Zu Tode gequält
In seiner tragischen Novelle Die Sanfte aus dem Jahr 1876 erzählt Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821 – 1881) vom Leben und Tod eines 16-jährigen Mädchens, das sich durch einen Sturz aus dem Fenster das Leben nimmt.
Früh verwaist und mittellos, heiratet „die Sanfte“ im Alter von nur 16 Jahren einen 41-jährigen Pfandleiher, aus dessen Mund wir die Geschichte erfahren. Er wurde durch eine „tyrannische Ungerechtigkeit“ unehrenhaft aus der Armee entlassen, ist davon traumatisiert und möchte sich nun an der Gesellschaft rächen, indem er so viel Geld mit seinem Metier verdient, dass er sich ein Landgut auf der Krim kaufen kann. Als „die Sanfte“ mehrfach in sein Geschäft kommt, um einige kleinere Erbstücke ihrer Eltern zu versetzen, macht er ihr einen Heiratsantrag in der Hoffnung, in ihr den Freund zu finden, denn er sich so dringend wünscht. Anstatt ihr seine Liebe zu zeigen, meint er, sie vorbereiten, besiegen und streng erziehen zu müssen, und so wird die Ehe zum Schauplatz subtiler Machtspiele, die kein gutes Ende finden können. Als die Tragödie geschehen ist, bekennt er: „Ich habe sie zu Tode gequält, das ist es.“
Die strikt eindimensionale Erzählweise verhindert, dass man auch die Sicht des Mädchens erfährt, einerseits ein interessanter Schachzug, andererseits wäre es natürlich höchst spannend, ihre Version der Geschichte zu erfahren.
Ralph Misske liest den Klassiker in 144 Minuten und auf zwei CDs sehr emotional und engagiert, mal laut, mal leise, mal langsam und dann wieder fast über den Text hinweghuschend, und verschmilzt scheinbar vollkommen mit der Figur des unglücklichen Ich-Erzählers.
Fjodor M. Dostojewski: Die Sanfte. argon hörbuch 2006
www.argon-verlag.de