Mareike Fallwickl: Dunkelgrün fast schwarz

  Zu viel und zu wenig

Seit 2018 der Debütroman Dunkelgrün fast schwarz von Mareike Fallwickl erschien und teils hymnische Kritiken erhielt, hatte ich das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Nun ist diese Lücke geschlossen, Euphorie hat sich bei mir jedoch nicht eingestellt. Zwar ist das Cover ausgezeichnet gelungen und die Wiederholung der Farnblätter als Teiler zwischen Abschnitten ist originell, aber weder Handlung noch Erzählweise konnten mich überzeugen.

Aus zwei mach drei
Der Inhalt lässt sich in erstaunlich wenigen Sätzen zusammenfassen, obwohl das Buch immerhin 475 Seiten umfasst. Moritz und Raffael sind unzertrennlich, seit sie sich im Alter von drei Jahren erstmals begegneten. Seither sind die Rollen klar verteilt: Moritz ist der sensible, künstlerisch begabte, unsichere und zurückhaltende Teil des Gespanns, Raffael das „Arschlochkind“, das andere quält, manipuliert und erpresst, dabei selbstsicher und arrogant auftritt, und auf den Frauen reihenweise hereinfallen. Moritz‘ Mutter Marie und Raffaels Mutter Sabrina sind ihrer ungeplanten Schwangerschaften wegen im Städtchen Hallein bei Salzburg gelandet und dort unglückliche Außenseiterinnen. Im Jahr vor der Matura wird mit der Neuen in die Klasse, Johanna, das Duo zum Trio. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf und nur Moritz bleibt schließlich in Hallein zurück, anstatt wie geplant die Kunstakademie in Berlin zu besuchen. 16 Jahre hört Moritz so gut wie nichts von Raffael, doch dann steht er vor der Tür, unmittelbar bevor Moritz zum ersten Mal Vater wird. Raffael ist, wenig überraschend, kriminell geworden, Moritz fällt spontan in die alte Abhängigkeit zurück. Als auch Johanna überraschend dazustößt, wird die alte Geschichte neu aufgerollt.

Erzählt wie ein Mosaik
Mareike Fallwickl erzählt in gekonntem Aufbau abwechselnd teils aus der Ich-Perspektive Maries, teils in personaler Erzählweise aus der Sicht von Moritz oder Johanna, nicht aber von Raffael. Jeder Erzählabschnitt ist durch nicht chronologisch geordnete Jahreszahlen unterteilt. Neben der Gegenwart 2017 wird unter anderem zurückgeblendet ins Jahr 1982, als Marie mit Moritz schwanger wurde, 1986, als Moritz und Raffael sich erstmals begegneten, in Etappen der Jungenfreundschaft bis zur Triobildung 2000 sowie in das dramatische Jahr danach. So entsteht ein Mosaik aus Lebenssplittern, die sich nach und nach zum Gesamtbild zusammensetzen.

Eine interessante Idee ist Moritz‘ titelgebende synästhetische Veranlagung, die ihn bei Menschen Farben wahrnehmen lässt. In Bezug auf den zurückgekehrten Raffael liest sich das so:

Das Grün ist dunkler geworden, viel dunkler, tief und massiv, fast schwarz. Es füllt den Raum, bis an die Decke strahlt es. Einst war Raffael knospengrün, raupengrün, wie Zuckererbsen in ihrer frisch geöffneten Schote, an manchen Tagen limonenhell. Schwarze Flecken hat das Grün bekommen, wie Schimmel.

Bedingt empfehlenswert
Für mich war Dunkelgrün fast schwarz an vielen Stellen eine Mischung aus einem Zuviel und Zuwenig: zu viele Seiten mit zu wenig Inhalt, zu viel Schwarz-Weiß-Malerei, zu viel unglaubwürdiges Verhalten der Personen und zu wenig Weiterentwicklung, zu viel Auserzählen und zu wenig Raum für Fantasie, zu viele Metaphern, zu viele Klischees, zu viel schlechter Sex und zu viele beschworene Emotionen. Weglegen konnte ich das Buch trotzdem nicht, dafür war ich zu neugierig auf die Ereignisse nach der Matura.

Mareike Fallwickl: Dunkelgrün fast schwarz. Frankfurter Verlagsanstalt 2018
www.fva.de

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