Lian Hearn: Das Schwert in der Stille

Die Welt der Clans

Inspiriert vom feudalen Japan ist dieser Fantasy-, Abenteuer- und Liebesroman. Das Besondere: Es ist eine der wenigen Jugendreihen,  die sowohl Jungen wie Mädchen begeistern.

Ein Dorf der Sekte der Verborgenen wird vom Tohanclan ausgelöscht. Nur der 16-jährige Takeo wird von Lord Otori Shigeru gerettet und adoptiert, um später Clanführer der Otori zu werden. Doch die Verbrecher und Sione des geheimnisvollen „Stamms“ seines Vaters reklamieren ihn wegen seiner übernatürlichen Fähigkeiten für sich. Und Takeo selber verfolgt eigene Ziele: die Rache an den Tohan, seine Liebe zu Lady Shirakawa Kaede und die Befriedung des Landes.

Stimmungsvolle, unglaublich spannende, aber auch sehr grausame Bücher, weswegen ich sie frühestens ab 14, eher ab 16 empfehle.

Lian Hearn: Das Schwert in der Stille. Carlsen 2004
www.carlsen.de

Emanuel Bergmann: Der Trick

Die Faszination der Magie

Als der Rabbiner Laibl Goldenhirsch nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nach Prag zurückkehrt, ist seine Frau schwanger. Er ist bereit, dies als Wunder zu akzeptieren, wenn sie ihn ihrerseits nicht nach seinen Kriegserlebnissen fragt.

Der Sohn, Mosche Goldenhirsch, hat als 15-Jähriger ein Erlebnis,  das sein Leben schlagartig verändert: Angezogen vom  „Halbmondmann“,  einem geheimnisumwitterten Zauberer, und dessen anbetungswürdiger Assistentin, heuert er bei deren Zirkus an, lässt Prag und sein Judentum hinter sich und zieht ab 1934 mit ihnen durch viele Städte und Länder, zunächst als Hilfsarbeiter, dann als Zaubererlehrling. Unerkannt und mit falschen Papieren wird er nach dem Brand im Zirkus „der große Zabbatini“, ein gefeierter Zauberer im Berlin der Nazis. Zusammen mit seiner großen Liebe verzaubert er Abend für Abend sein Publikum, bis er doch verraten wird, den Nazischergen anheimfällt und eine nicht wiedergutzumachende Schuld auf sich lädt.

Nach einem Leben voller Aufs und Abs möchte er 2007 in einem mittelmäßigen Seniorenheim in Los Angeles, einsam und verbittert, seinem Leben ein Ende setzen. Doch da steht plötzlich der knapp elfjährige, verzweifelte Max Cohen vor ihm, der alle Hoffnungen auf den großen Zauberer Zabbatini gesetzt hat…

Die Geschichte vom großen Zauberer Zabbatini mit der bewegten Lebensgeschichte und dem vertrauenvollen kleinen Max hat mich durch ihre entwaffnend leichte, sensible und farbige Erzählweise von der ersten Seite an gefesselt. Ohne Pathos, sehr originell und oft humorvoll auch in schwierigsten Situationen schreibt Emmanuel Bergmann über seinen Helden, der in weiten Teilen eher ein Antiheld ist, so dass mir beim Lesen das Herz aufgegangen ist.Eine weitere herausragende Entdeckung aus dem Hause Diogenes!

Emanuel Bergmann: Der Trick. Diogenes 2016
www.diogenes.ch

Brad Meltzer: Die Bank

Money, money, money…

Oliver Caruso und sein Bruder Charlie sind Angestellte einer sehr exklusiven amerikanischen Privatbank, bei der die Mindesteinlage 2 Mio. Dollar beträgt und die Papierkörbe chinesische Vasen aus dem 18. Jahrhundert sind.

