Erich Kästner: Der 35. Mai

Fantasievoll und schräg

Konrad verbringt seine Donnerstage bei seinem verrückten Onkel, dem Apotheker Ringelhuth. Doch ein Donnerstag ist anders: An einem 35. Mai muss Konrad nämlich einen Aufsatz über die Südsee schreiben. Zum Glück kommt gerade das rollschuhlaufende Pferd Negro Kaballo vorbei und zusammen reisen sie duch den Schrank in der Diele in die Südsee. Unterwegs lernen sie das Schlaraffenland, die Burg zur großen Vergangenheit, die verkehrte Welt und Elektropolis, die automatische Stadt kennen. Und am Ende macht sich die Hausaufgabe wie von selbst…

Ein herrlich verrückter, origineller, schräger, fantasievoller und zeitloser Kinderbuchklassiker à la Münchhausen für Jungen und Mädchen ab ca. acht Jahren und junggebliebene Erwachsene.

Erich Kästner: Der 35. Mai. Dressler 2006
www.dressler-verlag.de

Oliver Scherz: Keiner hält Don Carlo auf

Avanti, avanti!

Selten ist mir ein Kinderbuchheld so schnell ans Herz gewachsen wie dieser elfjährige, pummelige Carlo, der seinen Vater so sehr vermisst, dass er sich mit seinem Koffer und seinen ersparten 210 Euro von Bochum nach Palermo aufmacht. Nach einem Streit hat die Mutter, „der Schnellkochtopf“, wie der Vater sie nennt, ihn, den charmanten aber unzuverlässigen Italiener, kurzerhand hinausgeworfen. Seit fünf Monaten, zwei Wochen und sechs Tagen hat Carlo ihn nicht mehr gesehen. Mit seiner Mutter kann er nicht darüber reden, also bleibt ihm nur ein Ausweg: Er muss seinen Vater besuchen!

Immer wieder von hilfreichen Menschen unterstützt, aber auch von einem räuberischen Taxifahrer ausgetrickst, kommt er nach einer abenteuerlichen Reise per Bahn, Taxi, Traktor, PKW und Fähre schließlich an. Und am Ende kann er die Familie zwar nicht wieder zusammenführen, aber eine durchaus verträgliche Lösung finden, die alle Optionen für die Zukunft offen lässt…

Ich habe mich gefragt, ob Carlos Reise ein schlechtes Vorbild für andere Trennungskinder sein kann, denn immerhin lügt er nicht nur die Mutter an, sondern bringt sich ordentlich in Gefahr. Andererseits führen wir ähnliche Diskussionen mindestens seit Pippi Langstrumpf und wer wollte heute noch ernsthaft behaupten, dass sie Kinder verdirbt? Ich denke, die kleinen Leserinnen und Leser können hier durchaus zwischen falsch und richtig unterscheiden. Trotzdem wäre es bei diesem Buch wünschenswert, dass die Erwachsenen mitlesen und mit ihren betroffenen Kindern über die Trennungsproblematik sprechen. Überhaupt empfehle ich das Buch allen Eltern in Scheidung als Spiegel der Kinderseele und Anlass, über den eigenen tiefen Verwundungen die der Kinder nicht zu vergessen. Und für alle nicht betroffenden Kinder ist das Buch ein Abenteuerroman eines unternehmungslustigen Jungen, der keine Gefahr scheut, um den geliebten Vater wiederzusehen.

Ein rundum gelungenes, sparsam aber pfiffig illustriertes Kinderbuch mit großer Schrift und dickem Papier für gute Leser ab der zweiten, sonst ab der dritten Klasse, oder zum Vorlesen ab ca. sieben Jahren.

Oliver Scherz: Keiner hält Don Carlo auf. Thienemann 2015
www.thienemann-esslinger.de

Leta Semadeni: Tamangur

73 Schlaglichter auf das Leben und den Tod

Die 70-jährige Unterengadiner Lyrikerin Leta Semadeni, deren Name selbst wie Lyrik klingt, hat mit Tamangur ihren ersten Roman geschrieben. Aber keinen im herkömmlichen Sinn, nein, vielmehr sind es 73 Schlaglichter in kurzen bis sehr kurzen Sequenzen über Großmutter und Enkelin, „das Kind“, das genauso namenlos bleibt wie das Unterengadiner Dorf, über skurrile Dorfbewohner und vor allem über Abwesende. Der dritte Stuhl im Haus bleibt leer, denn der Großvater, geliebt und schmerzlich vermisst von Großmutter und Kind, ist in Tamangur, jenem Ort, bei dessen Erwähnung die Großmutter jedes Mal gen Himmel schaut. Auch die Eltern sind fort. Vor den Augen des Kindes ist der kleine Bruder, der Augenstern der Mutter, im Fluss ertrunken, die Familie auseinandergebrochen. Hatte das Kind Schuld? Es hat die Hand des kleinen Bruders doch nur kurz losgelassen.

