Joseph Jefferson Farjeon: Geheimnis in Weiß

Mörderische Weihnachten

Die Fahrt einer bunt zusammengewürfelten Reisegruppe an einem 24. Dezember in einem Zugabteil der dritten Klasse von Euston nach Manchester wird jäh durch einen Schneesturm gestoppt. Als einige Passagiere aussteigen, um sich zu Fuß zum nächsten Bahnhof durchzuschlagen, müssen sie in einem Landhaus Unterschlupf suchen. Sie finden es geöffnet vor, ein Kaminfeuer brennt, der Tisch im Salon ist gedeckt, die Speisekammer gefüllt, das Teewasser kocht und auf dem Küchenboden liegt ein Brotmesser, nur findet sich weit und breit kein Gastgeber.

Dass es, wie ein Inspektor später feststellt, innerhalb eines halben Tages vier Morde zu beklagen gibt, und er sich seine Weihnachtsgans redlich verdient hat, mag bei diesem gruseligen Ambiente vielleicht gar nicht so verwundern. Noch spannender als die Mordfälle und deren Aufklürung fand ich allerdings die Zusammensetzung der Gruppe sowie ihre Interaktionen und Gespräche. Da sind zunächst der schon ältere, vornehme Mr. Edward Maltby mit seinem analytischen Gehirn, Mitglied der Königlich-Parapsychologischen Gesellschaft, der mich sehr an Hercule Poirot erinnert hat, das jüngere Geschwisterpaar David und Lydia aus der gehobeneren Gesellschaft, Mr. Thomson, ein farbloser Buchhalter, eine Revuetänzerin ohne Engagement namens Jessie Noyes, die gerne gesellschaftlich aufsteigen würde, ihre Grenzen aber durchaus erkennt, der notorische Nörgler Mr. Hopkins, ein Emporkömmling, dem es an Manieren und Kombinationsgabe fehlt, sowie der durch seinen Cockney-Akzent und seine kräftigen Hände, flache Stirn und Stumpfheit von Hinterkopf und Nacken eindeutig als Angehöriger der Unterklasse erkenntliche Smith, der bald darauf verschwindet.

Während sich die Gruppe organisiert, den fiebernden Mr. Thomson und die fußverletzte Jessie zu Bett bringt, Lydia die Krankenpflege, Küche und Weihnachtsvorbereitungen übernimmt und David penibel Buch führt über die an den Hausherrn zu erstattenden Kosten, kombiniert Mr. Maltby messerscharf, legt Indiz zu Indiz und fahndet nach Beweisstücken. Doch erst als zwei verspätete Neuankömmlinge endlich die Geschichte des Hauses und ihrer Bewohner enthüllen, kommt Licht ins Dunkel.

Joseph Jefferson Farjeon (1883 – 1955) hatte schon zahlreiche Krimis veröffentlicht, als Mystery in White 1937 erstmals erschien. Dem Verlag Klett-Cotta ist es zu verdanken, dass die mörderische Weihnachtsgeschichte, die sich fast wie ein Kammerspiel liest, nun erstmals auf Deutsch vorliegt. Die wunderschön gestaltete flexible Leinenausgabe mit dem Lesebändchen liegt angenehm in der Hand und passt so genau zur Atmosphäre und zum herrlich klassisch-britischen Stil des Büchleins, dass schon alleine das Betrachten und Anfassen ein Genuss ist, von der Lektüre ganz zu schweigen.

Joseph Jefferson Farjeon: Geheimnis in Weiß. Klett-Cotta 2016
www.klett-cotta.de

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert