Annette Langen & Timo Grubing: Im Bann des Tornados

Ein aufregender Sommer in Oklahoma

Die Buchreihe Ich schenk dir eine Geschichte, deren Bände seit 1997 alljährlich zum Welttag des Buches am 23. April an inzwischen Millionen von Kindern verschenkt wurden, verbunden meist mit einem Besuch in der örtlichen Buchhandlung und unterstützt u. a. vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels und der Stiftung Lesen, hat in den letzten Jahren eine deutliche Verbesserung erfahren. Die inzwischen durchgehenden Geschichten sind deutlich interessanter als früher und in diesem Jahr wurde der Text zusätzlich auf 32 Seiten als Graphic Novel umgesetzt, um auch Comicfans und sprachschwächere (Migranten-)Kinder zu erreichen. Daneben lädt ein literarisches Quiz zum miträtseln ein.

Die Ich-Erzählung des elfjährigen Noah aus Deutschland, der zu seinem Entsetzen die gesamten Sommerferien mit seinen Eltern in einem geerbten Ferienhaus an einem abgelegenen See in Oklahoma verbringen soll, wird spannend und kindgerecht erzählt. Ist Noah zu Beginn noch geschockt von der strom- und internetlosen Hütte, findet er doch immer mehr Gefallen an der Natur, freundet sich mit der treckerfahrenden Emma an und ist glücklich über den Findelhund Lucky . Nach den dramatischen Erlebnissen während eines plötzlichen Tornados, bei dem er sich als besonnener, unerschrockener Junge erweist, fühlt er sich am Eufaula-See sogar so heimisch, dass er seine Eltern zum dauerhaften Bleiben überredet.

Die Geschichte ist für Drittklässler geschrieben und soll möglichst viele Kinder dieses Alters ansprechen, Jungen wie Mädchen, leseschwache wie lesestarke Kinder. Das ist einerseits löblich, andererseits hat mich der extrem einfache Satzbau, der deshalb sicher bewusst gewählt wurde, doch sehr gestört. Zum Vorlesen würde ich das Buch daher nicht auswählen, es sei denn für Kinder, die tatsächlich große Probleme mit der deutschen Sprache haben. Die Sätze sind äußerst kurz und bestehen meist nur aus einem Hauptsatz, das Vokabular ist wenig abwechslungsreich. Deshalb ziehe ich einen Stern ab, auch wenn mir der Grund für diesen Stil einleuchtet.

Annette Langen & Timo Grubing: Im Bann des Tornados. cbj 2016
www.randomhouse.de

Remy Eyssen: Schwarzer Lavendel

Mörderische Provence

Es ist die schlimmste Mordserie im südfranzösischen Département Var in der Région Provence-Alpes-Côte d’Azur: Ein unbekannter Täter entführt junge Frauen und mumifiziert sie fachmännisch. Wer kann so krank sein?

Dabei fängt alles mit einem Vermisstenfall an, wie es sie zuhauf gibt. Während der Weinlese wird eine junge Deutsche von ihrer Zwillingsschwester als vermisst gemeldet. Capitaine Isabelle Morell, stellvertretende Polizeichefin von Le Lavandou, die sich wie die gesamte Gendarmerie nationale bereits im Nachsaison-Modus befindet, vertröstet die junge Frau damit, dass die meisten Vermissten nach kurzer Zeit putzmunter wieder auftauchen. Doch dann wird die mumifizierte Leiche einer seit vier Jahren vermissten jungen Frau gefunden, ausgerechnet als der Médecin légiste, der Gerichtsmediziner am Krankenhaus Saint-Sulpice und Untermieter von Isabelle Morell, der Deutsche Dr. Leon Ritter, sein neues Haus in den Weinbergen in Augenschein nimmt. Ritter ist von diesem Fall sofort gleichermaßen beruflich fasziniert und menschlich abgestoßen und engagiert sich mehr, als es dem Chef der Polizeistation lieb ist. Auf diese Weise findet er eine dritte Frauenleiche, die schon jahrelang im Keller der Universität von Aix-en-Provence aufbewahrt wird. Verdächtige sind schnell ermittelt, aber wer ist tatsächlich der gesuchte Serienmörder?

