Japanische Druckkunst der Gegenwart – mehr als Lampions und Samurai
Private Sammlungen sind bedauerlicherweise oft nicht zugänglich. Dies gilt auch für die Kollektion japanischer Kunst von Roswitha Schulz. Nach ihrem Studium der Sprachen und der englischen Literatur war sie in einem Automobilunternehmen tätig. Während eines mehr als siebenjährigen Aufenthalts in Japan in den Jahren 2009 bis 2016 entdeckte sie ihre Liebe zur Kunst ihres Gastlandes. Über 200 Kunstgegenstände hat sie bei ihrer Rückkehr nach Deutschland mitgebracht, Gemälde, Drucke, Seidenkimonos und andere Objekte. Grundlage ihrer Erwerbungen waren nicht finanzielle oder spekulative Überlegungen, sondern stets ihr persönlicher Geschmack, weshalb die Sammlung einen individuellen Blick auf die Kultur Japans darstellt und keinen systematischen Ansatz verfolgt. Hierin liegt für mich ihr Reiz. Ich hatte das Glück, einige ihrer Schätze persönlich gezeigt zu bekommen und freue mich deshalb besonders über den soeben erschienenen Katalog, in dem ich viele der mir bekannten Drucke entdeckt habe, fotografisch und drucktechnisch hervorragend wiedergegeben. Der wunderschöne Softcover-Band zeigt eine Auswahl von 33 Druckobjekten aus der Sammlung Roswitha Schulz und erschien anlässlich einer leider ebenfalls nicht allgemein zugänglichen Ausstellung Japanese Art in a Global Context in Berlin.
Die abgebildeten Kunstwerke aus den Jahren 1986 bis 2017 stellen eine interessante Mischung aus verschiedenen druckgrafischen Verfahren auf unterschiedlichen Materialien dar, teils farbig, teils schwarz-weiß. Als Laie auf dem Gebiet der japanischen Kunst war ich vor allem über die Vielfalt der Motive überrascht. Neben traditionellen Motiven wie Schriftzeichen, Kirschbaum, Lampion, Mädchen im Kimono und Schwert, die ich so erwartet hatte, gibt es auch Bilder, die überraschend vertraut wirken, beispielsweise Winterlandschaften mit Blockhütten und Holzstapeln oder Tulpen.
Für mich ist dieser Katalog ein spannender erster Einblick in die japanische Kunst der Gegenwart, der Lust macht, ihn immer wieder in die Hand zu nehmen und sich eingehender mit dem Land und seiner Kunst zu beschäftigen. Beim mehrfachen Betrachten waren immer wieder andere Bilder meine Favoriten, mal der Holzschnitt „Usuzumi 1500-year cherry tree“ mit seinen unzähligen kleinen Blüten von Kazue Inoue, mal „One Blade of Grass, One Blossom“ von Toko Shinoda, eine Lithografie mit abstrakter Kalligrafie, mal die leuchtend roten Tulpen auf Taika Kinoshitas Holzschnitt „Get Back-108-Y“. Für Japaner dürfte es interessant sein, einen Einblick in die Wahrnehmung ihrer Kunst und die Auswahl durch eine deutsche Sammlerin zu sehen.
Mit acht Werken ist die heute 86-jährige Künstlerin Kazue Inoue vertreten. Durch die von ihr selbst in einem sehr aufwändigen, alt-überlieferten Verfahren hergestellte Druckerschwärze erreichen ihre Objekte eine überragende Leuchtkraft. Die bereits 105-jährige Künstlerin Toko Shinoda, deren Bilder in Museen auf der ganzen Welt hängen, ist mit drei Werken vertreten.
Neben den 33 abgebildeten Kunstwerken mit Nennung des Künstlers oder der Künstlerin, des Titels, der Technik, der Nummer und der Auflagenhöhe, des Entstehungsjahres und des Formats gibt es ein englischsprachiges Vorwort des ehemaligen Chairman von Mitsubishi Keisuke Egashira und eine ebenfalls englischsprachige kurze Vita der Sammlerin. Der stilvoll gestaltete Umschlag mit den roten und goldenen Kranichen rundet den sehr empfehlenswerten Katalog ab, dem die Freude seiner Schöpferin an ihrer Sammlung deutlich anzumerken ist.
Der Katalog kann zum Preis von 40 EUR bestellt werden über: Order-Japanese-Art-Catalogue@t-online.de.
Japanese Art in a Global Context : Collection Roswitha Schulz / Editor: Roswitha Schulz-Kirchmann. Reprographics & Lithography: Günter König. 2018