Rafik Schami: Die geheime Mission des Kardinals

  Operation Olivenöl

Wie in seinem 2015 erschienenen Roman Sophia oder der Anfang aller Geschichten blickt Rafik Schami auch in seinem neuen Buch Die geheime Mission des Kardinals ins Syrien des Jahres 2010 zurück. Wieder ist es eine Vorgeschichte des syrischen Bürgerkriegs, dieses Mal allerdings verpackt in einen Kriminalroman. Obwohl alle Merkmale dieses Genres vorhanden sind, ein Verbrechen, ermittelnde Kommissare, mehrere Verdächtige, verschiedene Motive und schließlich eine Auflösung, bezeichnet der Verlag Carl Hanser das Buch zurecht als Roman, dient doch auch in meinen Augen die Kriminalhandlung vor allem als Gerüst für einen Gesellschaftsroman und steht für mich daher nicht im Vordergrund.

Der Paukenschlag zu Beginn ist die Anlieferung eines anonym versandten Ölfasses an die italienische Botschaft in Damaskus, in dem sich die verstümmelte, seltsam „codierte“ Leiche des auf geheimer Mission in Syrien weilenden Kardinals Angelo Cornaro befindet. Für Kommissar Zakaria Barudi, Mitte 60 und auf der Zielgeraden zur ersehnten Pensionierung, ist die „Operation Olivenöl“ der letzte Fall. Als Polizist alter Schule hat er wegen seines fehlenden Parteiausweises keine große Karriere gemacht, nun möchte er seine Laufbahn mit einem Erfolg beenden. Da der Mord politisch heikel ist und Missstimmungen zu Italien mit Gefahren für die Entwicklungshilfe befürchtet werden, nimmt ein arabischsprechender italienischer Polizist an den Untersuchungen teil. Commissario Marco Mancini und sein syrischer Kollege verstehen sich auf Anhieb, teilen dieselben kulinarischen Vorlieben und sind – genau wie der dritte im Bunde, der Spurensicherer Hauptmann Schukri – einsam, wenngleich mit ganz unterschiedlicher Vorgeschichte.

Auch wenn das Motiv für die Reise des Kardinals lange im Dunkeln bleibt und die vatikanische Botschaft sich im Gegensatz zur italienischen zugeknöpft gibt, zeigen sich bald mehr mögliche Motive und Verdächtige, als es den Ermittlern lieb sein kann. Die Mafia, die der Kardinal zuhause vehement bekämpft, kommt genauso in Frage wie radikale Islamisten, nach vatikanischer Anerkennung strebende Wunderheiler samt Anhängern oder ein feindlicher vatikanischer Kardinalskollege, dessen syrische Familie in Drogen- und Waffenhandel verstrickt ist. Größter Hemmschuh bei den Ermittlungen ist der syrische Geheimdienst, der Angst verbreitet, überall präsent ist und über dem Recht steht: „In einer hochmodernen, aber unfreien Gesellschaft ist die Wahrheitsfindung aussichtslos.“

Rafik Schamis neuer Roman mit der wunderschönen Kalligrafie auf dem Cover ist eine Fundgrube für alle, die sich für die Vorgeschichte des syrischen Bürgerkriegs interessieren und mehr über die politischen und religiösen Konflikte Syriens sowie die ausländische Einflussnahme erfahren möchten. Besonders gelungen sind die Tagebucheintragungen Barudis und die Gespräche zwischen den beiden Kommissaren über Politik, Religion und Aberglauben, die sie bei Tee, Mokka, Falafeln und anderen detailliert beschriebenen Köstlichkeiten führen. Kritisieren kann man die Vielzahl der Themen bis hin zur Islam-Politik Papst Benedikts XVI, die nicht sehr originelle Figur des aufrechten Polizisten Barudi und die Liebesgeschichte am Rande. Für mich hat das bei der Bewertung aber schließlich keine große Rolle gespielt, zu souverän und engagiert verfolgt Rafik Schami alle Handlungsstränge, zu gut erzählt er seine Geschichten und zu sympathisch sind Barudi und Mancini.

Rafik Schami: Die geheime Mission des Kardinals. Carl Hanser 2019
www.hanser-literaturverlage.de

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