Federico Axat: Die Verwandlung des Schmetterlings

Freunde fürs ganze Leben

Dieses Buch hat mir vor Augen geführt, wie leicht ein Autor seine Leser zu manipulieren vermag. Ohne dass es je explizit ausgesprochen wird, gehen wir automatisch von bestimmten Annahmen aus, und in diesem Fall brachte erst das Nachwort die entscheidende Information, die das ganze Geschehen des Romans in ein völlig neues Licht taucht. Spontan hat das Ende in mir den Wunsch geweckt, mit der Lektüre unter diesen veränderten Voraussetzungen noch einmal von vorn zu beginnen. Eine schriftstellerische Meisterleistung!

Aus der Ich-Perspektive wird die Geschichte von Sam, vor allem die Ereignisse im Sommer 1985 in Neuengland, als Sam und Billy mit der neu zugezogenen Miranda, in die beide verliebt waren, vom Duo zum Trio, zu den drei Musketieren wurden. Zwölf Jahre waren sie damals alt und völlig verschiedenen: Sam lebte zusammen mit vielen anderen Pflegekindern auf dem Bauernhof der Carrolls, der liebevoll-strengen Pflegeeltern, nachdem die Mutter zehn Jahre zuvor nach einem schweren Autounfall spurlos von der Unfallstelle verschwand,  und es kursieren Gerüchte über die Beteiligung von Außerirdischen. Billy stammt aus einer bürgerlichen Mittelklassefamilie und hat vier ältere Brüder und Miranda, das Millionärstöchterchen, ist erst vor kurzem mit ihrer Familie in das leerstehende Elternhaus des Vaters eingezogen, das dieser viele Jahre zuvor abrupt verlassen hatte.

Zwei der vier Teile des Romans berichten ausführlich über die Erlebnisse der Kinder im Sommer 1985, der Prolog greift den Unfall von 1974 auf, bei dem Sam als Kleinkind mit im Auto saß, und die kürzeren Abschnitte zwei und vier spielen im Heute, 2010. Erzählt wird von Sam also rückblickend aus der Erwachsenenperspektive.

Viele Geheimnisse umgeben die drei unzertrennlichen Freunde, nicht nur der Verbleib von Sams Mutter oder ihrer Leiche, sondern auch die um das seltsame Verhalten von Mirandas Vater, ihr unheimliches Haus und Sams bedrohlichen, psychopatischen Pflegebruder Orson.

Die Verwandlung des Schmetterlings des 1975 in Argentinien geborenen Federico Axat liest sich flüssig und leicht, sehr unterhaltsam und spannend wie ein Krimi. Das Buch ist eine ideale Sommerlektüre für zwischendurch, man muss nur genug Zeit dafür einplanen, denn jede Unterbrechung fällt schwer und die kurzen Kapitel verleiten dazu, immer weiterzulesen.

Federico Axat: Die Verwandlung des Schmetterlings. LangenMüller 2016
www.herbig.net

Lucy Astner: Polly Schlottermotz

Potzblitz! – oder Polly folgt ihrem Herzen

Wer sagt denn, dass Vampire gierige Blutsauger sind, die sich in finsteren Särgen mit Spinnenweben zudecken?

Polly Schlottermotz jedenfalls ist eine ganz normale Achtjährige mit einer netten Familie, einer tollen Freundin und den gemeinsamen Ponys Gulasch und Suppe, die in Kalifornien an der Ostsee auf einem idyllischen Bauernhof lebt. Doch dann wächst ihr über Nacht für den ausgefallenen Eckzahn ein riesiges, spitzes Etwas nach und für die Eltern steht fest, dass bei Polly das längst verloren geglaubte Vampirgen der Vorfahren durchgeschlagen hat. Dass sie gleichzeitig auch noch Riesenkräfte entwickelt, sobald sie wütend wird, ruft die Vampirpolizei in Gestalt der sieben Altvampire im Siebenschläferrat auf den Plan. Ultimativ fordern sie Polly auf, in Hamburg die hochallerehrwürdigste Siebenschläferprüfung abzulegen und schweren Herzens nimmt Polly Abschied, um vorübergehend zur Vampir-Großtante Winnie in die Hansestadt zu ziehen.