So geben die Großmutter, die als junge Frau die Welt bereist hat, und das Kind, das kaum mehr kennt als das Dorf, sich gegenseitig Halt, schlafen im selben Bett. Manchmal bekommen sie Besuch, vor allem von Elsa, die im gelben Haus bei den Seltsamen wohnt und ihren stillen Freund Elvis Presley im Tarnanzug mitbringt. Und dann ist da noch die Schneiderin, die anderen ihre Geschichten stiehlt, und die Frau Doktor, die seit dem Tod ihres Kindes nicht mehr auf den Friedhof geht. Oder Kasimir, der homosexuelle Kaminkehrer, bester Freund des Großvater und dem Alkohol nicht abgeneigt.

Eine sehr karge und zugleich bildgewaltige Erzählung. Obwohl ich sicher nicht jedes der Bilder verstanden habe, hat dieser so eindringlich erzählte kleine Roman großen Eindruck bei mir hinterlassen.

Leta Semadeni: Tamangur. Rotpunktverlag 2015
rotpunktverlag.ch

Andrei Mihailescu: Guter Mann im Mittelfeld

Zwischen Politthriller und Liebesroman

Über Rumänien und die rumänische Form des Sozialismus wusste ich kaum etwas, bis ich vor ca. drei Jahren das 2011 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominierte Buch Zusammen allein von Karin Bruder gelesen habe. Seither hat mich das Thema nicht mehr losgelassen und so war ich sehr gespannt auf den Debütroman des wie Bruder in Rumänien geborenen Autors Andrei Mihailescu, der seit 1981 in der Schweiz lebt. Auch Mihailescu verbindet auf sehr interessante und gekonnte Weise politische und persönliche Geschichte und vermittelt das Leben in einer Diktatur eindrucksvoller als ein Geschichtsbuch.

Im Mittelpunkt des zwischen September 1979 und August 1984 größtenteils in Bukarest spielenden Romans stehen Stefan Irimescu, Journalist bei einer großen, selbstverständlich linientreuen Tageszeitung, und Raluca, Architektin und Frau eines aufstrebenden sozialistischen Politikers.

Stefan, der sich lange Zeit bei seiner journalistischen Arbeit den Wünschen der Partei untergeordnet hat, ohne allzu viel darüber nachzudenken, beginnt eines Tages, kritische Leserbriefe verschwinden zu lassen, um die Absender vor Repressalien der Securitate zu schützen. Doch die relativ naiv ausgeführte Aktion sowie einige kleinere journalistische Freiheiten, bleiben den allgegenwärtigen Spitzeln des Geheimdiensts nicht verborgen. Es folgt ein Denkzettel, bei dem Stefan entführt, tagelang festgehalten und misshandelt wird. Kaum entlassen, wird er auf einer Baustelle das Opfer einiger Arbeiter, die einen Schuldigen für Diebstähle am Bau brauchen und lernt so die Architektin Raluca kennen. Sie ist, da sie aus dem falschen, nämlich gebildeten Milieu stammt, die „unpassende“ Frau eines Parteikarrieristen aus der einfachen Schicht und in einer inzwischen lieblosen, unglücklichen Ehe gefangen. Was für Stefan Liebe auf den ersten Blick ist, muss bei Raluca erst langsam wachsen. Doch der Arm der Partei und des Geheimdienst reicht bis ins Privatleben der Rumänen…

Guter Mann im Mittelfeld liest sich teilweise fast wie ein Sachbuch über die 1980er-Jahre in Rumänien. Die ebenfalls sehr gute Romanhandlung macht die bedrückende Atmosphäre, die ständigen Ängste und den sehr unterschiedlichen Umgang damit eindrücklicher, als es ein reiner Sachtext vermocht hätte. Die Liebesgeschichte ist gekonnt geschrieben und kommt in meinen Augen ohne Kitsch aus. Besonders gut gelungen ist neben dem sehr klaren Aufbau auch der ausgesprochen starke Schluss. Lediglich einige nicht so glücklichen sprachlichen Wendungen und eine gewisse „Bemühtheit“ bei der Verbindung der Sach- und der Romanebene haben meinen Lesegenuss teilweise geschmälert. Trotzdem möchte ich das Buch allen politisch interessierten Lesern sehr ans Herz legen. Ich werde mir ganz sicher auch das nächste Buch dieses Autors wieder anschauen.