Im Gegensatz zu ihrer Umgebung sind die Beiden ständig klamm. Da stolpern sie durch Zufall über das Konto eines offensichtlich Verstorbenen mit 3 Mio. Dollar, die mangels Erben niemand vermissen sollte. Zusammen mit einem Sicherheitsmann, der die gleiche Idee hatte, überweisen sie das Geld auf ein Konto in Antigua. Doch am nächsten Tag liegen auf diesem Konto nicht 3 sondern 300 Mio. Dollar und in der Bank bricht die Hölle los…

Obwohl der Thriller bis zum Showdown in Disneyland spannend und temporeich ist und schon auf den ersten Seiten mit einem Paukenschlag aufwartet, konnte mich die Umsetzung des Themas  nicht so ganz überzeugen. Die Handlung war mir teilweise zu konstruiert, die Übersetzung zu schlecht und die Dialoge eine Spur zu gewollt cool. Aber für einen Regentag im Urlaub könnte der Thriller um das viele Geld trotzdem genau das Richtige sein.

Brad Meltzer: Die Bank. Aufbau 2009
www.aufbau-verlag.de

Ernest van der Kwast: Die Eismacher

Was macht man mit Teilen seiner selbst, die man verliert?

Margie Orford: Blutsbräute

 Die zwei Gesichter von Kapstadt

Im ersten Band um die promovierte Journalistin, Dokumentarfilmerin und Profilerin Clare Hart, die von der Polizei wegen ihres Instinkts und ihrer unkonventionellen Methoden geschätzt wird, geht es um die Themen Frauenhandel, Korruption, Macht, Geld, Immobilienhaie und Moral.

Als ein junges Mädchen mit einem Blumenstrauß tot an der Strandpromenade fast vor Clare Harts Haus in Kapstadt gefunden wird, zieht man die Profilerin, die gerade an einer Dokumentation zum Thema „Frauenhandel und Gewalt gegen Frauen“ arbeitet, hinzu. Aufgrund des auffälligen Arrangements tippt sie auf einen Serienkiller, was sich bald als wahr erweist…

Obwohl der Thriller streckenweise spannend war und die sympathische Protagonistin das Potential für eine Serienfigur hat, war mir die Handlung teilweise doch zu grausam und die Sprache zu einfach. Gut gefallen haben mir die Beschreibungen von Kapstadts, wo die gebürtige Britin Margie Orford heute lebt, und die sozialkritischen Passagen. Insgesamt ziehe ich jedoch die südafrikanischen Thriller von Deon Meyer eindeutig vor!

Margie Orford: Blutsbräute. Blanvalet 2008
www.randomhouse.de

Veit Heinichen: Tod auf der Warteliste

Hinter den Kulissen einer Schönheitsklinik

Nach Bestechung, Menschenschmuggel, Ritualmorden, Rechtsextremismus u. a. in den ersten beiden Bänden der Reihe, geht es im dritten Band mit dem Triester Commissario Proteo Laurenti um den Organhandel, ein Thema, das sich von Afrika und Indien immer mehr ins arme Osteuropa verlagert. Triest, eine Stadt, die früher eher eine Randlage hatte, gerät durch seine Geografie im Dreiländereck Italien/Slowenien/Kroatien in den letzten Jahren  immer mehr in die Situation einer Schnittstelle zwischen West und Ost und wird zunehmend für das internationale Verbrechen interessant.

Im aktuellen Fall kommt der deutsche Bundeskanzler zum Treffen mit Berlusconi nach Triest. Laurenti befindet sich in einem Begleitfahrzeug, als ein junger Mann mit OP-Schürze ins Fahrzeug springt und zu Tode kommt. Die Polizei vermutet einen Osteuropäer, der Mann war kräftig und gesund. Kurz danach wird der Chefarzt der sehr exklusiven Schönheitsklinik „La Salvia“ ermordet. Hängen beide Fälle zusammen, und wenn ja, wie? Ist die Geheimniskrämerei in der Klinik wirklich nur dem promienten Patientenklientel geschuldet?

Commissario Laurenti, versöhnt mit seiner Frau, im neuen Haus und mit heimlicher Geliebter, beginnt mit seinen Ermittlungen in einem sehr spannenden Kriminalfall, in dem wie immer zahlreiche Handlungsstränge ineinander verwoben sind.

