Auftakt einer starken Mädchenbuchreihe
Eine schwierige Perspektive hat sich die Autorin Anna Lott für ihr Kinderbuchdebüt ausgesucht, denn sie schreibt aus der Sicht ihrer neunjährigen Protagonistin, der frischgebackenen Drittklässlerin und stolzen Zimmer- und Nacktmeerschweinchen-Besitzerin Luzie. Dass ihr diese Ich-Perspektive so durchgängig gut geglückt ist, zeigt, dass sie die schwierige Kunst des Kinderbuchschreibens beherrscht und sich die Fähigkeit, die Welt aus dem unverstellten Blickwinkel eines Kindes zu sehen, bewahrt hat.
Luzie ist klein und zart für ihr Alter, aber ein starkes und mutiges Mädchen. Ihre große Liebe gilt den Tieren. Geborgen in einer bisweilen zwar chaotischen aber dennoch sehr liebevollen Familie, tritt sie den Anforderungen des Alltags entgegen. Doch nicht nur ihre Eltern, auch die beste Freundin Bella und ihr geliebtes Nacktmeerschweinchen Herkules geben ihr Halt. Und den braucht sie, denn der schlimmste Junge ihrer Schule, der Anführer der gefürchteten Horrorbande, Leon, zieht ausgerechnet in ihre Nachbarwohnung. Was weder die Eltern noch die Lehrerin glauben wollen: Leon, der so wohlerzogen auftreten kann und Gedichte rezitiert, mobbt mit seiner Bande schwächere Mitschüler so, dass sie schließlich die Schule verlassen. Luzie fürchtet zu Recht, dass sie das nächste Opfer wird.
Wie sie dieser Bedrohung gegenübertritt und wie Leon den Bogen schließlich so überspannt, dass ihm auch die gutgläubigen Erwachsenen mit Luzies und Bellas Hilfe auf die Spur kommen, erzählt Luzie unbefangen und ehrlich auch dann, wenn sie sich für ihre Gefühle schämt. Ihrem und Bellas Ideenreichtum und Mut ist es zu verdanken, dass das Gute am Ende siegt.
Anna Lott hat ein Kinderbuch mit einer sehr positiven, optimistischen Botschaft geschrieben, auch wenn die beiden Hauptthemen Mobbing und Tierquälerei schwere Kost sind. Mit ihrem ansteckenden Humor schafft sie es, dass nicht nur Luzie und Bella, sondern auch Leserinnen und Leser jeden Alters viel Spaß haben. Dazu tragen auch die durch ihre Frische und Fantasie sehr gut zum Text passenden, sehr zahlreichen Schwarz-Weiß-Illustrationen von Lucie Göpfert bei, die oft noch einmal einen neuen Denkanstoß zum Text geben.
Als einziges Problem sehe ich bei diesem Buch die Diskrepanz zwischen Textmenge und Zielalter. Erstleser werden hier in der Regel kapitulieren und die vom Inhalt her angesprochenen Zweit- und Drittklässler werden ordentlich gefordert. Aber zur Not gibt es ja noch uns, die Vorleser, die nebenbei noch reichlich Diskussionsstoff finden…
Anna Lott: Luzies verrückte Welt. dtv 2015
www.dtv.de