Was Polly im Turmzimmer auf Winnies Hausboot, in der neuen, ganz normalen Schule und in der Parallelwelt der Vampire erlebt, ihre Bekanntschaft mit dem sehschwachen Fledermäuserich Adlerauge und Isabella von Zappenduster aus dem Bilderrahmen, die aufreibende Prüfungsvorbereitung und das Heimweh, das alles erzählt die mit einer ungeheuren Erzählfreude begabte, vor Einfällen sprühende Autorin so leicht, logisch, warmherzig und überaus witzig, dass wirklich jedes Kapitel ein Gewinn für Vorleser und Zuhörer ist. Polly, das Mädchen mit dem Herzen auf dem rechten Fleck, das jederzeit eigene Interessen hinter denen Schwächerer zurückstellt, wächst einem mit jeder Seite mehr ans Herz. Das überwiegend sympathische Vampiruniversum, das Lucy Astner hier geschaffen hat, bietet nicht nur ständig neue Überraschungen, es regt auch die Fantasie der Kinder an und bietet – potzblitz! – genug Stoff für hoffentlich viele weitere Bände. Dabei schießt die Autorin mit ihren Einfällen aber nie über das Ziel hinaus und bringt, bei allem Sprachwitz und aller Komik, unbemerkt noch jede Menge brandaktuelle Themen und sogar ein bisschen Moral unter.

Ein in jeder Hinsicht herausragendes Kinderbuch, liebevoll mit kleinen, pfiffigen Schwarz-Weiß-Illustrationen versehen von Lisa Hänisch, zum Vorlesen ab sechs, zum Selberlesen wegen der bereits umfangreichen Textmenge frühestens ab der dritten Klasse. Wetten, dass die Jungs es trotz der weiblichen Hauptrolle und des eher mädchenhaften Äußeren auch lieben werden?

Lucy Astner: Polly Schlottermotz. Planet! 2016
www.thienemann-esslinger.de

Camilla Läckberg: Isprinsessan

Mord im winterlichen Fjällbacka

Im winterlichen Fjällbacka wird die Leiche der reichen, schönen und selbstbewussten Alexandra Wijkner gefunden, kunstvoll drapiert in einer Badewanne und von Eis umschlossen wie eine Eisprinzessin.

Erica Falck, Schriftstellerin, vorübergehend zurückgekehrt nach Fjällbacka, um den Nachlass der kürzlich tödlich verunglückten Eltern zu ordnen, und beruflich wie psychisch unter einem enormen Druck stehend, ist eine der ersten am Fundort ihrer ehemals besten Kinderfreundin. Nicht nur Erica ist überzeugt, dass es sich nicht um einen Selbstmord handelt.

Beauftragt, einen Nachruf zu verfassen, und nicht ganz uneigennützig, denn nach mehreren Biografien würde sie gerne auch einen Roman über Alex‘ Leben schreiben, beginnt Erica mit Recherchen und merkt schnell, dass ihr wesentliche Puzzleteile aus der Vergangenheit fehlen. Doch zum Glück ist sie bei ihren Ermittlungen nicht allein. Patrik Hedström, ein ehemaliger Schulkamerad, der schon damals ein Auge auf sie geworfen hatte, ist jetzt Kriminalassistent in Fjällbacka, und zu ihrem Erstaunen bemerkt Erica, dass er nicht nur attraktiv, sondern auch sehr sympathisch ist…

Der spannende Fall mit den weit in die Vergangenheit zurückreichenden Fäden, die liebevolle Ausarbeitung der Figuren, die Beschreibung des winterlichen Fjällbacka mit all seinem Eis und Schnee, die beginnende Liebesgeschichte zwischen Erica und Patrik sowie die gleichzeitig überraschende und logische Auflösung haben mir bei diesem typisch schwedischen Krimi sehr gefallen. Der Beginn der Reihe um das Ermittlerduo Erica Falck und Patrik Hedström ist vielversprechend und macht Lust auf mehr, zumal ich gerne erfahren möchte, wie es mit den beiden weitergeht.

Dies war das erste Buch, das ich im schwedischen Original gelesen habe. Mit einem Niveau irgendwo zwischen A2 und B1 war es erstaunlicherweise auch ohne Wörterbuch überhaupt kein Problem und hat mir sehr großen Spaß gemacht.

Camilla Läckberg: Isprinsessan. Månpocket 2004
www.bonnierforlagen.se

Michael Brix: Der barocke Garten

Revolutionäre Gartenarchitektur

Der Kunsthistoriker und Fotograf Michael Brix hat in diesem Bildband den Garten von Schloss Vaux le Vicomte bei Paris, das erste Werk des Gartenarchitekten André Le Nôtre, dokumentiert. Den Auftraggeber, seinen Finanzminister Nicolas Fouquet, ließ Ludwig XIV. dafür einsperren. Er verzieh ihm die Demonstration von Modernität, Eleganz und Aufstieg nicht.