Andrei Mihailescu: Guter Mann im Mittelfeld. Nagel & Kimche 2015
www.hanser-literaturverlage.de

Isabel Allende: Zorro

Von Diego de la Vega zu Zorro

Diesen Roman habe ich eigentlich nur gelesen, weil ich nahezu jedes Buch von Isabel Allende lese. Obwohl ich kein Fan von „Mantel-und-Degen-Romanen“ bin, hat sich die Lektüre gelohnt, auch wenn es nicht unbedingt ein typischer Allende-Roman ist.

Isabel Allende greift in dieser Geschichte auf den ursprünglich dem amerikanischen Groschenroman entsprungenen Helden Zorro zurück, den Johnston McCulley 1919 erschaffen hat und dessen Erlebnisse mehrfach verfilmt wurden. Sie erzählt uns die Zeit vor seiner Geburt an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in der spanischen Kolonie Kalifornien bis zum Alter von ca. 20 Jahren und damit, wie es zur Legende Zorro kam. Gleichzeitig ist es eine Kolonialgeschichte Kaliforniens und Spaniens unter Napoleon und ein Bericht über die Lebensweise aller Bevölkerungsschichten.

Mit ihrer überbordenden Erzählweise, ihrer versteckten Ironie und  der Ausschmückung der Schauplätze macht Isabel Allende auch diesen Roman, dessen Thema mir eher fern liegt, zu einem Leseerlebnis. Nichtsdestotrotz bevorzuge ich ihre Romane mit magischem Realismus.

Isabel Allende: Zorro. Suhrkamp 2007
www.suhrkamp.de

Elia Barceló: Das Rätsel der Masken

Wer war Raúl de la Torre?

Thematisch hat mich dieser Roman an Der Schatten des Windes oder Nachtzug nach Lissabon erinnert, denn auch hier geht es um die Suche nach einem Autor. Trotzdem sind alle drei Romane natürlich einmalige Leuchttürme in der Literatur.

Ariel Lenormand, 42 Jahre alt, Hispanist an der Universität Heidelberg, geschieden und kinderlos, ist ein bedingungsloser Bewunderer des (fikitiven) argentinischen Autors Raúl de la Torre. Um für eine Biografie über ihn zu recherchieren, kommt er nach Paris. De la Torre wurde 1922 in Buenos Aires geboren, lebte ab 1951 in Paris und war Verfasser zweier Romane und zahlreicher Gedichtbände und Kurzgeschichten. 1959 ging er eine Ehe mit Amelia Gayarre ein. Nach der Scheidung 1976 heiratete er völlig überraschend eine polnische Verlegerin, die er allem Anschein nach nicht liebte und die ihn zu einem politischen Schriftsteller machte. Die zweite Ehefrau starb 1979 durch einen Autounfall aufgrund manipulierter Bremsen. 1985 outete er sich als Homosexueller, 1991 nahm er sich das Leben.

Für Ariel Lenormand stellen sich viele Fragen: Warum hat de la Torre nach seiner ersten Ehe keinen Roman mehr geschrieben? Warum ließ er sich scheiden und vor allem: Warum ging er die zweite Ehe ein? Wer manipulierte er das Auto seiner zweiten Frau? Und warum hat er sich geoutet?

Mit Hilfe des Verlegers und der ersten Ehefrau de la Torres versucht Lenormand, Antworten auf diese Fragen zu finden. Dabei kommt er Amelia immer näher und das Bild des verehrten Schriftstellers bekommt immer mehr Risse…

Der über 500 Seiten lange Roman der Spanierin Elia Barceló hat mich ungemein gefesselt, insbesondere die Schilderungen des Pariser Intellektuellenmilieus der 1950er- bis 1970er-Jahre. Die beiden Erzählzeiten verschmelzen zu einer ebenso spannenden wie grandios geschriebenen Geschichte mit einem genialen Ausgang.

