Mankells erster Afrika-Roman
Das Thema dieses kleinen Romans ist auch über 40 Jahre nach dem ersten Erscheinen noch topaktuell. Die Flüchtlinge aus Afrika führen uns Tag für Tag die anhaltenden Folgen von Kolonialismus und Ausbeutung vor Augen. Dass Henning Mankell dies bereits bei seiner ersten Afrikareise im Jahr 1972 im Alter von 24 Jahren erkannte und auf diese Weise thematisierte, ist sicherlich ein Verdienst. Es war sein zweiter Roman, lange vor den Wallander-Krimis und den großen Afrika-Büchern wie Der Chronist der Winde und Ich sterbe, aber die Erinnerung lebt geschrieben, und zu Mankells Lebzeiten (1948 – 2015) wurde er nicht ins Deutsche übersetzt. Ich bin mir nicht sicher, ob er diese nachträgliche Veröffentlichung gewollt hätte, zu groß ist der Unterschied zu seinen späteren Romanen.
Zwei junge Schweden stehen im Mittelpunkt der Geschichte: Stefan und Elisabeth. Beide haben gerade Abitur gemacht, hatten während der Schulzeit eine kurze Beziehung, aber während Stefans Zukunft als Sohn reicher Eltern vorgezeichnet ist und sein Weltbild bereits zementiert scheint, ist Elisabeth auf der Suche nach ihrer Bestimmung und offen für neue Eindrücke. So ist auch ihre Motivation für eine 14-tägige Afrikareise, bei der sie sich im Herbst 1972 im Flugzeug zufällig wiederbegegnen, eine ganz unterschiedliche: Stefan möchte Meer, Wärme, schnellen Sex mit Afrikanerinnen und reichlich Alkohol, Elisabeth dagegen will durch diese mutige Reise zu sich selber finden, Neues kennenlernen und Sicherheit gewinnen. Für beide werden sich die Erwartungen schließlich erfüllen: Stefan sieht seine Vorurteile über die Einheimischen auf ganzer Linie bestätigt und lebt seinen blasierten, besserwisserischen Rassismus voll aus, Elisabeth öffnet sich für die Probleme des Landes, kann dank dieser Offenheit auch hinter die Kulissen blicken und kehrt erwachsener zurück.
Viele der politischen und gesellschaftskritischen Themen späterer Romane sind in diesem frühen Werk Henning Mankells bereits erkennbar, allerdings plumper, mit leider wenig differenzierten Charakteren und sprachlich sehr einfach. Schade auch, dass so wenig vom Flair Afrikas zu spüren ist, und dass immer nur ganz pauschal von Afrika die Rede ist, nicht von einem bestimmten Land. Zu deutlich merkt man dem Autor sein Engagement in der schwedischen 68er-Bewegung und seine gute Absicht, Missstände aufzugreifen, an, alles Dinge, die er in späteren Romanen so unvergleichlich besser, obwohl nicht weniger kritisch, beherrschte.
Als ausgesprochener Mankell-Fan bereue ich die Lektüre dieses Frühwerks definitiv nicht und werde ganz bestimmt auch weitere Neuerscheinungen lesen, egal aus welcher Schaffensperiode. Es ist durchaus interessant zu sehen, wie ein Autor zu dem wurde, was er schließlich war, auch wenn, wie in diesem Fall, der Weg dorthin ein wenig steinig war. Wer allerdings noch kein Buch von Henning Mankell gelesen hat, dem würde ich dieses nicht als Einstieg empfehlen.
Henning Mankell: Der Sandmaler. Zsolnay 2017
www.hanser-literaturverlage.de