Der Sohn des Patriarchen
Hanns-Josef Ortheil hat diesen Familienroman aus dem Jahr 2005 in der Branche angesiedelt, die er kennt wie kaum ein anderer: im deutschen Literaturbetrieb.
Der alte, hemdsärmlig und in Gutsherrenmanier regierende Patriarch Richard von Heuken, Herrscher über ein Verlagsimperium, hat seine drei Kinder Georg, Christoph und Ursula nie neben sich hochkommen lassen. Die Nachfolgeregelung ist offen und die drei sind vorläufig mit je einem Verlag als „Spielwiese“ abgespeist. Doch nun erleidet der Mann wie aus heiterem Himmel einen zweiten, lebensbedrohlichen Infarkt, und während er in kritischem Zustand auf der Intensivstation liegt, begleiten wir seinen ältesten Sohn Georg, 52 Jahre, auf der Spurensuche nach dem Vater, dem Kampf gegen seine Geschwister um die Leitung der Heukengruppe und seiner eigenen Neuorientierung. Er, der „Mann, dem man noch keine Gelegenheit gegeben hat, zu seiner Höchstform aufzulaufen“, versucht nun, die Kontrolle nicht nur über das Imperium, sondern auch über sein eigenes Leben zu bekommen und nichts aus seinem bisherigen Leben scheint mehr zu ihm zu passen: nicht sein Auto, nicht sein Haus und wahrscheinlich nicht einmal mehr seine Frau.
Hanns-Josef Ortheil zeichnet gleichzeitig das Porträt eines Mannes, der sich an einem Wendepunkt seines Lebens und auf der Suche nach einem eigenen Profil befindet, und einer Branche, in der die alten, im wahrsten Sinne des Wortes kriegserfahrenen Haudegen allmählich von Bord gehen.
Ein sehr unterhaltsamer Roman, der interessante Einblicke in die Buchbranche gibt und bei dem mir die Schilderung einer Lektorenkonferenz mit Vorschauplanung besonders gut gefallen hat. Etwas weniger gelungen fand ich dagegen die Schlusspointe.
Hanns-Josef Ortheil: Die geheimen Stunden der Nacht. btb 2007
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