Trygve Gulbranssen: Und ewig singen die Wälder

  Ein Fels in der Brandung

Was könnte sich besser als Vorlesestoff auf einer langen Reise durch Norwegen eignen, als die weltweit in über 12 Millionen Exemplaren verkaufte und in über 30 Sprachen übersetzte Björndal-Trilogie von Trygve Gulbranssen (1894 – 1962)? Die historische Familiensaga aus dem ländlichen Ost-Norwegen umfasst die Bände Und ewig singen die Wälder, im Original 1933 erschienen, und die auf Deutsch unter dem Titel Das Erbe von Björndal zusammengefassten Teile zwei und drei von 1934/35.

Zwei verfeindete Höfe
Und ewig singen die Wälder
beginnt in den 1760er-Jahren. Zwischen dem Dorf im offenen Land mit dem mächtigen Hof Borgland der Adelsfamilie von Gall und dem aufstrebenden Björndaler Waldhof herrschen seit jeher Misstrauen und Vorurteile:

Aber sie kamen einander nicht nahe, die Menschen aus den Wäldern und die aus dem offenen Land. Nie hatten sie miteinander gesprochen. Stolz gingen die aus dem offenen Land an den Waldleuten vorbei, wenn sie sich trafen – hielten sie für Pack und Schlimmeres und begegneten ihnen nicht gern in der Dunkelheit. […] Man hielt sie kaum für Christen, und Zauberei, Zügellosigkeit und wüste Schlägereien wurden ihnen nachgesagt. (S. 9)

Während in der Siedlung im offenen Land der einstmals wertlose Wald zugunsten von Wiesen, Äckern und Viehzucht gerodet und damit jegliche Verbindung zur Wildnis unterbunden wurde, leben die Björndaler noch nahe an der unkultivierten Natur und pflegen ihre Traditionen:

Und nördlich vom offenen Land hatte der Wald seit jeher bestehen dürfen. Dunkel und mächtig sang er sein altes Lied über Höhen und Hänge unendlich nach Norden fort. Trolle, Huldren und Spuk aller Art waren dort zu Hause. (S. 8)

Drei Generationen der starken, immer reicheren Björndaler begleitet der erste Band der Trilogie: Torgeir Björndal, seine Söhne Tore und Dag, die mit Hilfe des Handelshauses Holder in der Stadt erfolgreich Geschäfte machen, und Dags Söhne, wiederum Tore und Dag genannt. Beide Dags überleben ihre Brüder, beide heiraten Frauen aus der Stadt: der alte Dag die reiche Erbin Terese Holder, der junge Dag die verarmte Majorstochter Adelheid Barre.

Trygve Gulbranssen: Und ewig singen die Wälder. Foto: © M. Busch. Collage: © B. Busch. Cover: © Ullstein.

Die lange Kette
Und ewig singen die Wälder ist ein Roman im romantischen Stil, inspiriert von norwegischen Volkserzählungen und Berichten über die bäuerlichen Vorfahren des Autors aus dem Mund seiner Mutter. Stets steht die Bedeutung des Geschlechts über der des Einzelnen, begreifen sich die Björndaler als Glieder einer Kette aus Vor- und Nachfahren. Zentral sind die inneren Kämpfe des alten Dag, seine kaum beherrschbaren Rachegelüste, sein Hadern mit Gott, sein Stolz, aber auch sein Verhältnis zur Barmherzigkeit.

Ein unverwüstlicher Roman
Zu Unrecht wurde Trygve Gulbranssen nach 1945 Nähe zum Nationalsozialismus vorgeworfen. Im Gegensatz zu seinem deutschen Verlag Langen-Müller hielt er sich bewusst von den Nazis fern und teilte die Ideologie der deutschen Besatzer nicht.

Auch wenn der Roman mit seiner epischen Erzählweise, seiner Pathetik und seinem Rollenbild heute etwas aus der Zeit gefallen scheint, lohnt sich die Lektüre auch fast 100 Jahre nach seinem Erscheinen noch: wegen seiner Schilderungen der Natur im Kreislauf der Jahreszeiten, der unbeugsamen Menschen und des ländlichen Milieus seiner Zeit. Deshalb möchte ich unbedingt bald die Fortsetzung lesen über die Björndaler und ihren Hof, der wie ein Fels in der Brandung steht:

Jahre vergingen, die Zeiten änderten sich draußen in der Welt; doch auf Björndal blieb alles beim alten. (S. 85)

Trygve Gulbranssen: Und ewig singen die Wälder. Übersetzt von Ellen de Boor. Ullstein 1978

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