Alexi Zentner: Die Hummerkönige

Die Könige von Loosewood Island

Fast wie Könige herrschen die Mitglieder der Familie Kings über die fiktive 2000-Einwohnerinsel Loosewood Island vor der Küste von Nova Scotia, Kanada, und Maine, USA. Schon immer gab es Grenzstreitigkeiten und die Insel ist inzwischen eine Art Niemandsland, von dem ich nicht weiß, ob es so etwas tatsächlich gibt. Erster ständiger Bewohner war vor etwa 300 Jahren Brumfitt Kings, ein Hummerfischer und bis heute berühmter Maler, der ein wertvolles Werk und bei Kunstwissenschaftlern gegehrte Tagebücher hinterlassen hat. Ihm und der rauen, ursprünglichen Natur sind die Touristen zu verdanken. Viele Legenden ranken sich um Brumfitt Kings Leben, vor allem die um seine Frau, die ein Geschenk des Meeres gewesen sein soll, die den Reichtum des Meeres als Mitgift in die Ehe gebracht hat, für den allerdings bis heute jeweils der älteste Sohn jeder Generation als Tribut gezahlt werden muss.

Ich-Erzählerin des Romans von Alexi Zentner, der sowohl die kanadische als auch die US-Staatsbürgerschaft besitzt, ist die älteste Tochter Cordelia des derzeit amtierenden heimlichen Inselkönigs Woodbury Kings, genannt Woody, die durch den Unfalltod des einzigen männlichen „Thronfolgers“ seine natürliche Nachfolgerin geworden ist. Wie auch ihr Vater konnte sich nie vorstellen, die Insel endgültig zu verlassen oder etwas anderes als Hummerfischerin zu werden, ein zunächst aussichtslos erscheinender Traum, den sie sich dennoch als erste Frau erfüllt hat.

Nicht nur mit der Urkraft des Meeres und der Unbill des Wetters haben es die Hummerfischer von Loosewood Island zu tun, auch der Kampf gegen die zahlenmäßig überlegene Konkurrenz aus James Harbor, die immer wieder ihre Hummerkörbe in den traditionellen Fanggebieten der Insulaner ausbringt, macht den Fischern zu schaffen. „Es gibt das Gesetz, und es gibt unsere Gesetze“ ist das Credo von Woody Kings, und so werden dem unliebsamen Gegner, der darüber hinaus sein Geld mit Drogenschmuggel verdient, schon mal die Körbe versenkt, wird gebrandschatzt und körperliche Gewalt ausgeübt, mit den Fäusten oder mit Waffen.

Nachdem mir der Beginn des Romans gut gefallen hat, ich die eingeschobenen Werkbeschreibungen von Brumfitts Inselbildern und die Legenden um ihn und seine Frau zunächst interessant fand, genauso wie die Naturbeschreibungen und die Schilderungen des harten Lebens der Hummerfischer, konnte mich die Familiengeschichte der Kings ab Cordelias Erwachsenwerden immer weniger überzeugen. Die eingeflochtenen Liebesgeschichten, die teilweise archaisch anmutende Gesellschaftsstruktur, die brutale Selbstjustiz, die Rivalität zwischen Cordelia und ihren Schwestern um die Gunst des Vaters, der überzogene Showdown und schließlich auch die zu stark in den Vordergrund drängende Familienlegende haben mich beim Lesen zunehmend genervt. Schade, denn bei einem so interessanten Stoff wäre in meinen Augen deutlich mehr möglich gewesen.

Alexi Zentner: Die Hummerkönige. btb 2017
www.randomhouse.de

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