Obwohl dies nach Tödlicher Lavendel schon der zweite Fall der Reihe um Ritter und Morell ist, fiel mir der Einstieg ohne Vorkenntnisse nicht schwer. Auf 460 Seiten bleibt zum Glück genug Zeit für Rückblenden und ein bisschen Privatleben und die Handlung um Isabelles pubertierende Tochter, die Trauer von Leon um seine vor fünf Jahren bei einem Flugzeugunglück in Thailand ums Leben gekommene Frau, die Geschichte um das alte Haus im Weinberg, das er von seiner Tante überschrieben bekommt, die Boulespieler auf dem Dorfplatz und die Annäherung der beiden Protagonisten ist neben der spannenden Ermittlungsarbeit sehr unterhaltsam zu lesen. Darüberhinaus kommt mit dem nicht in übertriebenem Maße eingebundenen Lokalkolorit trotz der schlimmen Ereignisse so etwas wie Urlaubsstimmung auf.

Französische Regionalkrimis deutscher Autoren gibt es inzwischen in großer Zahl und viele muss man nicht gelesen haben. Bei diesem Provence-Krimi ist es anders, obwohl ich wegen der wirklich sehr einfachen Sprache, die gut den ein oder anderen Nebensatz vertragen würde, zuerst einen Stern abziehen wollte. Nachdem mich der Krimi aber überdurchschnittlich gut unterhalten hat und das Ende gleichermaßen überraschend wie überzeugend war, muss ich einfach trotzdem fünf Sterne vergeben. Und mit einem Glas südfranzösischen Rosé, Oliven, Schafskäse und Chansons von Bécaud, Brel, Trenet oder Montand ist das Ambiente für diesen Krimi perfekt.

Remy Eyssen: Schwarzer Lavendel. Ullstein 2016
www.ullsteinbuchverlage.de

Jamie Ford: Die chinesische Sängerin

Mutter und Sohn

Vor einigen Jahren war Keiko, der Debütroman von Jamie Ford, ein absolutes Highlight für mich. Lange musste ich auf seinen zweites Buch warten, das mich aber auch beim zweiten Lesen nicht so überzeugen konnte wie sein erster Roman.

In Die chinesische Sängerin entführt Jamie Ford seine Leser in das Seattle der 1920er- und 30er-Jahre. William Eng, 12-jähriger Amerikaner chinesischer Abstammung, lebt dort 1934 im Waisenhaus Sacred Hearts bei katholischen Nonnen. Seinen Vater kennt er nicht, seine Mutter, an die er nur gute Erinnerungen hat, soll tot sein.

Die Nonnen sind hart zu den ihnen anvertrauten Kindern. Nur einmal pro Jahr erzählen sie ihnen Bruchstücke ihrer Familiengeschichte. Alle Kinder im Heim haben schlimme Schicksale durchlitten, viele sind keine Waisen und warten stündlich auf ihre Abholung durch die Eltern. Williams Halt sind seine beiden Freunde, die blinde Charlotte und der Indianerjunge Sunny.

Einmal im Jahr wird der gemeinsame Geburtstag der Kinder mit einem Ausflug ins Kino gefeiert. Bei seinem fünften Kinobesuch erkennt William auf der Kinoleinwand plötzlich seine Mutter: Sie ist der Revuestar Willow Frost und wird demnächst in Seattle gastieren. Mit seiner Freundin Charlotte zusammen reißt William aus, um sie wiederzusehen. Doch das Treffen wird ganz anders als erwartet und schließlich erzählt sie ihm ihre Lebensgeschichte der Jahre 1921 bis 1929, eine von Armut, Rassendiskrimierung, Unterdrückung, Arbeitslosigkeit und Rezession geprägte Epoche, zugleich aber die Zeit, in der das Filmwesen seinen großen Aufstieg nahm…

Der Roman ist leicht und flüssig zu lesen, die beiden Zeitebenen 1934 und 1921 bis 1929 sind durch die Kapitelüberschriften gut zu trennen. Das emotional geschilderte Schicksal von William und seiner Mutter hat mich bewegt, war mir aber teilweise auch zu amerikanisch-melodramatisch.

Jamie Ford: Die chinesische Sängerin. Berlin Verlag 2015
www.piper.de/berlin-verlag

Inge Meyer-Dietrich: Meral und Jana

Keine Vorurteile, bitte!

Selbstverständlich erfüllt die Erstleser-Reihe Leserabe aus dem Ravensburger Buchverlag alle Anforderungen an diese speziellen Leseanfänger-Bücher: Die Schrift ist eine große Fibelschrift, die Zeilen sind deutlich kürzer als der Satzspiegel breit ist, der Flattersatz erleichtert das Lesen, die Absätze und Kapitel sind kurz und durch zahlreiche Illustrationen unterbrochen. Darüber hinaus gibt es nach jedem der fünf Kapitel eine Frage und am Ende des Buches kreative Leserätsel. Und wer möchte, kann mit diesem Buch sogar bei www.antolin.de Punkte sammeln.