Ich habe mich beim Lesen der lebendigen, gut verständlichen Texte und beim Betrachten der gelungenen, stimmungsvollen Fotos von Brixs Begeisterung für Barockgärten anstecken lassen, auch wenn für mich als Laien manches zu detailliert beschrieben war.

Michael Brix: Der barocke Garten. Arnoldsche 2004
www.arnoldsche.com

Olli Jalonen: Von Männern und Menschen

Die Sommer mit den Krebsen sind vorbei

Ein Tipp vorweg: Hätte ich das Nachwort von Stefan Moster zur politischen Situation 1972 in Finnland vor der Lektüre des Romans gelesen, hätte ich manches besser verstanden.

In ebendiesem Sommer spielt Von Männern und Menschen des 1954 in Helsinki geborenen, in seinem Heimatland sehr bekannten Autors Olli Jalonen. Der Held und Ich-Erzähler, von dem man nur erfährt, dass sein Name vermutlich mit einem „O“ beginnt, erzählt von den Sommerferien in diesem Jahr, die er nicht mit einem Stipendium in den USA und nicht mit seinen Freunden auf einer Interrailtour verbringt, denn sein Vater ist schwer herzkrank und hat deshalb seine Arbeitsstelle verloren. Die Familie lebt von den Putzarbeiten der fleißigen Mutter und O. hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Schulden, die durch den Kauf und die Rückgabe des Autos entstanden sind, beim Metallunternehmen Volles Rohr abzuarbeiten, auch wenn er von seinen Fähigkeiten her kein Handwerker, sondern eher Kopfarbeiter ist. Noch ist ungewiss, ob er, der begabte, wissbegierige Schüler nach den Ferien die Schule fortsetzen kann.

Eine Wehmut liegt nicht nur deshalb über dem ganzen Roman, denn der Erzähler ahnt auch von Beginn an, dass die Kindheit vorüber ist: „Für mich sind die Sommer mit den Krebsen vorbei“ (S. 49). Einerseits übernimmt er Verantwortung für seine Eltern und fühlt, dass die Positionen innerhalb der Familie sich verschoben haben, andererseits ist er aber auch sehr leicht lenkbar, sei es, wenn der Vater oder der Chef ihn Auto fahren lassen, obwohl er noch keinen Führerschein hat und das eigentlich nicht möchte, sei es beim Alkoholkonsum mit den Kollegen oder den Freunden, als sein Freund Jukka ihn dazu überredet, verbotenerweise einen Piratensender zu betreiben, oder als eine ältere Frau ihn verführt, obwohl er eigentlich die gleichaltrige Katinka liebt. Einerseits haben mir sein Fleiß, seine Gelassenheit und sein Anpassungsvermögen imponiert, andererseits hätte ich ihm mehr Ecken und Kanten gewünscht.

Im Laufe des Sommers wird O. erwachsener, er beginnt, sich immer wieder gegen andere durchzusetzen, so z. B. beim Gespräch mit dem Arzt seines Vaters oder als er die enttäuschte Katinka zurückholt. Diese Entwicklung zu verfolgen, hat Spaß gemacht. Auch fand ich es schön, Os Verhalten gegenüber dem geistig zurückgebliebenen Kollegen Rekku zu verfolgen, bei dem er dasselbe Verantwortungsbewusstsein und Fingerspitzengefühl und denselben Pragmatismus wie bei seinen Eltern zeigt.

Der Titel des Romans nimmt Bezug auf John Steinbecks Von Mäusen und Menschen aus dem Jahr 1937, in dem zwei amerikanische Wanderarbeiter, der geistig zurückgebliebene Lennie und der kluge George, den Traum von einem besseren Leben träumen. Dieses Buch, das O. bei Rekku findet, zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman und weist immer wieder Parallelen zum Geschehen auf.

Ich habe mich streckenweise nicht ganz leicht mit diesem Roman getan, der einige Längen und in mancher Hinsicht ein offenes Ende hat. Doch schließlich habe ich ihn mit dem Gefühl aus der Hand gelegt, dass O. seinen Weg gehen wird, mit oder ohne die Schule zu beenden, und dass er, wenn er seinen Weg weiter konzentriert beschreitet und sich noch mehr durchzusetzen lernt, ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft wird.

Olli Jalonen: Von Männern und Menschen. mare 2016
www.mare.de

Rose Tremain: Und damit fing es an

Auch falsche Wege können zum Ziel führen

Mit seinem Lachen bezaubert Anton den kleinen Gustav schon in der Vorschule. Gustav, dessen Liebe zur Mutter nicht erwidert wird, der vaterlos und bitterarm in der Nachkriegszeit in Matzlingen im Schweizer Mittelland aufwächst und zur Selbstbeherrschung erzogen wird, liebt und bewundert den klavierspielenden Bankierssohn vom ersten Augenblick an und fühlt sich in dessen Familie geborgen. Doch über 50 Jahre müssen vergehen, viele falsche Wege beschritten werden, bis beide ihr Zuhause finden.

