Laurent de Brunhoff: Mit Babar im Museum

Mit den Elefantenkindern ins Museum

Die Bücher von Jean de Brunhoff und seinem Sohn sind klassische Kinderbücher mit einer Tradition von über 70 Jahren. In jedem Bilderbuch gehen die großen und kleinen Leser mit dem Elefantenkönig Babar und seiner Familie auf eine Entdeckungsreise, in diesem Band auf Entdeckungsreise in das neue große Kunstmuseum im ehemaligen Bahnhof.

Für Kinder ist das ein witziger Spaziergang durch die berühmten Gemälde von der „Geburt der Venus“ bis zu von Gogh, und zwar auf elefantisch. Für Erwachsene liegt der Reiz in der Frage, ob man die allesamt mit Elefanten bevölkerten Motive wiedererkennt – ein Verzeichnis am Ende hilft dabei. Aber die Elefantenmutter verbittet sich die belehrenden Kommentare des Museumsführers und lässt lieber ihre Kinder erzählen, was sie über die Blder denken.

Ein sehr vergnügliches Bilderbuch, witzig und originell, für alle ab fünf Jahren.

Laurent de Brunhoff: Mit Babar im Museum. Knesebeck 2004
www.knesebeck-verlag.de

Karin Bruder: Zusammen allein

 In den Fängen der rumänischen Diktatur

Für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2011 nominiert, ist dieser bewegende Roman längst nicht nur für Teenager ab 14 Jahren lesenswert.

Im Sommer 1986 kehrt Agnes‘ Vater nicht von einer Deutschlandreise nach Rumänien zurück, ein Jahr später setzt sich auch ihre Mutter ab. Agnes ist 16 Jahre alt, elternlos und möchte nicht bei ihrer Tante leben, wo sich nur geduldet fühlt. So such sie die ihr unbekannte Großmutter und erlebt bei ihr, deren Lebensgefährten und dessen Sohn, in den sie sich bald unsterblich verliebt, die letzten Jahre der rumänischen Diktatur in ihrer ganzen Härte.

Karin Bruder: Zusammen allein. dtv 2010
www.dtv.de

Roy Jacobsen: In jenen hellen Nächten

„Aber nicht sie waren es, die hier bestimmten“

Roy Jacobsens Roman von 2013, der zwischen 1913 und 1928 auf der kleinen Insel Barrøy vor der nordnorwegischen Helgelandküste spielt, basiert auf einer wahren Geschichte. Doch steht nicht so sehr die Handlung im Mittelpunkt, vielmehr sind die raue Natur, die karge Landschaft und die unwirtlichen Lebensbedingungen das Hauptthema.

Bewohner von Barrøy sind zu Beginn des Romans Hans Barrøy und seine Frau Maria, ihre kleine Tochter Ingrid, Hans’ geistig behinderte Schwester Barbro und sein alter Vater Martin. In kurzen Kapiteln, die einzelne Schlaglichter auf ihr Leben werfen, erleben wir hautnah mit, wie sie dem menschenfeindlichen Klima mit seinen Stürmen, dem Eis, manchmal auch der Hitze und Trockenheit, trotzen. Sie leben von dem, was die karge Landschaft ihnen bewilligt, Fisch, Torf, Eiderdaunen, Möweneier, Milch und Kartoffeln. Alles andere, was sie zum Leben brauchen, tauschen sie bei ihren seltenen Ausflügen zum Handelskontor auf dem Festland ein. Die Jahreszeiten bestimmen den Rhythmus des Lebens, jedem Monat sind bestimmte Aufgaben zugeteilt, und die ersten Wochen jedes neuen Jahres verbringt Hans beim Fischfang auf den Lofoten, einer ebenso mühsamen wie gefährlichen Unternehmung. Zusammenhalt ist das Zauberwort, das ein Überleben in dieser menschenfeindlichen Umgebung möglich macht. Kindheit gibt es nicht, Ingrid und später ihr Cousin Lars nehmen von Anfang an am Leben der Erwachsenen und an allen Arbeiten teil.