Ein empfehlenswerter Krimi, in dem mir besonders das Triester Lokalkolorit, die sarkastisch-kritischen Seitenhiebe auf das politische Klima unter Berlusconi, die Darstellung der deutsch-italienischen Beziehungen und das sensible Thema Organhandel gut gefallen haben.

Veit Heinichen: Tod auf der Warteliste. dtv 2004
www.dtv.de

Martin Suter: Lila, Lila

Im Inneren des Literaturbetriebes

In Lila, Lila plaudert Martin Suter sozusagen aus dem Nähkästchen, denn es geht um den Literaturbetrieb.

David Kern, jung, sympathisch, etwas orientierungslos, jobbt als Aushilfe in einer Szenekneipe. Dort lernt er Marie, eine junge, literaturbegeisterte Frau kennen. Er verliebt sich in sie, hat aber keine Ahnung, wie er an die Angebetete herankommen soll. Da findet er durch Zufall in einem alten Nachttisch vom Trödler ein Manuskript mit einer wunderbaren Liebesgeschichte. Er zeigt es ihr, Marie schickt es an einen Verlag, David wird zum Shootingstar der deutschen Literatur und die Lawine ist nicht mehr aufzuhalten. Aber je größer der Erfolg, desto größer Davids Angst vor der Enttarnung. Sein Plan ist zwar aufgegangen und er hat Marie für sich gewonnen, aber kann eine Liebe Bestand haben, die auf einer Lüge gründet? Liebt ihn Marie wirklich, oder liebt sie nicht vielmehr das Bild, das sie von ihm hat? Und dann taucht auch noch jemand auf, der behauptet, er wäre der wahre Verfasser der Geschichte…

Wie fast immer bei Martin Suter hat mir der Roman beim Lesen großen Spaß gemacht. Seine sprachliche Präzision, der sympathische Held, mit dem gelitten habe, die beiden Liebesgeschichten, eine davon als „Buch im Buch“, die Spannung und die herrliche Satire auf den Literaturbetrieb haben mich niveauvoll unterhalten.

Martin Suter: Lila, Lila. Diogenes 2009
www.diogenes.ch

Simone Buchholz: Blaue Nacht

Offiziell kaltgestellt

Dies ist kein 08/15-Krimi, sonst wäre er nicht bei Suhrkamp erschienen und würde nicht die Krimi-Bestenliste der Zeit im Juni 2016 anführen. Außergewöhnliches Personal, ein sehr pointierter, lässiger Stil, geistreiche, oft sogar witzige Dialoge und eine durchdachte Handlung zeichnen ihn aus.

Dass es ein Band aus einer Serie ist, führt höchstens am Anfang zur Verwirrung, denn durch geschickt eingeschobene Rückblenden aus der Sicht der Protagonisten werden diese auch mit ihrem Vorleben vorgestellt und die Bausteine aus der Vergangenheit Stück für Stück nachgeliefert. Das liest zwar nicht ganz einfach, ein bisschen Konzentration ist hier schon gefragt, aber dieser Kunstgriff hat mir gut gefallen.

Im Mittelpunkt steht die Staatsanwältin Chastity Riley, die wegen erfolgreicher interner Korruptionsermittlungen und anderer Unangepasstheiten aus ihrer bis dahin geradlinigen Lebensbahn geworfen und zur Opferanwältin degradiert und in Sachen Ermittlungen offiziell kaltgestellt wurde. Nun betreut sie einen schwer malträtierten Unbekannten im Krankenhaus, den sie sowohl zum Reden bringen als auch beschützen soll. Je mehr Riley, nicht zuletzt dank Bier und Zigaretten, aus ihm herausbringt, desto klarer wird, dass er Verbindungen zu einer berüchtigten albanischen Kiezgröße hat, dem Lieblingsfeind ihres Ex-Kollegen Faller, und dass er über Drogengeschäfte der übelsten Art im Bilde ist. Klar, dass Riley voll in die Ermittlungen mit einsteigt…

Trotz aller positiven Aspekte des Buches und des fraglos interessanten Falles bin ich weder mit der Ich-Erzählerin Riley und ihrer „Familie“, den Kollegen und Freunden, noch mit deren exzessiven Rauch- und Trinkgewohnheiten warm geworden. Letzere haben mich sogar regelrecht genervt. Wer sich aber daran nicht stört und die Kiezatmosphäre mehr schätzt als ich, für den könnte Blaue Nacht genau die richtige Krimiempfehlung sein.

