Allan Stratton: Worüber keiner spricht

Das Schweigen brechen

Vor einigen Jahren habe ich Henning Mankells hervorragendes, aber tief deprimierendes Buch Ich sterbe, aber die Erinnerung lebt gelesen, in dem es um das Thema Aids in Afrika geht. Ich war deshalb sehr gespannt und etwas skeptisch, ob dieses Thema als Stoff für ein Jugendbuch taugen kann. Nach der Lektüre des bereits 2005 erschienenen Titels Worüber keiner spricht bin ich jedoch begeistert über die Umsetzung durch den kanadischen Autor Allan Stratton, der dafür zurecht zahlreiche Preise in verschiedenen Ländern erhalten hat.

Protagonistin des Romans ist die 16-jährige Chanda Kabelo, ein Mädchen mit großen Zukunftsträumen, das irgendwo in einem südafrikanischen Elendsviertel lebt. Doch ihr Leben wird überschattet von Krankheit und Tod, und zu Beginn muss sie die Beerdigung für ihre kleine Schwester organisieren, da ihre sonst so tatkräftige Mutter selber unter mysteriösen Beschwerden leidet, offiziell eine Folge der Trauer. Da ihr Stiefvater sich völlig dem Alkohol ergeben hat, muss Chanda, die so gerne einen Schulabschluss machen würde, um Lehrerin oder Ärztin zu werden, immer mehr Verantwortung für die Familie, vor allem für die beiden kleineren Geschwister übernehmen. Und sie hat immer mehr Angst: Da ist die Mutter, die immer schwächer wird und eines Tages verschwindet, die Freundin, die sich nach dem Tod ihrer Eltern prostituiert, und die ständige Sorge um die Gesundheit der Geschwister und nicht zuletzt ihre eigene. Doch eines Tages trifft sie eine mutige Entscheidung, denn sie möchte nicht länger schweigen…

Mehrere Monate hat Allan Stratton vor Ort bei Projekten zur Aids-Prävention und zur Betreuung von HIV-Infizierten und -Kranken recherchiert. Herausgekommen ist ein sehr bewegendes, wichtiges Jugendbuch für Mädchen ab 14, das die Gewalt zwar nicht verschweigt, aber auch nicht effekthascherisch in den Vordergrund stellt. Mit Chanda und ihrer Umgebung bekommen die anonymen Zahlen in den Gesundheitsstatistiken ein Gesicht und werden greifbar. Zum Glück ist es Allan Stratton gelungen, trotz aller berechtigten Verzweiflung ein hoffnungsvolles Buch zu schreiben, weil er ein mutiges Mädchen in den Mittelpunkt stellt, das sich gegen das Schweigen auflehnt und erfolgreich ein großes Tabu bricht.

Allan Stratton: Worüber keiner spricht. dtv 2005
www.dtv.de

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