Rose Tremain erzählt in ihrem leicht zu lesenden Roman in drei Teilen die Lebensgeschichten der so unterschiedlichen Männer. Im zweiten Teil, der zeitlich größtenteils vor der Geburt von Gustav liegt, liefert sie mit der Geschichte der Ehe seiner Eltern und der Entlassung des Vaters aus dem Polizeidienst die Erklärung für das Verhalten der Mutter ihm gegenüber während seiner im ersten Teil beschriebenen Kindheit in den Jahren 1947 bis 1952. Der dritte Teil von 1992 bis 2002 zeigt Gustav und Anton in fortgeschrittenem Alter.

Viele interessante Themen schneidet Rose Tremain an, leider ohne sie zu vertiefen,  sei es die Einwanderung der von den Nazis verfolgten Juden und die Abschottung der Schweiz, die Angst, in den Zweiten Weltkrieg verwickelt zu werden, oder die traumatischen Erlebnisse eines Engländers in Bergen-Belsen. Diese Ereignisse blieben für mich farblos. Gestört hat mich außerdem die z. T. obszöne Sprache in den Sexszenen, die zumindest im ersten und zweiten Teil überhaupt nicht in die Zeit passt. Auch fand ich einige der Personen, vor allem Frauen, überzeichnet.

Insgesamt habe ich die Lektüre trotzdem nicht bereut, denn Rose Tremain versteht es, ihre Leser zu unterhalten. Ich würde auch ein weiteres ihrer Bücher lesen, obwohl ich hier nur 3,5 Sterne, aufgerundet 4, vergebe.

Rose Tremain: Und damit fing es an. Insel 2016
www.suhrkamp.de

Oliver Matuschek: Drei Leben

Die Lebensgeschichte eines Meistererzählers

Anlässlich des 125. Geburtstages von Stefan Zweig, einem der großen Autoren des 20. Jahrhunderts, erschien 2006 Oliver Matuscheks Biografie Drei Leben – Eine Biographie. Ich habe mich gefragt, ob es dieser angesichts von Stefan Zweigs herausragender Autobiografie Die Welt von gestern überhaupt bedarf, aber da er selber nur äußerst sparsam über sein eigenes Leben und viel mehr über die Zeit berichtet („Es wird eigentlich nicht so sehr mein Schicksal sein, das ich erzähle, sondern das einer Generation.“), erfahren wir bei Matuschek durchaus viel Neues.

Der Titel spiegelt die formale Einteilung des Buches wider, die einer strengen zeitlichen Ordnung folgt. Im ersten Teil von Zweigs Geburt im Jahr 1881 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs zeigt uns Matuschek die sichere Welt des Bürgertums, im zweiten vom Ende des Ersten Weltkriegs bis 1934 die Salzburger Zeit bis zum Weggang Zweigs ins Exil und der dritte Teil vom 18.02.1934 bis zu seinem Tod am 22.02.1942 die Zeit im Exil.

Die Biografie wertet neue Quellen, wie z. B. die Briefe des Bruders Alfred Zweig, Erinnerungen der Nachkommen von Stefan Zweig und Lotte sowie Originaltexte aus Privatsammlungen aus. Sie ist gründlich und fundiert, hält sich an Tatsachen und verzichtet weitestgehend auf Spekulationen. Dass ich trotzdem den Eindruck hatte, dem Menschen Stefan Zweig in seinen Büchern näher zu kommen als in dieser Biografie, mag an meiner besonderen Liebe zu seinem Werk liegen. Die Biografie ist auf jeden Fall eine  empfehlenswerte Ergänzung.

Oliver Matuschek: Drei Leben. Fischer 2006
www.fischerverlage.de

Suza Kolb: Der Esel Pferdinand – Pferdsein will gelernt sein

Von wegen blöder Esel!

Da hat sich der kleine Esel Ferdinand, den alle immer nur auf später vertrösten, so auf Emmi, die Enkelin seiner Besitzer gefreut. Bei ihr will er endlich ein richtiger Kinder-Führesel werden, aber dann findet Emmi Esel langweilig und möchte lieber ein Pony. Welche Enttäuschung!

Auch Ferdinand wünscht sich, nachdem er die Pferde und das Pony auf dem Nachbarhof erlebt hat, nichts sehnlicher, als ein elegantes Pferd zu sein, auch wenn sein bester Freund, der unternehmungslustige Ziegenbock Paule, sich fast totlacht, und Emmi Ferdinand inzwischen ins Herz geschlossen hat.

