Arno Frank: So, und jetzt kommst du

„Immerhin war es nicht langweilig“

Eigentlich hatte ich gedacht, dass mich nach Jeannette Walls‘ Schloss aus Glas kein Bericht über eine Kindheit mehr schockieren könnte. Doch Arno Franks autofiktionaler Roman So, und jetzt kommst du, der nicht in den fernen USA, sondern hier bei uns spielt, zu einer Zeit, als ich selber Kind war, hat es doch geschafft.

Arno Frank, heute Publizist und freier Journalist u. a. für die taz, Die Zeit und Spiegel Online, schildert die „wilden Jahre“ der Familie Frank aus der Sicht des ältesten Sohnes zwischen dessen fünftem Lebensjahr und der Pubertät. Der Vater, ein Hochstapler und Betrüger, bringt ihm früh bei: „Du musst dir aussuchen, was du sein willst. Angreifer oder Verteidiger“. Für sich selbst hat er klar die Rolle des Angreifers gewählt, den Verwaltungsjob an den Nagel gehängt und macht dubiose Geschäfte, für die er sich immer wieder Geld leiht und mit ebenso schillernden wie zwielichtigen Bekannten verkehrt. So geht zunächst das eigene Haus verloren und die Familie muss zur Miete in ein abgelegenes Haus ziehen. Sie leben vom Versprechen des Vaters, auf „das ganz große Geld“, das jeden Tag kommen kann, denn „jeden Tag steht wieder ein Dummer auf“, der sich übers Ohr hauen lässt. Als der „Arsch voll Geld“ schließlich da ist, flieht die Familie, mittlerweile mit drei Kindern, darunter ein Baby, an die Côte d’Azur und lebt eine Weile im Luxus, bis die Polizei auch dort vor der Tür steht und die Odyssee weiter nach Südeuropa geht. Doch die Abstiegsspirale ist nicht mehr aufzuhalten…

Der Autor erzählt diese schräge und tragische Familiengeschichte einerseits mit Humor, andererseits habe ich beim Lesen immer mehr Mitleid mit dem Ich-Erzähler bekommen, für den der Diercke-Atlas als Orientierung zum wichtigsten Besitz wird, der nicht mehr „ankommen“, sondern endlich in stabilen Verhältnissen leben möchte, und der des ewigen Wartens auf was auch immer müde ist. Im Gegensatz zur schwachen Mutter, die in kritischen Situationen Daumen lutscht, ihren Mann aufrichtig liebt und die Wirklichkeit verdrängt, ist die Schwester Jeany, obwohl jünger als der Ich-Erzähler, das tatkräftigste Mitglied der Familie und durchschaut die Lage erstaunlich klar.

„Immerhin war es nicht langweilig“, wird die Mutter viele Jahre später über ihr Leben sagen. Dem kann ich als Leserin voll und ganz zustimmen.

Arno Frank: So, und jetzt kommst du. Tropen 2017
www.klett-cotta.de/buecher/tropen

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert