Ulrike Grunewald: Die Schand-Luise

  Ein Opfer ihrer Zeit

Während der Lektüre von Julia Bairds ebenfalls bei wbg Theiss erschienener Biografie Queen Victoria hörte ich 2018 erstmals von deren geheimnisvoller Schwiegermutter Luise. Die neue, auf Ulrike Grunewalds Dissertation beruhende Biografie über sie mit dem Titel Die Schand-Luise wollte ich deshalb unbedingt lesen. Obwohl nicht alle Fragen geklärt werden können, hat mich das Buch aufgrund des pfiffigen Aufbaus, des Verzichts auf Mutmaßungen und Ausschmückungen und des weitreichenden Zeitbilds überzeugt. Einziger Wermutstropfen waren für mich das Fehlen von Stammbäumen und einer Zeittafel; beides habe ich schmerzlich vermisst.

Der Clou zu Beginn: Die Bergung von Luises Leichnam auf Wunsch der Söhne aus einer verfallenen Kirchengruft im westpfälzischen Dorf Pfeffelbach 1846 und ihre anschließende Überführung nach Coburg rollen die Lebensgeschichte von hinten auf. Doch wie kam die Leiche der ehemaligen Landesmutter dorthin?

Luise wurde am 21.12.1800 als Tochter von Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg geboren, die Mutter starb kurz nach ihrer Geburt. Als einziges Kind des liberalen, kulturinteressierten aber exzentrischen Vaters und einer Stiefmutter wuchs sie ohne konsequente Erziehung zu einer unkonventionellen, heiteren, verzogenen jungen Frau heran, die bereits 1817 im Alter von 16 Jahren mit dem skandalumwitterten, doppelt so alten Ernst von Sachsen-Coburg-Saalfeld verheiratet wurde. Zwar erkannten Vater und Stiefmutter, dass der naiven Luise die nötige Reife zur Ehe fehlte und misstrauten Ernst, doch gaben sie unverständlicherweise dem Drängen des stets klammen Ernst nach, der sich den Anspruch auf das Territorium des Hauses Sachsen-Gotha-Altenburg und das Vermögen Luises schnell sichern wollte. Voller romantischer Vorstellungen stürzte sich Luise in diese Ehe und gebar 1818 und 1819 die Söhne Ernst und Albert, erkannte aber bald die Trostlosigkeit ihrer Situation. Während Ernst mit den Folgen seiner Skandale und gegen die Paparazzi seiner Zeit, die „Libellenschreibern“ kämpfte und selten zuhause war, schloss sie sich dessen Bruder Leopold an und flirtete mit den Offizieren. Gerüchte über eine vermeintliche Vaterschaft ihres Schwagers für Albert gibt es bis heute.

Wie weit Luise aus Verzweiflung über ihre Situation bei Hofe tatsächlich ging, weiß auch Ulrike Grunewald nicht. Sicher ist nur, dass Ernst seine junge Frau nach dem Tod seines Schwiegervaters verbannte und sich 1826 scheidenließ. In ihrem Exil in St. Wendel führte Luise ein bescheidenes, fast bürgerliches Leben und heiratete ein halbes Jahr später den Reisestallmeister Maximilian von Haustein, geadelter Grafen von Pölzig, der zu ihr abkommandiert war. Hätte Ernst ihr nicht jeden Kontakt zu den Kindern versagt und sie um ihr Vermögen gebracht, könnte man annehmen, es wären glückliche Jahre gewesen. Mit Maximilian unternahm sie zahlreiche Parisreisen, wurde ruhig und ausgeglichen und interessierte sich für Theater und Literatur. Als sie an Gebärmutterkrebs erkrankte, pflegte er sie bis zu ihrem frühen Tod am 30.081831 aufopferungsvoll. Doch selbst dann hatte sie keine Ruhe vor Ernst: Er ignorierte ihr Testament bezüglich Grabstätte und Erbe, so dass sie erst am 19.12.1832 ihre vorläufig letzte Ruhestätte in der Dorfkirche fand.

Ulrike Grunewald beschreibt die drei völlig unterschiedlichen Lebensphasen gleichermaßen sachlich wie unterhaltsam und mit der richtigen Anzahl an Originaltexten sowie einigen Schwarz-Weiß-Illustrationen. Ich habe diese informative Biografie sehr gerne gelesen.

Ulrike Grunewald: Die Schand-Luise. wbg Theiss 2019
www.wbg-wissenverbindet.de

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