Imbolo Mbue: Das geträumte Land

Vom Traum zum Alptraum

2007 scheint Jende Jonga es nach drei harten Jahren endlich geschafft zu haben. Der 33-jährige Kameruner, der mit einem Besuchervisum in die USA eingereist ist, einen Asylantrag gestellt und eine befristete Arbeitserlaubnis bekommen hat, seine Freundin Neni und seinen kleinen Sohn Liomi nachholen und endlich heiraten konnte, erhält einen Job als gut bezahlter Chauffeur der Familie des Lehman-Investmentbankers und Managers Clark Edwards. Der „American Dream“ scheint sich für die Jongas zu erfüllen. Neni, der man in Kamerun stets eingebläut hat, nichts vom Leben zu erwarten, ist mit ihrem Studentenvisum auf dem Weg zu einem Pharmaziestudium und arbeitet nebenbei illegal bei einem Pflegedienst und im luxuriösen Sommerhaus der Edwards‘ in den Hamptons. Spätestens bei Liomi, da sind Neni und Jonga sich einig, soll sich der Aufstieg verwirklichen.

Doch wie ein Damoklesschwert hängt das schwebende Asylverfahren über ihnen und der Antrag wird schließlich abgelehnt. Als Jende nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers und aufgrund seiner unglücklichen, unverschuldeten Verwicklung in das Ehedrama der Edwards‘ auch noch seinen geliebten Job verliert, ist er den willkürlichen Gerichtsterminen, den 14-Stunden-Tagen als Tellerwäscher, den Geldsorgen und der Ungewissheit nicht mehr gewachsen. Anders als für Neni, die für ihren „American Dream“ zu nahezu jedem Opfer bereit wäre, will Jende sich nicht weiter quälen: „Mein Körper ist hier, aber mein Herz ist nach Hause zurückgereist“. Auch Barack Obamas bejubelte Wahl im November 2008 kann daran nichts mehr ändern.

Imbolo Mbue, geboren 1982 in Kamerun, vor zehn Jahren zum Studium in die USA gekommen und inzwischen US-amerikanische Staatsbürgerin, hat in ihrem Debütroman ein Einwandererschicksal beschrieben, wie es sie leider zuhauf gibt. Diskreditiert als Wirtschaftsflüchtlinge spüren die Jongas, die doch nichts als die Chance zum Aufstieg suchen, den ihr Heimatland ihnen verweigert, die ganze Härte einer Nation, die die Chauffeure, Pflegerinnen und Dienstboten einerseits braucht, die Einwanderung andererseits aber zum Lotteriespiel macht.

Den Kontrast zur Familie Edwards, die zwar am anderen Ende der Gesellschaftspyramide steht, deren Problem jedoch nur andersartig, aber keinesfalls geringer sind, hat Imbolo Mbue sehr gut herausgearbeitet, ohne Schwarz-Weiß-Klischees zu bemühen. Die Gespräche zwischen Jonga und Clark Edwards auf ihren gemeinsamen Fahrten gehören deshalb für mich zu den Höhepunkten des Romans. Dass Edwards zunehmend von Zweifeln geplagt wird, sein Sohn gar das Jurastudium hinwirft, um in Indien zu meditieren, macht sie sympathisch, doch dass Edwards nach der Entlassung und der familiären Tragödie als Lobbyist für kleine Genossenschaftsbanken anheuert, war mir dann doch ein bisschen zu dick aufgetragen.

Das geträumte Land ist ein sehr empfehlenswerter Roman zum hochaktuellen Thema Wirtschaftsmigration, geschrieben mit viel Sachkenntnis und einer wohltuenden Empathie für alle Figuren, nicht anklagend sondern aufrüttelnd, ebenso unterhaltsam wie leicht zu lesen und mit einem bestechend schönen Cover.

Imbolo Mbue: Das geträumte Land. Kiepenheuer & Witsch 2017
www.kiwi-verlag.de

2 Kommentare

    1. Hier ist die Übersetzerin Maria Hummitzsch.
      Ich habe mich dagegen entschieden, die Übersetzer anzugeben, weil die Titelaufnahmen sonst so lang werden. Ich verlinke für genauere Informationen dafür auf die Homepage des Verlags.

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