Simone Buchholz: Blaue Nacht. Suhrkamp 2016
www.suhrkamp.de

Arne Dahl: Tiefer Schmerz

Spuren in die Vergangenheit

Im vierten Band von Arne Dahls Reihe um das Stockholmer A-Team der Reichskriminalpolizei geht es um Frauenhandel in der Ukraine, NS-Forscher und die Verwicklung schwedischer Wissenschaftler und die organisierte Kriminalität in Italien.

Zu Beginn werden menschliche Knochen im Vielfraßkäfig in Stockholms Freizeitpark gefunden. Das Opfer wurde kopfunter an den Zaun gehängt. Immerhin hatte es noch die Zeit, die 5 Buchstaben „EPIVU“ in den Sand zu schreiben. Dieselben Buchstaben findet man bei einem 90-jährigen Hirnforscher und Nobelpreiskandidaten, einem ehemaligen jüdischen KZ-Häftling. Auch er wird ermordet aufgefunden, kopfunter aufgehängt auf einem jüdischen Friedhof, eine lange Nadel im Kopf. Aus anderen Städten Europas werden ähnliche Morde gemeldet. Wie hängen die Morde zusammen und warum wurden sie so überaus brutal verübt? Und wie passt das Verschwinden zweier Prostituierter aus einem Asylbewerberheim dazu?

Spuren führen nach Italien, wo ein Mitglied des A-Teams gerade verlängerte Ferien verbringt.

Wieder ein sehr spannender, anspruchsvoller, aber auch überaus brutaler Dahl-Krimi, bei dem es keine einfachen Lösungen gibt und alles seine Ursprünge in der Vergangenheit hat.

Arne Dahl: Tiefer Schmerz. Piper 2006
www.piper.de

Arne Dahl: Falsche Opfer

Das A-Team ist wieder da!

Nachdem die Stockholmer Sonderermittlergruppe für komplexe Fälle der schwedischen Reichskriminalpolizei am Ende des zweiten Bandes der Reihe, Böses Blut, wegen desaströser Leistungen aufgelöst und die Ermittler verstreut eingesetzt worden waren, erhält das sog. A-Team in diesem dritten Band eine neue Chance, denn es scheint eben doch nicht ohne sie zu gehen.

Inspektor Paul Hjelm und seine Kollegin Holm ermitteln zunächst in einem Kneipenmord zwischen rivalisierenden Fußballfans. Die Besucher der Szenekneipe verhalten sich fast alle sehr seltsam. Dann ereignet sich im Hochsicherheitsgefängnis Kumla ein Mord an einem führenden Drogendealer und es kommt zu einer Schießerei zwischen zwei Verbrecherbanden auf einem abgelegenen Industriegelände.

Mit dem Aufleben des A-Teams werden die Fäden langsam entwirrt. Denn irgendwie muss es eine Verbindung zwischen den Fällen geben, das wird klar, als sich herausstellt, dass das fast alle Beteiligten in der Kneipe anwesend waren…

Arne Dahl ist bei der Konstruktion seiner Krimis ein Perfektionist, der nichts dem Zufall überlässt, aber bezüglich der Konzentration keine geringen Anforderungen an seine Leser stellt. Er wird oft mit Henning Mankell verglichen, doch spielt bei ihm der Teamgedanke bei den Ermittlern eine viel größere Rolle. Beide, Dahl und Mankell, sind scharfe Kritiker der sozialen Zustände in Schweden, beide greifen aktuelle Themen der schwedischen Gesellschaft und Politik auf und beide gehen weit über das Krimigenre hinaus. In meiner Gunst hat Henning Mankell aber immer die Nase einen Tick vorn, vielleicht wegen meiner Sympathie für Wallander, wegen Arne Dahls noch größerer Brutalität oder weil Henning Mankells Wetterbeschreibungen einfach unübertroffen sind.

Arne Dahl: Falsche Opfer. Piper 2005
www.piper.de