Mehr Werkanalyse als Biografie
Passend zum Fontanejahr 2019 und während einer zweiwöchigen Fahrradtour durch seine Heimat Brandenburg wollte ich gerne eine Biografie über Theodor Fontane lesen. Ich war daher zunächst enttäuscht, dass das dafür ausgewählte Buch von Katharina Grätz Alles kommt auf die Beleuchtung an. Theodor Fontane – Leben und Werk nur zu einem Fünftel der gut 260 Seiten Lebensbeschreibung ist. Danach geht es im zweiten Teil um „Fontanes realistische Romanpoetik“ in den Kapiteln drei bis neun um einzelne Werke, unterteilt in „Historische Romane“, „Kriminalerzählungen, Mordgeschichten“, „Eheromane“, „Standesromane“, „Zeitromane“ sowie „Lyrik und Balladen“. Gelesen habe ich die beiden ersten Kapitel, dazu die Einleitungen zu den Kapiteln drei bis neun und die Werkanalysen zu Effi Briest, meinem ehemaligen Abiturthema und mir daher wohlvertraut, zu Unwiederbringlich, einem durchaus interessanten Eheroman, dessen ausufernde Schilderung des deutsch-dänischen Konflikts mir aber viel abverlangt hat, und zum Kriminalroman Unterm Birnbaum, den ich parallel dazu gelesen habe.
Das erste Kapitel über Fontanes Leben hat mich immer wieder überrascht, hatte ich doch das Bild eines Apothekers im Kopf, der erst im Ruhestand zum Schriftsteller wurde. Tatsächlich hat Theodor Fontane, geboren 1819 in Neuruppin, bereits ab seiner Kindheit Texte verfasst, arbeitete nach seiner Approbation zum Apotheker 1847 nur noch zwei Jahre in diesem Beruf und kämpfte ab 1849 mit den Unwägbarkeiten des Schriftstellerdaseins. Seine 1950 geschlossene Ehe mit Emilie Caroline Rouanet-Kummer, aus der vier überlebende Kinder hervorgingen, wurde von fortwährender ökonomischer Unsicherheit überschattet. Um seine wachsende Familie zu ernähren, arbeitete Fontane als Journalist, teilweise als Auslandskorrespondent in London, als Reiseschriftsteller mit Werken über England und die Mark Brandenburg, als Kriegsjournalist in den drei preußischen Kriegen gegen Dänemark, Österreich und Frankreich, ab 1870 als Theaterkritiker und erst im Alter von 70 Jahren ausschließlich als freier Schriftsteller. Sein literarisches Werk entstand überwiegend in den letzten 20 Lebensjahren bis zu seinem Tod 1898, die teilweise von Depressionen überschattet waren.
Trotz meiner anfänglichen Irritation habe ich den Kauf und die Lektüre dieses Buches schließlich nicht bereut. Der biografische Teil ist zwar kurz, arbeitet die wesentlichen Lebens- und Schaffensabschnitte Fontanes aber sehr gut heraus. Das Kapitel „Fontanes realistische Romanpoetik“ über Themen wie Fontanes Gesellschaftsdarstellung, Figurenkonzeption und Erzähltechnik hat die Autorin, die an der Universität Freiburg Neuere Deutsche Literatur lehrt, auch für Laien sehr gut verständlich und interessant verfasst. Was die Analysen einzelner Werke betrifft, so eignen sie sich zwar eher nicht zur Lektüre am Stück, ich werde sie aber bestimmt zukünftig hinzuziehen, wenn ich wieder einen Fontane-Roman lese.
Im Rahmen der Feiern zum Fontanejahr 2019 konnte ich am 23.04.2019 in der Kulturkirche Neuruppin eine großartige Lesung von Rainald Grebe und Tilla Kratochwil mit Briefen der Eheleute Fontane erleben. Alles kommt auf die Beleuchtung an hat mich darauf gut vorbereitet.
Katharina Grätz: Alles kommt auf die Beleuchtung an. Theodor Fontane – Leben und Werk. Reclam 2015
www.reclam.de