Elia Barceló: Das Rätsel der Masken. Piper 2007
www.piper.de

Judith Winter: Sterbegeld

Durchweg spannende Krimiunterhaltung

Vorab eine Bemerkung zum Cover: Da ich lieber Krimis als Thriller lese, hätte ich das Buch wahrscheinlich in der Buchhandlung eher nicht in die Hand genommen. Ein Fehler, denn es handelt sich eindeutig um einen Krimi. Mit der Wahl des Covers besteht hier aber meiner Ansicht nach die Gefahr, dass die „falschen“ Leser angesprochen werden. Dagegen möchte ich dem Verlag dtv ausdrücklich ein Kompliment für die Schriftgröße und das Layout machen. Während sonst oft in Taschenbüchern gnadenlos viel auf eine Seite gepresst wird, sind die Seiten hier sehr angenehm und lesefreundlich gestaltet, was bei mir den Lesegenuss eindeutig steigert. Dass das Buch aufgeschlagen liegen bleibt, ohne dass man den Rücken bricht, ist ein weiterer Pluspunkt.

Für mich war Sterbegeld der erste Band der Reihe um das rein weibliche Ermittlerteam Emilia Capelli und Mai Zhou, die beiden vorhergehenden Krimis kenne ich bisher nicht. Die zwei jungen Frauen arbeiten in der Abteilung für Kapitaldelikte der Polizei Frankfurt am Main. Da die Fälle in sich abgeschlossen sind, ließ sich die Geschichte gut lesen, trotzdem hätte ich mir oft das Vorwissen über die beiden Ermittlerinnen gewünscht. Im vorliegenden Band nähern sich die beiden sehr unterschiedlichen Frauen, die zwar eine extrem verschiedene Herangehensweise an ihre Fälle haben, sich in ihrem Ehrgeiz und ihrer Motivation dann aber doch wieder erstaunlich ähneln, erstmals einander an, was schließlich im „du“ gipfelt.

Der Prolog, in dem ein acht Monate zurückliegendes Massaker im Haus einer wohlhabenden Durchschnittsfamilie geschildert wird, das mit der Ermordung der Eltern und ihrer zwei kleinen Kindern endet, ist wirklich exzellent geschrieben. Der 6-jährige Junge kann zwar noch die Polizei alarmieren, doch die beiden Beamten kommen etwas zu spät, um wenigstens ihn und die Mutter zu retten, und werden diese Belastung sicher ein Leben lang mit sich tragen.

Acht Monate später sitzt ein Verdächtiger aufgrund von Indizien in Untersuchungshaft, doch der ihm neu zugeordnete, ehrgeizige junge Pflichtverteidiger rollt den Fall neu auf. Capelli und Zhou nehmen neue Ermittlungen auf, während sie gleichzeitig einen Maulwurf in der Sonderermittlungsgruppe Calibri entlarven sollen. Der Kreis der Verdächtigen ist hier überschaubar, doch ist die Aufgabe besonders für Capelli unangenehm, da sie einige der Kollegen seit Jahren gut kennt.

Der Krimi hat mich über die gesamten 460 Seiten sehr gut unterhalten, war spannend und stilistisch solide, sodass ich sicher weitere Bände der Reihe lesen werden, gerne auch noch die vorhergehenden. Trotz der beiden Handlungsstränge, die sich nach und nach noch verzweigt haben, bestand aufgrund der ordnenden Kapitelüberschriften mit Ort, Datum und Uhrzeit nie die Gefahr, die Orientierung zu verlieren. Gut gefallen hat mir außerdem, dass die einzelnen Szenen nicht zu kurz und die Kapitel strategisch gut geplant waren. Bei der Auflösung konnte mich allerdings der Fall des Maulwurfs deutlich mehr überzeugen als der der ermordeten Familie.

Judith Winter: Sterbegeld. dtv 2015
www.dtv.de

Kirsten Boie & Barbara Scholz: Der kleine Ritter Trenk

Für kleine Ritterfans

„Leibeigen geboren, leibeigen gestorben, leibeigen ein Leben lang“, damit will sich der schlaue Bauernsohn Trenk nicht abfinden. Als der Ritter Wüterich seinen Vater wieder einmal zu Schlägen auf die Burg bestellt, zieht er mit seinem Ferkelchen fort, und nach vielen Abenteuern heißt es für ihn: „Leibeigen geboren, als Ritter gestorben, tapfer ein Leben lang“.

