Claire Hajaj: Der Duft von bitteren Orangen

Gebrochene Versprechen

Salim Al-Ismaeli und Judith Gold stammen aus zwei entgegengesetzten Welten und doch ist es 1967 in London Liebe auf den ersten Blick. Salim hat als Kind nach dem Abzug der Briten sein geliebtes Zuhause, das Orangenhaus mit den Plantagen in Jaffa, an die israelischen Besatzer verloren, kurz darauf hat die Mutter die Familie verlassen und nur den jüngsten Bruder mit in den Libanon genommen. Dank der Hilfe seiner Stiefschwester und seines Schwagers schaffte es Salim nach London und ist unter großen finanziellen Anstrengungen dabei, sein Wirtschaftsstudium erfolgreich abzuschließen. Judith dagegen ist Jüdin, Enkelin aus dem russischen Zarenreich vertriebener Juden, und studiert im ersten Semester Literatur. Obwohl ihre Verbindung in beiden Familien auf grundlegende Ablehnung stößt, sind Judith und Salim sich einig, dass Religion für sie keine Rolle spielen soll. Zunächst scheinen sie einander genug zu sein und die Geburt der Zwillinge Sophie und Marc schweißt sie zusammen. Doch Salims Sucht nach Anerkennung, sein Minderwertigkeitskomplexe, die zunehmenden Unstimmigkeit in Erziehungsfragen, die Radikalisierung seines Bruders, sein Neid auf Judith, die zu den „Siegern“ gehört, und die Nachrichten über kriegerische Auseinandersetzungen im arabischen Raum bringen die Beziehung immer mehr ins Wanken – bis es schließlich zum Äußersten kommt…

Der politische Hintergrund des streng chronologisch erzählten Romans Der Duft von bitteren Orangen ist überaus spannend. Die Autorin Claire Hajaj, die selbst in London geboren wurde und sowohl mit der jüdischen wie mit der palästinensischen Kultur aufwuchs, urteilt nicht über ihre Figuren. Ein Nachwort mit den wichtigsten Stationen des Konflikts wäre allerdings für mich hilfreich gewesen. Die wachsende Wut Salims, sein zunehmendes Zurückschauen und die Instrumentalisierung durch seinen Bruder sind sehr gut herausgearbeitet. Allerdings hätte ich mir gewünscht, die Handlung wäre weniger gefühlvoll und melodramatisch aufbereitet gewesen, denn die gut durchdachte Dramaturgie der Geschichte hat diese wiederholte Betonung von Tränen und Verzweiflung gar nicht nötig. Wie schon bei Kristin Hannahs Die Nachtigall hatte ich mit dieser leichten und melodramatischen Erzählweise und der einfachen Sprache meine Probleme, auch wenn mir das Setting gut gefallen hat. Trotzdem:  Wer einen spannenden, emotionalen und einfach zu lesenden Unterhaltungsroman vor dem Hintergrund des unlösbar scheinenden jüdisch-arabischen Konflikts sucht, der wird ihn hier finden.

Claire Hajaj: Der Duft von bitteren Orangen. blanvalet 2015
www.randomhouse.de

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