Neben diesen perfekt erfüllten formalen Kriterien hat Meral und Jana von Inge Meyer-Dietrich, farbenfroh und kindgerecht illustriert von Olivia Vieweg, mich auch inhaltlich überzeugt. Die durchgehende Geschichte bietet für die geringe Textmenge viel Inhalt und spricht  Kinder altersgerecht auf die Themen Freundschaft, Migration und Vorurteile an, ohne sie damit zu überfordern.

Meral, die mit ihren Eltern einst vor einem Krieg nach Deutschland geflohen ist, und Jana sind beste Freundinnen seit dem Kindergarten. Doch beim gemeinsamen Fußballspiel in einer gemischten Mannschaft hört Meral, wie Olli plötzlich schlecht über die Roma im Flüchtlingsheim redet, die angeblich alle klauen. Was bisher keiner wusste: Auch Meral ist eine Roma und durch Ollis Anschuldigungen schwer getroffen. Doch dank eines klugen Fußballtrainers und Janas einfühlsamer Mutter wendet sich schließlich doch noch alles zum Guten…

Ein rundum gelungenes Buch für Leseanfänger ab der zweiten Lesestufe!

Inge Meyer-Dietrich: Meral und Jana. Ravensburger Buchverlag 2016
www.ravensburger.de

Joner Storesang: Seelenschwarz

Einmal Polizist – immer Polizist

Das geheimnisvolle Cover in schwarz-weiß, die angenehm grob geprägte Oberfläche des Einbands und der außergewöhnliche Prolog aus der Sicht eines Projektils vermitteln die ersten positiven Eindrücke bei diesem nicht alltäglichen Debütkrimi mit Thrillerqualitäten.

Eigentlich wollte sich Thomas Bulpanek, Ex-Fallanalytiker in Saarbrücken und inzwischen Anti-Gewalt-Trainer, nie wieder in eine Mordermittlung hineinziehen lassen, hatte es seiner Frau sogar fest versprochen. Keine zehn Jahre ist es her, dass er bei Nachermittlungen im Fall einer ermordeten Journalistin, die über eine Entführungsserie sechs- bis neunjähriger Jungen recherchiert hatte, auf seiner Meinung nach skandalöse Versäumnisse der Polizei gestoßen und dafür mit Disziplinarverfahren überzogen worden war. So traumatisch war seine anschließende Kündigung gewesen, dass er noch immer starke Medikamente einnehmen muss, um die aus medizinischer Sicht unerklärlichen Kopfschmerzattacken zu bekämpfen.

Doch kaum aus Stuttgart zu einem Anti-Gewalt-Kurs an einer Schule in Saarbrücken eingetroffen, „stolpert“ er förmlich in die Ermittlungen zu einem Serienmörder, der drei Frauen auf dem Gewissen hat. Sein alter Mentor Martens bittet ihn um seine Mithilfe, denn die Polizei tappt sowohl beim Motiv als auch beim Täter völlig im Dunkeln. Auch sein alter Freund, der Kommunalpolitiker Johannes Wolfarth, bittet ihn um Hilfe, denn seine rechte Hand, die junge Mirjam Reichert, wird von einem Stalker bedroht. Bulpanek, der ein schlechter Neinsager ist und in dem die Ermittlerinstinkte wieder zu erwachen scheinen, nimmt an, obwohl er aufgrund seiner zu Hause vergessenen Medikamente nicht in körperlich bester Verfassung ist. Und dann läuft ihm auch noch die jugendliche Ausreißerin Sassa über den Weg, die er trotz besseren Wissens mit zu sich nimmt…

Über die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Fällen, die Verbindungen in die Vergangenheit und mögliche Täter bzw. Motive tappt nicht nur Thomas Bulpanek sondern auch der Leser sehr lange im Dunkeln. Die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen immer mehr, je weiter der Krimi fortschreitet, und der Spannungsbogen bleibt während der gesamten 444 Seiten durchgängig sehr hoch.

Etwas genervt hat mich die Geschichte um die altkluge Sassa, die ich als überflüssig und wenig glaubwürdig empfunden habe. Auch der sehr lange thrillermäßige Showdown mit einem fast zum Superman auflaufenden Thomas Bulpanek im Schlaf- und Medikamentenentzug hätte die ein oder andere Kürzung gut vertragen.

Trotz dieser Einschränkungen kann ich den sowohl sprachlich als auch in der Aufbereitung des Themas und der Ausarbeitung der Charaktere überdurchschnittlichen Krimi empfehlen. Und wer Band eins gelesen hat, wird wegen des Cliffhangers am Ende garantiert auch beim nächsten Band wieder dabei sein wollen, so wie ich auch.

