Marie Reiners: Frauen, die Bärbel heißen

Unverhofft kommt oft

Kann ein Tag, der mit dem Fund eines perfekten Stöckchens für ihre Mischlingshündin Frieda beim Morgenspaziergang beginnt, zum Albtraum werden? Er kann, wenn das Stöckchen wie in diesem Fall im Auge einer männlichen Leiche steckt. Von diesem Moment an geht es im Leben der Bärbel Böttcher, 54, arbeitslose Tierpräparatorin, früh verwaist, ledig, ohne Kinder und alleinlebend, drunter und drüber. Sie, deren Hauptverbindung zur Außenwelt bisher die Verkaufsshows eines Shoppingsenders waren, muss die Polizei in Person von Kommissar Lichtblau verständigen, Stunden auf dem Kommissariat verbringen und bekommt dafür nicht einmal das ersehnte Stöckchen überlassen. Am Nachmittag steht die frischgebackene Witwe vor ihrer Tür und attackiert sie mit dem Elektroschocker und einem Ausbeinmesser. Wenige Stunden später hat Bärbel zwei Gefangene und zwei Leichen an der Backe und in den kommenden zehn Tagen passiert mehr, als in den vorhergehenden 54 Jahren. Dabei geraten nicht nur Bärbels beschauliche Gegenwart und ihre Zukunft ins Wanken, auch ihre Vergangenheit stellt sich plötzlich ganz anders dar…

Das Krimidebüt Frauen, die Bärbel heißen der mir bisher unbekannten Drehbuchautorin Marie Reiners ist absolut schräg, irrwitzig, bitterböse, voller schwarzem Humor und witziger Dialoge. Oft hat es mich an die von mir sehr geschätzten Romane von Ingrid Noll erinnert. Männer kommen nur als Rand- bzw. Witzfiguren vor, von den weiblichen Wesen kann man allenfalls die im völligen Gegensatz zu ihrer Besitzerin kontaktfreudige Frieda als normal bezeichnen. Aus der Schrulligkeit Bärbels speist sich ein großer Teil der Komik, denn ihr Mangel an Empathie, ihre Skurrilität, ihre fehlende Sozialisation und die daraus resultierende Unvorhersehbarkeit ihrer Reaktionen und Handlungen sind urkomisch. Allerdings macht sie ungewollt eine Entwicklung durch, denn das abrupte Ende ihres Eremitendaseins bleibt für sie nicht ohne Folgen.

Die Schauspielerin Katja Riemann liest den Roman auf sechs CDs in etwas über acht Stunden absolut überzeugend. Ich habe ihr die skurrile, emotionslose Ich-Erzählerin Bärbel zu jeder Zeit voll und ganz abgenommen. Allerdings hätten ein paar Kürzungen dem (Hör-)Buch in meinen Augen gutgetan.

Obwohl die Morde befriedigend aufgeklärt werden, wäre eine Fortsetzung der Geschichte durchaus denkbar. Mich würde das weitere Schicksal Bärbels und Friedas jedenfalls interessieren und ich wäre lesend oder hörend ganz bestimmt wieder dabei!

Marie Reiners: Frauen, die Bärbel heißen. Gelesen von Katja Riemann. Argon 2018
www.argon-verlag.de

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