Bei ihrem gemeinsamen Auftritt während eines Hoffest-Zirkusses möchten Ferdinand, Paule und Emmi allen zeigen, was für ein klasse Team sie sind. Doch es kommt noch besser als geplant: Ferdinand wird zum Held des Tages und stellt selbst die Pferde in den Schatten…

Die witzig und ausdrucksstark illustrierte Geschichte um die drei dicken Freunde, den Wunsch, schnell groß zu werden und ein anderer zu sein, und Ferdinands Probleme mit dem gemeinen Bruder und den arroganten Pferden ist sehr kindgereicht erzählt und geht ans Herz. Zum Glück ist aber kein Schmerz so groß, dass eine Mohrrübe ihn nicht vertreiben kann!

Eine sehr unterhaltsame Vorlesegeschichte für Jungen und Mädchen ab fünf Jahren, bei der sich die Erwachsenen in Mutter Esel oder Ziege wiedererkennen werden, oder zum Selberlesen ab der dritten Klasse. Besonders empfehlenswert ist dieses Buch darüber hinaus wie alle Produkte aus dem Magellan Verlag wegen seiner ökologischen, regionalen und sozialverträglichen Herstellungsweise.

Suza Kolb: Der Esel Pferdinand – Pferdsein will gelernt sein. Magellan 2016
www.magellanverlag.de

Kate Brian: Shadowlands

Enttäuschend

Nach der Leseprobe hatte ich einen Jugendbuch-Thriller im All-Age-Bereich erwartet. Der Beginn ist äußerst spannend und der um Haaresbreite missglückte Mordanschlag auf die jugendliche Rory Miller fesselnd geschildert. Allerdings hatte ich bereits bei der Leseprobe meine Zweifel, ob das Buch wirklich ab 14 empfohlen werden kann. Und das ist auch schon mein erster Kritikpunkt: Die Gefahr für Rory und ihre Familie durch einen Serienmörder ist so bedrohlich und gruselig geschildert, dass die ich das Buch frühestens ab 16 empfehlen würde. Dagegen sind die Beziehungsprobleme der beiden Schwestern eher pubertär und damit für ältere Leser langatmig. Hier wäre die Zielgruppe ab 14 eher angesprochen.

Gut gefallen hat mir in der ersten Hälfte die Spannung und die Schilderung der Flashbacks, die Rory verfolgen. Auch der Schreibstil ist angenehm. Ab der Fahrt nach Juniper Landing, wohin die Familie im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms vom FBI geschickt wird, konnte ich allerdings zunehmend weniger mit der Handlung anfangen. Es tauchten immer mehr Fragen auf und ich war sehr gespannt, wie die Autorin sie auflösen würde, um dann vom Ende vollkommen enttäuscht zu werden. Eine billige Auflösung, die viel zu viele Fragen offen lässt und damit – trotz Spannung am Anfang – ein insgesamt enttäuschendes Buch mit fraglicher Zielgruppe.

Kate Brian: Shadowlands. Coppenrath 2015
www.coppenrath.de

Tariq Ali: Die steinerne Frau

Marmara im Sommer 1899

Tariq Ali, 1943 in Pakistan geboren, der inzwischen als Journalist, Schriftsteller, Historiker und Fillmproduzent in London lebt, und den Daniel Cohn-Bendit als „Grenzgänger zwischen der westlichen und arabischen Welt“ charakterisiert, lässt in diesem historischen Roman das Osmanische Reich des Jahres 1899 wiederauferstehen.

In der Sommerresidenz des adeligen Patriarchen Iskander Pascha in Marmara am Schwarzen Meer hat sich die Familie versammelt, weil das Familienoberhaupt erkrankt ist. Frauen, Kinder, darunter die Ich-Erzählerin Nilofer, und Brüder geben sich ein Stelldichein.

Tariq Ali lässt uns einerseits teilhaben an den Einzelschicksalen der Familienmitglieder und der Dienstboten, die bei der Steinernen Frau, einem Gebilde am Ufer des Schwarzen Meeres, ihre „Beichte“ ablegen, andererseits erfahren wir durch die Diskussionen der Protagonisten viel über die politische Entwicklung des Landes.

Der manchmal märchenhaft anmutende Familienroman spricht alle Sinne an und zeigt ein angesichts der Anschlagsflut radikaler Muslime manchmal kaum mehr präsentes Bild der Toleranz des Islams gegenüber anderen Religionen.

Tariq Ali: Die steinerne Frau. Diana 2003
www.randomhouse.de