Nadifa Mohamed: Black Mamba Boy

Der lange Weg nach Hause

Beeinflusst vom Schicksal ihres Vaters hat die 1981 in Hargeisa, Somalia, geborene Schriftstellerin Nadifa Mohamed eine zwölf Jahre währende Odyssee durch Ostafrika bis Ägypten, Palästina und schließlich Großbritannien aufgeschrieben. In dem mehrfach ausgezeichneten Debütroman der Autorin, die als Kind nach Großbritannien kam und in Oxford Geschichte und Politik studierte,
erkennt der Protagonist Jama erst nach Jahren des Herumirrens, wo die Heimat eines Nomaden ist und wohin er zurückkehren muss: zu seiner Familie, seiner Frau und seinem Sohn, die in Eritrea auf seine Rückkehr warten.

Jamas Vater hat die somalische Nomadenfamilie verlassen, als die Not zu groß wurde, um sich im Sudan als Chauffeur zu verdingen. Seine Mutter Ambaro ging mit Jama nach Aden, wo sie ihren Lebensunterhalt mühsam in einer Kaffeefabrik verdiente. Jama wächst mehr oder weniger auf der Straße und ohne Kindheit auf und nach dem Tod der Mutter ist er ganz auf sich alleine gestellt. Auf der Suche nach dem Vater wandert er duch die Länder Ostafrikas, die nicht mehr als ein Spielball im Machtpoker der Kolonialstaaten sind. Er durchquert Wüsten, überlebt die Zeit als Kindersoldat und wird mit übergroßer Brutalität konfrontiert, doch seine Zähigkeit und sein übermächtiger Überlebenswillen und vielleicht auch die günstigen Sterne, die Astrologen bei seiner Geburt zu erkennen glaubten, und der Segen durch eine schwarze Mamba noch im Mutterleib lassen ihn immer wieder aufstehen und weitergehen.

Anhand der Übersichtskarte, die der C.H. Beck Verlag dankenswerterweise eingedruckt hat, konnte ich die Reise durch Somalia, den Jemen, Dschibuti, Eritrea, Ägypen und Palästina sehr gut verfolgen. Nach einigen Längen auf dem letzten Teil dieser Irrfahrt war seine Zeit als Schiffsjunge auf der Runnymede Park, die die von den Briten in Palästina abgelehnten jüdischen Flüchtlinge der Exodus zwangsweise nach Hamburg zurückbrachte, wieder ausgesprochen interessant. Als er zuletzt in England ankommt, versucht er auf einem Jahrmarkt entgangene Kindheitserlebnisse nachzuholen. Seine Zukunft als gut verdienender Seemann scheint gesichert, als er einen Brief seiner in Eritrea zurückgelassenen Frau erhält, der alles ändert…

Am Beispiel ihres Vaters erzählt die junge Autorin ein Stück der Geschichte Ostafrikas der 1930er- und 1940er-Jahre mit viel Detailkenntnis und ohne Kitsch. Die geschildert Gewalt ist dabei nur durch den sehr deskriptiven, distanzierten Stil zu ertragen. Ihr großes Verdienst ist es, uns eine Region näherzubringen, über die wir üblicherweise in Europa zu wenig wissen, obwohl die Europäer aufgrund der menschenverachtenden Kolonialpolitik große Schuld auf sich geladen haben. Die Folgen dieser Einflussnahme sind mit Bürgerkriegen, Grenzkonflikten und Flüchtlingsbewegungen leider mehr als aktuell. Gleichzeitig thematisiert sie die bis heute für Afrika prägende Clanpolitik, die einerseits Clanmitglieder in jeder Lage unterstützt, andererseits Clanfremde ausgrenzt und diskriminiert.

Dass Nadifa Mohamed es als Tochter eines Mannes, der nie eine Schule besuchen konnte, bis zur Oxfordabsolventin gebracht hat, klingt nach der Lektüre dieses biografischen Romans wie ein modernes Märchen.

Nadifa Mohamed: Black Mamba Boy. C.H. Beck 2015
www.chbeck.de

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