Joner Storesang: Seelenschwarz. Rowohlt 2015
www.rowohlt.de

Dörthe Binkert: Weit übers Meer

Äußere und innere Stürme

Als der Ozeandampfer Kroonland mit 1500 Passagieren an Bord am 23. Juli 1904 Antwerpen verspätet verließ, ging als Letzte eine junge Dame im weißen Abendkleid und mit Diamantohringen an Bord, die sich bald als blinde Passagierin zu erkennen gab.

Die Gerüchteküche kochte hoch: eine Juwelendiebin? eine Kurtisane? oder eine vornehme Damen, die vor ihrem bisherigen Leben davonlaufen wollte? Mit dem Nachdenken über die Fremde kamen die anderen Passagiere ins Grübeln über ihr eigenes Leben, ihre Zufriedenheit oder Unzufriedenheit, ihre Freiheit oder Unfreiheit. Waren sie bereit, ihr bisheriges Leben radikal zu ändern? Nicht nur draußen tobt ein Sturm, auch in ihrem Inneren braut sich einiges zusammen…

In ihrem Debütroman Weit übers Meer greift Dörthe Binkert eine wahre Begebenheit auf. Sie verwebt das Schicksal der geheimnisvollen Frau während der neun Tage dauernden Überfahrt nach Amerika mit den Schicksalen verschiedener Passagiere, was an sich ein sehr interessanter Ansatz ist. Es gelingt ihr gut, ein Sittengemälde der Zeit zu zeichnen, allerdings war mir das Buch an vielen Stellen zu melodramatisch.

Dörthe Binkert: Weit übers Meer. dtv 2012
www.dtv.de

Pebby Art: Klausmüller – Ein Esel sucht ein Pferd

Mit dem sprechenden Stoffesel auf Verbrecherjagd

Stinksauer ist die elfjährige Klara, als ihre Eltern den erträumten Sommer-Sonnen-Strandurlaub auf Mallorca zugunsten eines Tante-Agnes-Urlaubs streichen. Aber da weiß sie auch noch nicht, dass, kaum auf Tante Agnes’ Gut angekommen, ihr geliebter Stoffesel Klausmüller plötzlich lebendig wird, Tante Agnes mehrere Pferde hat, sie in Joey, dem Pferdejungen, einen netten Freund findet und die Ferien so abenteuerlich und gefährlich werden, dass von einem Langeweile-Urlaub mit Der-ganze-Urlaub-wird-bescheuert- Laune absolut keine Rede mehr sein kann… Und weil die Erwachsenen Kindern sowieso nie etwas glauben, müssen Klara, Joey und Klausmüller den Krimi um das verschwundene Pferd schließlich ganz alleine lösen – einschließlich waghalsiger Befreiungsaktion und actionreicher Verfolgungsjagd mit dem Entführer…

Das Kinderbuch um den einfallsreichen, pfiffigen und rotzfrechen sprechenden Stoffesel Klausmüller liest sich äußerst amüsant, ist spritzig, erfrischend und sehr spannend erzählt. Dank Pebby Arts Sprachwitz und Slapstick-Anleihen kommt garantiert keine Sekunde Langeweile auf. Für gute Leser ist Klausmüller – Ein Esel sucht ein Pferd ca. ab der dritten Klasse zu bewältigen, vorher eignet es sich aber schon zum Vorlesen, denn auch jüngere Kinder und die großen Vorleser werden ihren Spaß haben!

Pebby Art: Klausmüller – Ein Esel sucht ein Pferd. CreateSpace Independent Publishing Platform 2014
pebbyart.blogspot.de

Sylvia B. Lindström: Inselfeuer

Kein gewöhnlicher Krimi, sondern eine Gesellschaftsstudie im Mikrokosmos Insel

Meiner ausdrücklichen Empfehlung für Sylvia B. Lindströms Debütroman möchte ich eine Warnung voranstellen: Dies ist kein typisch skandinavischer Krimi, vielleicht sogar überhaupt kein Krimi, und der Aufkleber des Verlags „Spannung aus Schweden“ passt nicht und führt in die Irre. Wer also Spannung à la Mankell, Thursten oder Läckberg sucht, die ich alle auch sehr schätze, wird möglicherweise enttäuscht sein.

Dabei habe ich den Roman, der eine gekonnt komponierte Gesellschaftsstudie über ein öländisches Dorf und seine Bewohner ist, als ausgesprochen spannend empfunden, aber eben nicht wegen der Krimihandlung, die für mich nur der Katalysator für das Schreiben, nicht aber der Mittelpunkt des Geschehens war.

