Viel Potential verschenkt
Ich hatte zugegebenermaßen hohe Erwartungen an diesen Thriller, aber er hat mich enttäuscht. Weder hat er gehalten, was die Leseprobe oder der Klappentext versprochen haben, noch kann ich die euphorischen Kommentare wie „ein Pageturner, der süchtig macht“ (oprah.com) oder „temporeich und packend“ (The Independent) wirklich nachvollziehen. Vielmehr war die Autorin einer an sich sehr guten Idee nicht so richtig gewachsen und hat viel Potential verschenkt. Trotz aller Kritik hätte ich das Buch aber nicht weglegen wollen, dazu war ich dann doch zu neugierig auf das Ende.
Die Ausgangslage hört sich spannend an: Die sieben Monate alte Mia ist spurlos aus ihrem Bettchen verschwunden, die von diesem Schreibaby hoffnungslos überforderte, psychisch angeschlagene Mutter Estelle Paradise wird drei Autostunden entfernt von ihrem Wohnort New York angeschossen und schwer verletzt mit ihrem Wagen in einer Schlucht gefunden. Sie kann sich an nichts erinnern. Ihr Mann, die Polizei und die Öffentlichkeit vermuten, dass sie am Verschwinden von Mia beteiligt ist. Estelle willigt ein, sich in die Klinik Creedmore zu einem Spezialisten für Gedächtniswiederherstellung zu begeben, voller Angst vor den möglichen Entdeckungen, denn allzu viel spricht für sie als Täterin.
Während ihrer Gespräche mit Dr. Ari erfährt man nicht nur, wie Estelle früh ihre Eltern und ihre neugeborene Schwester bei einem Unfall verlor und schon als Kind unter einer leichten Depression litt, er stellt auch die Diagnose einer postpartalen Depression, die durch die Nichtbehandlung in eine Psychose umgeschlagen ist. Haben Estelles beständige Überforderung durch das schreiende Kind, die fehlende Unterstützung durch ihren Mann und ihr mangelndes Selbstbewusstsein zu einer Katastrophe geführt?
Wie bereits eingangs gesagt, hat die Autorin aus dieser spannenden Ausgangssituation in meiner Wahrnehmung viel zu wenig Kapital geschlagen. Der Thriller, geschrieben aus der Ich-Perspektive Estelles, im Präsens und in einer sehr einfachen Sprache erzählt und durch und durch amerikanisch, konnte mich nicht so fesseln, wie ich das erwartet hatte. Vor allem aber konnte mich das Schicksal Estelles und Mias nur ungenügend berühren, was vor allem daran liegt, dass mir die Geschichte zu unglaubwürdig erscheint.
Mit weniger hohen Erwartungen könnte das Buch vielleicht besser unterhalten, deshalb gebe ich trotzdem knappe drei Sterne.
Alexandra Burt: Remember Mia. dtv 2016
www.dtv.de