Mikaela Bley: Glücksmädchen

Zwischen Psychokrimi und Gesellschaftsdrama

Ein Glücksmädchen, wie es der Titel des Buches und ihr Name suggerieren, ist Lycke wahrlich nicht. Die Achtjährige lebt nach der Scheidung ihrer Eltern Helena und Harald vor vier Jahren wochenweise abwechselnd bei beiden Elternteilen. Helena hat keine emotionale Bindung zur Tochter und ist beruflich als Immobilienmaklerin stark eingespannt, Haralds neue Frau Chloé ist eifersüchtig auf Lycke und fürchtet deren Konkurrenz für ihren kleinen Sohn. Einziger Lichtblick für Lycke, die auch keine Freunde hat, ist die Nanny Mona, ihre einzige Vertraute, die jedoch kurz vor der Pensionierung steht.

Doch bevor es dazu kommt, ist Lycke eines Abends verschwunden. Chloé hat sie vor der Tennishalle in Stockholm abgesetzt, obwohl das Tennis ausfiel – ein klassisches Missverständnis im Chaos der verschiedenen Zuständigkeiten für das Kind.

Der Fall landet bei der TV-Journalistin Ellen Tamm und lässt bei ihr, die im Alter von acht Jahren ihre Zwillingsschwester verloren hat, ein unbewältigtes Trauma wiederaufleben. Mehr als die Polizei, die zunächst eher verhalten die Ermittlungen aufnimmt, tut sie alles für einen guten Ausgang des Vermisstenfalls und stürzt sich mit fast schon fanatischem Eifer in die Aufklärung. Alles scheint möglich: ein Familiendrama, eine Entführung, Lyckes Ausreißen oder eine pädophile Tat.

Der Debütroman der Schwedin Mikaela Bley ist für mich mehr Psychokrimi als Psychothriller und nebenbei ein modernes Gesellschaftsdrama. Die Suche nach Lycke gestaltet sich spannend, auch wenn ich im letzten Drittel die Auflösung erahnt habe. Einen besonderen Reiz hatte für mich die detaillierte Erwähnung der Stockholmer Örtlichkeiten, weil ich dadurch immer ein Bild vor Augen hatte, und die strikte chronologische Abfolge mit den entsprechenden Kapitelüberschriften, dank derer ich zeitlich immer sehr gut orientiert war. Die persönliche Involvierung der labilen Ellen, die im Laufe der Handlung immer stärker wird, hätte es in meinen Augen dagegen nicht unbedingt gebraucht. dafür hätte ich gerne mehr über die Ermittlungsarbeit der Polizei erfahren, die eigentlich nur in Person des korrupten Polizeibeamten Ove in Erscheinung tritt.

Alles in allem hat mir die Lektüre von Glücksmädchen ein paar sehr unterhaltsame Lesestunden beschert und ich werde die Autorin mit Sicherheit im Auge behalten.

Mikaela Bley: Glücksmädchen. Ullstein 2017
www.ullsteinbuchverlage.de

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