Wer Öland als Sommertourist kennt, mag sich die Düsternis und Abgeschiedenheit im Winter kaum vorstellen. Ein Fremder wird dort auch nach vielen Jahren nicht vollwertig in die Gemeinschaft aufgenommen, in der sich alle seit Generationen kennen, miteinander verwandt sind, und trotz des ausgiebigen Tratsches doch über Wesentliches schweigen.

Und so tragen die vielen Protagonisten des Romans, die man Stück für Stück kennenlernt, alte, unausgesprochene und unbewältigte  Verletzungen mit sich herum, die sich durch das Nicht-Ausweichen-Können im Mikrokosmos Insel noch verstärken. Aktuelle Geschehnisse, wie die eher im Hintergrund ablaufende Brand- und Mordserie, können deshalb nur mit Kenntnis der Lebensgeschichten verstanden und aufgeklärt werden. Alasca Rosenberg und Stellan Qvist, die beiden auf der Insel lebenden, aber auf dem Festland tätigen Rechtsanwälte, sind aus diesem Grund sowohl beruflich als auch privat betroffen.

Ich habe eine Weile zwischen vier und fünf Sternen geschwankt, weil mich das in meinen Augen verfehlte Marketing und die erhebliche Anzahl an Druckfehlern, die ich bei dem von mir sehr geschätzen  Aufbau Verlag ungewöhnlich fand, gestört haben. Aber letztlich haben der Sog der Geschichte, die besondere Atmosphäre, der fein komponierte Erzählrhythmus, die durchdachte Auflösung und die sensible Schilderung unterschiedlichster Charaktere vor einer außergewöhnlichen Kulisse den Ausschlag für die Premiumbewertung gegeben. Ich werde bei weiteren Bänden der Serie um Alasca Rosenberg und Stellan Qvist  jedenfalls gerne wieder dabei sein.

Sylvia B. Lindström: Inselfeuer. Aufbau 2016
www.aufbau-verlag.de

Jörg Hilbert: Die Pappenheimer

Bei Schnipsel und Co.

Die Pappenheimer sind Papierfiguren und tragen Namen wie „Schnipsel“, „Zettel“, „Folia“ oder „Blöckchen“. Als Neuerscheinungen kommen sie zur Welt und werden zu Klassikern.

Als es eines Tages das Fräulein Schnipsel auf eine Wiese und direkt vor die Füße des Mistkäfers Skarabäus weht, wird der in die märchenhafte Welt der Pappenheimer hineingezogen. In der Papierstadt, wohin Fräulein Schnipsel ihn mitnimmt, herrscht große Aufregung, denn der Herbst steht mit seiner Nässe vor der Tür und die Pappenheimer brauchen dringend ein neues Quartier. Und dann wird Pappenheim auch noch von zwei Kindern entdeckt…

Der Autor und Illustrator Jörg Hilbert wurde als Erfinder des Ritters Rost bekannt. Im weniger bekannten, sehr fantasievollen Mikrokosmos der Pappenheimer können seine kleinen Leserinnen und Leser ab ca. acht Jahren sich wohlfühlen, mitfiebern und die wunderschönen Illustrationen genießen.

Jörg Hilbert: Die Pappenheimer. Terzio 2008
www.carlsen.de/terzio

Diane Broeckhoven: Ein Tag mit Herrn Jules

Ein anderes Abschiednehmen

Alice und Jules waren über 50 Jahre verheiratet. Seit sie beide in Rente sind, ist das gemeinsame Frühstück ein Ritual: Jules bereitet es zu, Alice darf liegen bleiben und wird vom Kaffeeduft geweckt. Doch an einem Morgen ist alles anders: Zwar ist der Tisch liebevoll gedeckt und es duftet wie immer, aber Jules sitzt tot in seinem Sessel.

Blitzschnell wägt Alice ihre Alternativen ab: Wenn sie ihren Sohn oder das Beerdigungsinstitut anruft, wird Jules ihr genommen und eine Maschinerie läuft an. Und so beschließt sie, sich einen Tag Zeit für den Abschied zu nehmen, letzte „Gespräche“ mit ihm zu führen, letzte Rechnungen zu begleichen und in zärtlichen Erinnerungen zu schwelgen.

Das kleine Büchlein der niederländischen Autorin Diane Broeckhoven kann man in einer guten Stunden lesen und hat trotzdem das Gefühl, dass die Zeit ganz langsam verrinnt. Es ist ein stilles Buch zu einem im wahrsten Wortsinn todtraurigen Thema, das trotzdem nie bedrückend wirkt.

Diane Broeckhoven: Ein Tag mit Herrn Jules. Rowohlt 2006
www.rowohlt.de