Iris Wolff und Denis Scheck zu Gast im Literaturhaus Stuttgart

© B. Busch

Am 23.09.2020 war Iris Wolff zu Gast im Literaturhaus Stuttgart zum Gespräch mit Denis Scheck. Der Abend wurde gewohnt souverän und knapp eingeleitet von der Leiterin des Hauses, Frau Dr. Stefanie Stegmann. Für mich war es die erste Lesung nach der Wiedereröffnung, selbstverständlich mit sorgsam umgesetzten Hygienemaßnahmen und reduzierter Zuhörerzahl, dafür aber mit Livestream-Übertragung. Schade nur, dass durch die weit geöffneten Fenster zwar angenehme Abendluft, aber auch Hubschrauber-, Rettungswagen- und Straßenlärm hereinwehte.

Denis Scheck war wie immer zugleich glänzend vorbereitet und doch spontan. Mehrfach leitete er Gesprächsabschnitte mit eigenen Anekdoten ein und überraschte Iris Wolff mit teils originellen Fragen, auf die sie jedoch nach kurzer Bedenkzeit immer eine passende Antwort fand.

Mit ihrem vierten Roman, Die Unschärfe der Welt, wechselte Iris Wolff nicht nur zum Stuttgarter Klett-Cotta Verlag, sondern kam auch zurecht auf mehrere Nominierungslisten. Erfrischend ehrlich gestand sie ihre spontane Enttäuschung darüber, beim Deutschen Buchpreis 2020 „nur“ den Sprung auf die Longlist geschafft zu haben. Ich bedauere diese Entscheidung der Jury ebenfalls, denn der Platz auf der Shortlist wäre sicherlich verdient gewesen.

„Warum schreiben Sie immer über Rumänien?“, wollte Denis Scheck von der 1977 in Hermannstadt/Sibiu geborenen Iris Wolff wissen. Sie begründete dies mit ihrer Sehnsucht nach dem verlorenen Ort ihrer Kindheit und der Möglichkeit, schreibend diese Welt zu betreten, schloss aber zugleich andere Themen für die Zukunft nicht aus. Wer wie sie „ins Blaue hineinschreibt“ und wem plötzlich ein Drache in einen Nicht-Fantasy-Roman hüpft, dem könne schließlich fast alles passieren. Unter allgemeinem Gelächter wies Denis Scheck allerdings die Unterscheidung zwischen Literatur und Fantasy brüsk zurück, zumal durch die Autorin eines Verlags, der mit Tolkien aktuelle Produkte quersubventioniert.

Ein Schwerpunkt des Gesprächs lag auf dem Konstruktionsprinzip des Romans, das nicht nur Denis Scheck, sondern auch mich fasziniert hat. Die Hauptfigur, Samuel, wird darin aus der Sicht von sieben anderen Personen geschildert. Diese multiperspektivische Erzählweise setzt Iris Wolff bewusst immer kürzeren Texten bis hin zum Twitter-Format entgegen, die vorgeben, eine zunehmend komplexere Welt erklären zu können. Ihr Fokus liege dabei grundsätzlich auf den Figuren, während die Zeitgeschichte den Hintergrund bilde, sagte Iris Wolff.

© B. Busch

Drei angenehm ruhig vorgetragene Lesungen rundeten den sehr anregenden und gelungenen Abend mit einer äußerst sympathischen Iris Wolff ab, von der ich gerne mehr lesen möchte.

 

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert