Chapeau!
„Dieses Werk stellt meinen Werdegang vom Besuch der ersten Flugshow bis zur eigenen Falknerei dar.“
Wie verwirklicht man innerhalb von kaum zehn Jahren einen außergewöhnlichen Lebenstraum? Sandra Jung berichtet in diesem erzählenden Sachbuch, wie alles als 16-Jährige 2009 mit dem Besuch einer Falknerei begann, wie sie von der ersten Begegnung an fasziniert war von Greifvögeln, zielstrebig ihre Kenntnisse und Fähigkeiten ausbaute, nach und nach eigene Vögel erwarb und ihr Hobby schließlich 2018 zusammen mit ihrem Freund Ben auf der thüringischen Burg Greifenstein zum Beruf machte. Was fast märchenhaft anmutet, ist das Ergebnis harter Arbeit, Disziplin, wohlüberlegter Planung und bewundernswerter Ausdauer. Diese Zielstrebigkeit und der Mut der beiden Jungunternehmer sind ungeheuer beeindruckt, genauso wie ihre Begeisterungsfähigkeit für Vögel und die Natur.
Faszination Falknerei
Gelungen ist die Mischung aus Sachinformationen und Autobiografie, soweit sie für das Ziel der eigenen Falknerei von Belang ist. Überrascht hat mich, dass dem zweiwöchigen Intensivkurs zur Falknerin eine halbjährige Jagdausbildung verpflichtend vorausgeht, hatte ich doch die enge Verbindung zwischen diesen beiden Tätigkeiten bisher nicht gesehen. Erst mit diesem fundierten Wissen, das sich Sandra Jung noch vor dem Abitur aneignete, begann der Aufbau ihres eigenen Vogelbestands. Dabei war es für mich als absolutem Laien hilfreich, dass ich mit dessen allmählichem Anwachsen eine Art nach der anderen kennenlernen konnte, beginnend mit dem Wüstenbussard Dexter und Bens Weißkopfseeadler Milo, der Weißgesichtseule Linus, dem Andenadler Kayla, dem Schakalbussard Elise, dem europäischen Seeadler Mia und dem sibirischen Uhu Lotte, alle im Bildteil in der Buchmitte zu bewundern.
Neben dem tiefen Vertrauen zwischen Vogel und Falknerin, ohne die das freie Tier nicht wieder zurückkehren würde, ist es vor allem die Unberechenbarkeit, die Sandra Jung an ihrer Tätigkeit liebt:
Egal, was ich plane, egal, was ich vorhabe: Immer gibt es mindestens einen Vogel, der mir dazwischenfunkt und den Plan ändert. Langeweile kommt nie auf, und so bleibt meine Arbeit als Falknerin jeden Tag aufs Neue spannend und aufregend. Und auch das Flugprogramm ist dadurch niemals an zwei Tagen das gleiche. (S. 228)
Auf unterhaltsame Weise viel gelernt
Das Buch kam völlig ungeplant in meine Hände und ich war mir zunächst unsicher, ob ich etwas zu diesem Thema, in der Präsensform und mit so vielen Dialogen überhaupt würde lesen wollen. Über die heimischen Singvögel hinaus habe ich mich bisher selten mit Vögeln beschäftigt, war noch nie in einer Falknerei und interessiere mich überhaupt gar nicht für die Jagd. Letzteres wird sicher auch nach der Lektüre so bleiben, selbst wenn Sandra Jung deren naturpflegerische Aspekte herausstellt, aber die Begeisterung für ihre Vögel wirkte ansteckend. Auf unterhaltsame Art habe ich vieles über das Aussehen, das natürliche Verhalten, die Aufzucht, das Training, den Charakter und die Fütterung ihrer Pfleglinge erfahren. Dass sie darüber hinaus mit viel Zeitaufwand und auf eigene Kosten eine Vogelauffangstation betreibt, hat mir zusätzlich imponiert.
Mit diesem neu erworbenen Wissen ist nun der Besuch in einer nahen Falknerei fest geplant und bei meinem nächsten Aufenthalt in Thüringen werde ich ganz bestimmt einen Abstecher auf die Burg Greifenstein unternehmen.
Sandra Jung: Die Herrscher der Lüfte und ich. Unter Mitarbeit von Aylin LaMorey-Salzmann. Ullstein 2019
www.ullstein-buchverlage.de