Wie die Generationen vor ihnen möchte auch Hans die Insel voranbringen, und so arbeitet er laufend an Verbesserungen. Die größte Veränderung bringt ein neuer Kai, der schließlich den Anschluss Barrøys an die Milchroute zur Folge hat, ein Meilenstein in der Anbindung an die Außenwelt.

Roy Jacobsen hat einen ebenso poetischen wie sprachgewaltigen, melodiösen Roman über die übermächtige Natur geschrieben. Die Menschen haben hier eine nachrangige Bedeutung, wie der Originaltitel De Usynlige oder „Die Unsichtbaren“, unter dem das Buch 2014 im Osburg Verlag erschien, es bereits zum Ausdruck bringt. Der tägliche harte, verbissene Kampf ums Überleben hat die in sich gekehrten, wortkargen Inselbewohner zu ungemein starken Persönlichkeiten werden lassen, die unbeirrbar an ihrer Heimat festhalten und mit einer bewundernswürdigen Beharrlichkeit Verbesserungen für sich und ihre Nachkommen erzwingen, auch wenn ihnen jede Veränderung schweres Kopfzerbrechen bereitet.

Ich empfehle diesen Roman allen, die offen für ungewöhnliche Geschichten und einzigartige Naturschilderungen sind. Und allen, die Ulla-Lena Lundbergs Eis genauso lieben wie ich.

Roy Jacobsen: In jenen hellen Nächten. Insel 2015
www.suhrkamp.de

Kristín Marja Baldursdóttir: Möwengelächter

Ein isländisches Dorf wird aufgemischt

Kristín Marja Baldursdóttir, isländische Journalistin und Autorin, entführt uns in ihrem ersten Roman von 1995 in ein ärmliches isländisches Fischerdorf um 1950.

Nach sieben Jahren in Amerika kehrt die junge Freyja als Witwe heim. Die Koffer voller Kleider und Kosmetika, ihre eisblauen Augen, ihre atemberaubende Figur und ihr märchenhaftes Haar bringen nicht nur ihre Familie, vor allem die pubertierende Agga, sondern den ganzen Ort und vor allem die Männer aus dem Gleichgewicht…

Ein stimmungsvoller, atmosphärischer Islandroman mit Krimielementen und Humor, der auch verfilmt wurde.

Kristín Marja Baldursdóttir: Möwengelächter. Fischer 2011
www.fischerverlage.de

Kristín Marja Baldursdóttir: Die Eismalerin

Isländische Familiengeschichte

Um 1900 verlässt die Witwe Steinunn Ólafsdóttir ihr Fischerdorf, um ihre sechs Kinder im Norden Islands zur Schule zu schicken. Gemeinsame harte Arbeit in der Fischfabrik ermöglicht allen eine Berufsausbildung. Karitas, das kunstbegabte Nesthäkchen, kann dank einer Gännerin die Kunstakademie in Kopenhagen besuchen. Kaum heimgekehrt, lernt sie den ehrgeizigen Sigmar kennen und wird schwanger. Die Karriere als Malerin rückt in weite Ferne, doch aufgeben will sie ihren Traum nicht.

Ein spannender Familienroman vor dem Hintergrund einer faszinierenden Landschaft voller unberechenbarer Naturgewalten.

Kristín Marja Baldursdóttir: Die Eismalerin. Fischer 2009
www.fischerverlage.de

Kirsten Boie: Der Junge, der Gedanken lesen konnte

Der Tod, auch ein Thema für Kinder!

Der zehnjährige Valentin aus Kasachstan ist neu in einer Hochhaussiedlung. Bei einer Entdeckungstour trifft er auf dem Friedhof lauter skurrile Leute,

Außenseiter wie er. Und bald steht der Hobbydetektiv und Leser von Detektivgeschichten vor kniffligen Fragen: Wer hat den Friedhofsgärtner niedergeschlagen, wer die verwirrte Obdachlose beklaut und wer ist der Juwelendieb? Ein bisschen Gedanken lesen und seine neuer Freund Mesut helfen ihm weiter.

In Kirsten Boies spannendem Kinderkrimi, poetisch, lustig und schräg, ist der Tod allgegenwärtig, ohne dass es düster und bedrohlich wird. Für Große und Kleine ab zehn Jahren absolut empfehlenswert.