Kirsten Boie hat auch in diesem Kinderbuch genau den richtigen Ton für die anvisierte Altersgruppe ab ca. fünf Jahren getroffen und ein wunderbar erzähltes, märchenhaftes und doch sehr informatives Vorlesebuch geschrieben, aufwändig ausgestattet mit mehr als 200 fantasievollen Zeichnungen von Barbara Scholz, Leinenrücken und Lesebändchen.

Kirsten Boie & Barbara Scholz: Der kleine Ritter Trenk. Oetinger 2006
www.oetinger.de

Niall Williams: Die Geschichte des Regens

Ein in jeder Hinsicht besonderer Roman

Ruth Swain, 19-jährige Irin aus der County Clare, liegt im Bett ihrer Mansarde direkt unter dem Regen, umgeben von den 3589 Büchern ihres Vaters. Indem sie ihre Geschichte, die Geschichte ihrer Familie, ihres Dorfes, des Shannon, der auf dem Weg zum Meer an ihrem Haus vorbeifließt, und des unaufhörlich herabprasselnden Regens erzählt, versucht sie, ihre Leukämie zu besiegen und am Leben zu bleiben und „die am Leben  halten, die nur noch im Erzählen da sind“. Doch wenn man wie sie „nur im Bett liegt, der Körper nirgends hin kann, macht sich irgendwann der Geist auf die Socken“, der Fluss des Erzählens wird reißend. Mrs Quinty, die ihre neu verfassten Buchseiten liest, beklagt eine „exzentrische stilistische Überfülle“ und „unkontrollierte Gedankensprünge“, Ruth selber bezeichnet ihr Werk als „Flusserzählung“, ihr bevorzugtes Stilmittel als „Mäander“, und sie versucht immer wieder erfolglos, sich zu zügeln, wenn sie abschweift.

Die Geschichte des Regens war beim Lesen eine Herausforderung für mich und hat mich unverhältnismäßig lange beschäftigt. Auf den ersten hundert Seiten hatte ich immer wieder den Wunsch abzubrechen, weil ich das Gefühl hatte, in diesem Strudel von Worten und Sätzen unterzugehen und nichts aus der Geschichte mitzunehmen. Doch danach ging es immer besser und der Monolog hat mich zunehmend gepackt, vor allem im zweiten Teil, als Ruth von dem erzählt, was sie selber erlebt hat, und auch einige wenige Blitzlichter auf ihre Erkrankung geworfen werden. Auch ihr ungewöhnlicher Erzählstil, mit dem ich zu Anfang sehr gekämpft habe und in dem Melancholie und Humor gleichermaßen Platz finden, hat mich mehr und mehr gepackt. Und so habe ich das Buch schließlich doch mit einem Bedauern beendet um anschließend die ersten hundert Seiten nochmals zu überfliegen mit dem Gefühl, sie nun sehr viel besser zu verstehen.

Ich kann das Buch allen empfehlen, die eine ausschweifende Erzählweise und eine blumige Sprache mögen, die die vielen Anspielungen auf die Literatur zu schätzen wissen, die das langsame Tempo mitgehen können und die es ertragen, wenn sie die eine oder andere Stelle oder Anekdote mangels Vorwissen über Irland nicht verstehen. Ich war schließlich froh, dass ich mich durchgebissen habe, und vergebe vier Sterne für dieses außergewöhnliche Buch, was ich lange Zeit nicht für möglich gehalten hätte. Es ist ein in jeder Hinsicht besonderer Roman, manchmal vielleicht zu besonders, aber für mich alles in allem sehr lesenswert!

Niall Williams: Die Geschichte des Regens. DVA 2015
www.randomhouse.de

Susanne Mischke: Nixenjagd

Krimi für Mädchen ab 15

Während des Oberstufenfests am Badesee verschwindet Faranziskas beste Freundin Katrin spurlos. Kurz darauf wird ihre Leiche geborgen, die Spuren eines Verbrechens zeigt. Aber wer hätte ein Interesse daran, Katrin aus dem Weg zu räumen? Welche Rolle spielt der Neue an der Schule, der Mädchenschwarm Paul, den Katrin kurz vor ihrem Verschwinden im Zelt besucht hat, und auf den auch Franziska ein Auge geworfen hat? Kommissarin Petra Gerres ermittelt hartnäckig und einfühlsam im Kreis der Schülerinnen und Schüler.

Nixenjagd ist ein super spannender Krimi für Mädchen ab ca. 15 Jahren, aber auch für die Eltern. Man kann ihn überall lesen, nur nicht am Badesee…

Susanne Mischke: Nixenjagd. Arena 2007
www.arena-verlag.de