Gianrico Carofiglio: Reise in die Nacht

Ein herausragend anderer Krimi

Normalerweise lese ich Krimis eher selten zweimal. Bei Gianrico Carofiglios Reise in die Nacht habe ich nun eine Ausnahme gemacht, weil ich mein begeistertes Urteil aus dem Jahr 2007 überprüfen wollte, und kann es nun voll bestätigen. Dabei überzeugt mich nicht allein die Krimihandlung, bei der es nicht um polizeiliche Ermittlungsarbeit, sondern um einen Strafprozess geht, sondern vor allem auch das Privatleben des knapp 40-jährigen Ich-Erzählers und Anwalts Guido Guerrieri, der sich nach der plötzlichen Trennung seiner Frau und einem depressiven Absturz zurück ins Leben kämpft.

Dass ihm dieser Schritt gelingt, ist nicht nur seiner neuen Nachbarin Margherita, sondern vor allem dem Fall des senegalesischen Strandverkäufers Abdou Thiam zu verdanken, der beschuldigt wird, einen neunjährigen Jungen ermordet zu haben. Da Thiam die Tat vehement bestreitet, stützt sich die Anklage ausschließlich auf angeblich sichere Indizien und Zeugenaussagen, keine guten Vorzeichen für die Verteidigung, die Guerrieri trotzdem übernimmt.

Gianrico Carofiglio ist wie sein Hauptdarsteller Jurist, allerdings nicht Anwalt, sondern Anti-Mafia-Staatsanwalt in Bari, der Stadt, in der auch seine Guerrieri-Krimis spielen. Für alle, die lange Gerichtsszenen mit Zeugenvernehmungen und ausgeklügelten Plädoyers nicht schrecken, die wert auf eine gute Sprache legen und die einen differenzierten, ehrlichen, sympathischen, emotionalen Helden kennenlernen möchten, der sich, seinen Beruf und seine Mitmenschen mit viel Ironie und Sarkasmus betrachtet, der ist mit diesem ersten Band der Bari-Krimis bestens bedient.

Gianrico Carogiglio: Reise in die Nacht. Goldmann 2007
www.randomhouse.de

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