Kirsten Boie: Der Junge, der Gedanken lesen konnte. Oetinger 2012
www.oetinger.de

Shan Sa: Kaiserin

 Fiktive Autobiografie aus dem China des siebten Jahrhunderts

Wu Zetian (624 – 705), „Licht“, war Chinas einzige Kaiserin.

In einer fiktiven Autobiografie, die gekonnt und spannend Fakten mit Fantasie mischt, lässt die in Frankreich lebende Chinesin Shan Sa sie über ihr Leben und die gnadenlose Hofgesellschaft berichten.

Als Zwölfjährige vom Kaiser in die Verbotene Stadt befohlen, gerät sie in einen Strudel aus Entwürdigung und Intrigen. Entgegen der Tradition wird sie die Frau des Thronfolgers, räumt brutal und skrupellos Gegner aus dem Weg, übernimmt nach und nach die Regierungsgeschäfte und lässt sich nach dem Tod ihres Mannes zur Kaiserin proklamieren. Sie regierte insgesamt fast ein halbes Jahr.

Der Roman liest sich sehr flüssig, die Sätze sind gleichmäßig fließend wie die chinesische Sprache. Man erfährt viel über das chinesische Kaiserreich des siebten Jahrhunderts, die Riten, die Religionen, die Architektur, die Kleidung, die Sitten und Gebräuche und vor allem über die Machtspiele und Grausamkeiten.

Shan Sa: Kaiserin. Piper 2017

www.piper.de

Hildegard Möller: Die Frauen der Familie Mann

Biografien der Frauen der Familie Mann

Alle waren sie außergewöhnliche Frauen mit mit überdurchschnittlichen Begabungen: Thomas Manns Frau Katia, deren Mutter Hedwig Pringsheim und die Großmutter Hedwig Dohm sowie die Töchter Erika, Monika und Elisabeth.

Warum schließlich nur Elisabeth beruflich und familiär beruflich und familiär einen eigenständigen, vom übermächtigen Vater losgelösten Lebensweg ging, hat Hildegard Möller hier auf der Grundlage von Briefen, Tagebüchern und literarischen Zeugnissen gründlich recherchiert und sehr anschaulich und unterhaltsam erzählt.

Hildegard Möller: Die Frauen der Familie Mann. Piper 2010
www.piper.de

Ernesto Mallo: Der Tote von der Plaza Once

Weit mehr als ein spannender Krimi

Comisario Lascano, „El Perro“, setzt sich während der argentinischen Militärdiktatur couragiert für Gerechtigkeit ein. Als die Leiche eines verhassten jüdischen Geldverleihers gefunden wird, abgelegt zwischen zwei durch ein Erschießungskommando Hingerichtete, führt er trotz aller Warnungen hartnäckig seine Ermittlungen durch.

Ernesto Mallos erster Roman ist weit mehr als ein spannender Krimi. Er zeigt eindrucksvoll die düstere Stimmung in Argentinien Ende der 1970er-Jahre und die von Willkür und Brutalität geprägten gesellschaftlichen Verhältnisse. Dafür, und nicht für die eigentliche Krimihandlung, vergebe ich in erster Linie die 5 Sterne.

Ernesto Mallo: Der Tote von der Plaza Once. Aufbau 2010
www.aufbau-verlag.de

Loriot: Loriots Festival

Unvergänglicher Humor

Auf zwei CDs sind hier Loriots Dramatische Werke, die Heile Welt, die Liebesbriefe und einiges mehr enthalten. Gerade weil die Bilder fehlen, wird der Sprachwitz, der die Loriotsche Komik so auszeichnet, besonders deutlich.

Der kritische Blick auf unser Alltagsleben, auf die Absurditäten, Verklemmtheiten und Missverständnisse in Ehe und Familie, Berufsleben, Medien und Kultur begeistern mich bei jedem Hören aufs Neue. Und dann entstehen bei mir doch unwillkürlich die Bilder von den Knollenmännchen und dem Paar auf dem Sofa…

Loriot: Loriots Festival. Deutsche Grammophon Literatur 1998
www.dg-literatur.de