Judith Winter: Sterbegeld

Durchweg spannende Krimiunterhaltung

Vorab eine Bemerkung zum Cover: Da ich lieber Krimis als Thriller lese, hätte ich das Buch wahrscheinlich in der Buchhandlung eher nicht in die Hand genommen. Ein Fehler, denn es handelt sich eindeutig um einen Krimi. Mit der Wahl des Covers besteht hier aber meiner Ansicht nach die Gefahr, dass die „falschen“ Leser angesprochen werden. Dagegen möchte ich dem Verlag dtv ausdrücklich ein Kompliment für die Schriftgröße und das Layout machen. Während sonst oft in Taschenbüchern gnadenlos viel auf eine Seite gepresst wird, sind die Seiten hier sehr angenehm und lesefreundlich gestaltet, was bei mir den Lesegenuss eindeutig steigert. Dass das Buch aufgeschlagen liegen bleibt, ohne dass man den Rücken bricht, ist ein weiterer Pluspunkt.

Für mich war Sterbegeld der erste Band der Reihe um das rein weibliche Ermittlerteam Emilia Capelli und Mai Zhou, die beiden vorhergehenden Krimis kenne ich bisher nicht. Die zwei jungen Frauen arbeiten in der Abteilung für Kapitaldelikte der Polizei Frankfurt am Main. Da die Fälle in sich abgeschlossen sind, ließ sich die Geschichte gut lesen, trotzdem hätte ich mir oft das Vorwissen über die beiden Ermittlerinnen gewünscht. Im vorliegenden Band nähern sich die beiden sehr unterschiedlichen Frauen, die zwar eine extrem verschiedene Herangehensweise an ihre Fälle haben, sich in ihrem Ehrgeiz und ihrer Motivation dann aber doch wieder erstaunlich ähneln, erstmals einander an, was schließlich im „du“ gipfelt.

Der Prolog, in dem ein acht Monate zurückliegendes Massaker im Haus einer wohlhabenden Durchschnittsfamilie geschildert wird, das mit der Ermordung der Eltern und ihrer zwei kleinen Kindern endet, ist wirklich exzellent geschrieben. Der 6-jährige Junge kann zwar noch die Polizei alarmieren, doch die beiden Beamten kommen etwas zu spät, um wenigstens ihn und die Mutter zu retten, und werden diese Belastung sicher ein Leben lang mit sich tragen.

Acht Monate später sitzt ein Verdächtiger aufgrund von Indizien in Untersuchungshaft, doch der ihm neu zugeordnete, ehrgeizige junge Pflichtverteidiger rollt den Fall neu auf. Capelli und Zhou nehmen neue Ermittlungen auf, während sie gleichzeitig einen Maulwurf in der Sonderermittlungsgruppe Calibri entlarven sollen. Der Kreis der Verdächtigen ist hier überschaubar, doch ist die Aufgabe besonders für Capelli unangenehm, da sie einige der Kollegen seit Jahren gut kennt.

Der Krimi hat mich über die gesamten 460 Seiten sehr gut unterhalten, war spannend und stilistisch solide, sodass ich sicher weitere Bände der Reihe lesen werden, gerne auch noch die vorhergehenden. Trotz der beiden Handlungsstränge, die sich nach und nach noch verzweigt haben, bestand aufgrund der ordnenden Kapitelüberschriften mit Ort, Datum und Uhrzeit nie die Gefahr, die Orientierung zu verlieren. Gut gefallen hat mir außerdem, dass die einzelnen Szenen nicht zu kurz und die Kapitel strategisch gut geplant waren. Bei der Auflösung konnte mich allerdings der Fall des Maulwurfs deutlich mehr überzeugen als der der ermordeten Familie.

Judith Winter: Sterbegeld. dtv 2015
www.dtv.de

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