Tieftraurige Lebensschicksale
Zwei Menschen erzählen sich gegenseitig die Lebensgeschichte ihrer Vorfahren: Ray aus New York die seines Großvaters, Elena aus Rumänien die ihrer Mutter. Der rumänischstämmige Autor Catalin Dorian Florescu, der heute in der Schweiz lebt und seine Romane auf Deutsch verfasst, hat dies jedoch nicht in Form einer Rahmenhandlung mit Rückblenden gestaltet, sondern lässt die beiden Erzähler erst in den letzten zwei Kapiteln unter apokalyptischen Bedingungen aufeinandertreffen.
Zuvor erfahren wir in sechs Kapiteln abwechselnd die Geschichten der beiden Vorfahren. Da ist einmal die des Großvaters von Ray, um 1890 geboren, Herkunft ungewiss, als Straßenkind, Zeitungsverkäufer und Schuhputzer in New York zuhause und immer auf eine Karriere als Sänger hoffend. Elenas Mutter dagegen wurde im Donaudelta in Rumänien um 1920 geboren. So unterschiedlich die beiden Herkunftsorte und Zeiten, so ist doch beiden eine fehlende Geborgenheit, Einsamkeit, Hunger und ein zäher Überlebenswille gemeinsam. Die ständige Konfrontation mit dem Tod ist bestimmend für ihrer beider Leben und Flüsse, hier der East bzw. Hudson River, dort die Donau, spielen eine große Rolle. Beide haben einmal die Chance auf Glück: Der Großvater heiratet aus Liebe, verliert aber seine Frau kurz darauf bei einem tragischen Brand in einer Textilfabrik, Elenas Mutter träumt kurz den Traum von einer Ehe in den USA bevor sie so schwer erkrankt, dass sie den Rest ihres Lebens in einer Kolonie von Aussätzigen verbringen muss.
Auch über dem Leben der Nachkommen steht kein glücklicher Stern. Ray versucht sich im künstlerischen Bereich als Unterhalter und strebt dabei ohne viel Erfolg dem Vorbild des ebenfalls glücklosen Großvaters nach, Elena hat ihre Kindheit bei verschiedenen Pflegefamilien verbracht, im Kommunismus in der Textilproduktion gearbeitet und verbringt nun einen Monat im Jahr als Pflegerin in Sussex. Es bedarf vieler unglaublicher Zufälle, damit sie sich im September 2001 ausgerechnet in New York treffen…
Die große Stärke von Catalin Dorian Florescu ist die kraftvolle Erzählweise, die Szenen und Handlungsorte außergewöhnlich lebendig werden lässt. Daneben hat mich beeindruckt, wie detailliert er recherchiert hat. Die Schicksale haben mich berührt und hallen nach, auch wenn einiges aus des Großvaters Vergangenheit mich abstößt und irritiert.
Ein sehr trauriges, melancholisches Buch und für mich trotz kleinerer Abstriche eine empfehlenswerte Lektüre.
Catalin Dorian Florescu: Der Mann, der das Glück bringt. C.H. Beck 2016
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