Oskar Maria Graf: Das Leben meiner Mutter

Ein  hartes Leben für die Arbeit

Als „wahres Monument der Pietät und Liebe“ bezeichnete Thomas Mann dieses Buch, das Oskar Maria Graf sein wichtigstes nannte. Was dem Titel nach aber wie eine bloße Biografie der Mutter wirkt, ist viel mehr als das: Es ist eine Familienbiografie, Autobiografie, eine Beschreibung dörflichen Lebens in Oberbayern ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Rückblicken bis ins 17. Jahrhundert und eine Chronik der politischen Ereignisse bis 1934.

Oskar Maria Graf wurde 1894 in Berg am Starnberger See als neuntes Kind seiner Familie geboren, seine Mutter Theres Heimrath 1857 in Aufhausen. Sie hatte kaum Schulbildung, arbeitete Zeit ihres Lebens extrem hart und war sehr fromm und demütig. Den Mut ihres Mannes, der ein rastloser Geschäftsmann war und gegen den Willen der Familie und der Dörfler eine Bäckerei eröffnete, Hoflieferant wurde und es zu bescheidenem Wohlstand brachte, teilte sie zu dessen Ärger nie. Sie brachte 11 Kinder zur Welt, konnte aber nicht dazu beitragen, den immerwährenden Streit in der Familie einzudämmen.

Während sich der erste Teil, „Menschen der Heimat“, schwerpunktmäßig um die Mutter dreht, spielt im zweiten Teil, „Mutter und Sohn“, das Leben des Autors eine ebenso wichtige Rolle. Oskar Maria Graf erlernte selbstverständlich das Bäckerhandwerk, ging jedoch früh von zu Hause fort, schloss sich 1911 der Münchner Bohème und anarchistischen Kreisen an, nahm 1916 an der Revolution in München teil und wanderte 1934 mit seiner jüdischen Frau aus.

Für mich gehört diese bayerische Biografie, die sich wie ein Heimatroman liest und die ich immer wieder mit Begeisterung zur Hand nehme, zu den großen Werken der deutschen Literatur. Sie verbindet grandios die Lebensgeschichte einer sehr einfachen, bäuerlichen Frau mit der Kultur- und Sozialgeschichte des Landes. Die tiefe Verehrung für seine Mutter ist jeder Zeile anzumerken, doch ist sich Oskar Maria Graf durchaus der Problematik des unterwürfigen, unemanzipierten und rückständigen Charakters bewusst und er vermeidet jede Art der Glorifizierung.

Oskar Maria Graf: Das Leben meiner Mutter. Ullstein 2016
www.ullsteinbuchverlage.de

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