Andeutungen bzgl. der Vorgängerbände haben meine Neugier auf die Vorgeschichte geweckt.
Alles beginnt in Helsingborg, der Stadt im südschwedischen Schonen, als der Fahrer eines BMW nach einer wilden Verfolgungsjagd mit der Chefin des örtlichen Kommissariats wegen eines abgefahrenen Außenspiegels über die Kaimauer in Norra Hamn rast und zu Tode kommt. Dieser Fall, der eine lange Flaute beim örtlichen Ermittlerteam beendet, wird interessant durch die unglaubliche Feststellung des Rechtsmediziners, dass der Tote auf dem Fahrersitz, der schwerreiche IT-Unternehmer Peter Brise, bereits seit ungefähr zwei Monaten tot und seither tiefgefroren war. Doch was ist mit der Aussage von Zeugen, die ihn zuletzt noch getroffen haben? Was als tragischer Verkehrsunfall begann, wird für das Helsingborger Ermittlungsteam und den sympathischen Fabian Risk nach und nach zu einem Fall nie dagewesenen Ausmaßes, zu einem Alptraum an Brutalität. Nicht nur, dass ein 18 Monate zuvor fälschlicherweise als Selbstmord zu den Akten gelegter Todesfall den oder dem Täter zugeordnet werden muss, steht die Befürchtung im Raum, dass weitere Opfer folgen werden. Und nicht nur sie schweben in Todesgefahr, jeder und jede, die dem oder den Tätern zu nahekommen, wird brutal ermordet, so dass es schnell jede Menge Leichen gibt.
Parallel zur Mordserie in Helsingborg bekommt es auf der anderen Seite des Öresunds im benachbarten Dänemark die zum Streifendienst degradierte Ermittlerin Dunja Hougaard mit einem Fall von „Happy Slapping“ zu tun, bei dem Jugendliche vor laufender Handykamera Obdachlose hinrichten und die Filme anschließend ins Netz stellen.
Minus 18° ist zweifellos ein sehr spannender Krimi, den auch ich kaum aus der Hand legen konnte, doch wirklich überzeugt hat er mich trotzdem nicht. Neben der unglaublichen Gewalt hat Stefan Ahnhem für meinen Geschmack auch viel zu viel in diese 550 Seiten hineingepackt. So hat nicht nur Fabian Risk ein breiten Raum einnehmendes Privatleben mit Problemen, über die man fast schon einen eigenen Roman schreiben könnte, seine Chefin trinkt nach ihrer Scheidung, die dänische Kollegin führt einen Privatkrieg gegen einen ehemaligen Vorgesetzten, ein Kollege nimmt sich anscheinend das Leben und eine ehemalige Kollegin leidet noch immer unter den Folgen eines Einsatzfehlers von Risk. Positiv ist dabei allerdings zu vermerken, dass man als Leser trotz aller Orts- und Perspektivwechsel nie den Faden verliert, was für Ahnhems Können spricht. Das an sich hochspannende, zentrale Thema „Identitätsdiebstahl“ wird allerdings durch die schiere Anzahl der Fälle ebenfalls überstrapaziert und verliert dadurch im Laufe des Krimis immer mehr an Glaubwürdigkeit. Hier wie bei den Nebenhandlungen wäre für mich weniger eindeutig mehr gewesen. Schade, denn die leider aus dem realen Leben stammenden Themen und das überwiegend sympathische Personal hätten mehr Potential gehabt.
Ich werde trotzdem mit Herzsammler noch einen weiteren Versuch machen. Ob ich allerdings den Folgeband lese, muss ich mir trotz des Cliffhangers noch überlegen.
Stefan Ahnhem: Minus 18°. Ullstein 2017
www.ullsteinbuchverlage.de