Marliese Arold: Primel und das Alibi

Der lispelnde Hase löst das Rätsel um die gefällten Bäume

Primel, der lispelnde Hase mit den Riesenzähnen, wird von den anderen Tieren beschuldigt, die Bäume am Flussufer gefällt zu haben. Vor Empörung vergeht ihm sogar die Lust an seiner geplanten Geburtstagsfeier. Doch sein Freund Balduin, der Schmetterling, gibt ihm einen guten Rat: Primel muss den Schuldigen finden, erst dann werden die anderen Tiere ihm glauben. So macht Primel sich mit List auf die Suche nach dem Täter und findet zuletzt einen neuen Freund, dessen Zähne aussehen wie seine eigenen. Und die anderen Tiere müssen akzeptieren, dass was offensichtlich erscheint doch oft ganz anders ist …

Dieses Bilderbuch mit umfangreichem Text von Marliese Arold und liebevollen Illustrationen von Annet Rudolph macht Erwachsenen und Kindern ab ca. vier Jahren gleichermaßen Spaß beim Anschauen und Vorlesen und regt nebenbei zum Nachdenken an.

Marliese Arold: Primel und das Alibi. Parabel 2006

Bruno Morchio: Wölfe in Genua

 Der Mensch ist des Menschen Wolf

Privatdetektiv Bacci Pagano, Ich-Erzähler und tätig in Genua, löst seinen zweiten Fall.

Ein reicher, 68-jähriger Rentner, Kredithai, ist im Parco del Peralto am Rande der Stadt ermordet worden. Tatwerkzeug: ein Wolf, der ihm die Kehle
durchgebissen hat. Da der alte Mann kurz vor seiner Ermordung eine Lebensversicherung über eine horrende Summe abgeschlossen hat,
möchte die Versicherungsgesellschaft unbedingt die junge, attraktive Witwe des Mordes überführen und engagiert zu diesem Zweck den Detektiv. Doch Pagano und sein Freund, der Vicequestore Salvatore Pertusiello, würden zu gerne ihre Unschuld nachweisen …

Wölfe in Genua ist ein spannender Krimi ohne übertriebene Actionszenen, mit viel Lokalkolorit und einem interessanten Protagonisten mit bewegtem Privatleben.

Bruno Morchio: Wölfe in Genua. Goldmann 2013
www.randomhouse.de

Fredrik Skagen: Schwarz vor Augen

Amnesie

Frederik Skagen, norwegischer Krimiautor, hat mit Schwarz vor Augen einen Krimi geschrieben, der mich spontan zunächst an Ken Folletts Das zweite Gedächtnis erinnert hat, dann aber doch eine eigene Wendung nahm.

Im Mittelpunkt steht ein Mann, der sein Gedächtnis verloren hat. Er steht auf einer Straße vor einem Lokal in einer ihm unbekannten Stadt (London) ohne Brieftasche und weiß nicht, wer er ist. Er merkt nur, dass sein Körper mit heftigen Schmerzen reagiert, wenn er sich zu erinnern versucht. Also beginnt er sich zu orientieren und schafft sich eine neue Identität. Als seine Frau Linda, sein Vater, die englische Polizei, die norwegische Presse und der Freund einer Frau, wegen deren Ermordung der Mann gerade aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde, nach ihm suchen, zieht sich das Netz immer mehr zusammen…

Schwarz vor Augen ist ein spannender Krimi mit einem ebenso unerwarteten wie plausiblen Ende.

Fredrik Skagen: Schwarz vor Augen. Diana 2001
www.randomhouse.de

Maja Nielsen: Charles Darwin

Das Abenteuer der Evolution – Charles Darwin für Kinder und Jugendliche ab zehn

Zum 200. Geburtstag von Charles Darwin ist in der Reihe „Abenteuer und Wissen“ von Maja Nielsen ein Band erschienen, der Kindern und  Jugendlichen ab zehn Jahren den großen Theologen und Naturforscher auf spannende und lebendige Weise nahe bringt. Der Schwerpunkt der reich bebilderten, gut verständlichen und übersichtlichen Biografie liegt bei Darwins fünf Jahre dauernder Reise auf der Beagle und seinen spektakulären Funden. Sehr anschaulich wird erklärt, warum er 20 Jahre brauchte, bis er seine Ergebnisse veröffentlichte, und warum seine Forschungen die Welt veränderten.

Wie bei allen Bänden der Reihe hat Maja Nielsen sich auch hier einen Experten als Co-Autor gesucht, in diesem Fall den Leiter der Forschungsabteilung des Naturkundemuseums in Berlin, Dr. Matthias Glaubrecht, dessen Forschungsarbeit ein eigenes Kapitel gewidmet ist.
Abgerundet wird dieses sehr empfehlenswerte Jugendsachbuch durch ein Zeitregister und Tipps für weiterführende Literatur, Filme und empfehlenswerte Museen.

Maja Nielsen: Charles Darwin. Gerstenberg 2009
www.gerstenberg-verlag.de

Helen Simonson: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Very british!

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft ist eine heitere, ungewöhnliche und sehr britische Geschichte über ein Liebespaar, dass äußerlich nicht unterschiedlicher sein könnte. Darin wird mehr Tee getrunken als in jedem schwedischen Krimi Kaffee und auch den Leserinnen und Leser sei die Lektüre mit einer Tasse englischem Tee empfohlen.

Major a. D. Ernest Pettigrew ist 68 Jahre alt, verwitwet nach glücklicher Ehe, hat einen herzlosen Banker als Sohn, mit dem ihn nichts verbindet, und ist ein britischer Gentleman der alten Schule mit perfekten Umgangsformen. Er lebt zurückgezogen in einem hübschen Haus, hat nichts als seinen Golfclub und die Entenjagd und ist sehr, sehr einsam.

Jasmina Ali, eine 58-jährige Witwe pakistanischer Herkunft mit einer schwierigen Familie ist glückliche Besitzerin eines Dorfladens und entstammt einer völlig anderen Welt als Pettigrew. Die Annäherung zwischen den beiden wird deshalb von den Familien und der Dorfgemeinschaft misstrauisch verfolgt und als völlig unpassend empfunden. Dabei finden die beiden einsamen Literaturliebhaber allmählich von der Freundschaft zur Liebe…

Ein leises Buch über ein schleichendes Verlieben zweier scheinbar ungleicher Herzen mit viel britischem Humor, aber völlig ohne Kitsch, dessen englischer Titel Major Pettigrews Last Stand (= Major Pettigrews letztes Gefecht) viel besser passt, da nicht Mrs. Ali sondern der Major im Mittelpunkt der Geschichte steht.

Helen Simonson: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft. Knaur
www.droemer-knaur.de

Linn Ullmann: Gnade

Ein berührender Roman zum Thema Sterbehilfe

Johan Sletten war immer durchschnittlich. Seine erste Ehe verlief unglücklich, der Sohn ist ihm fremd und als Journalist wurde er frühpensioniert. Eine „Gnade“ ist für ihn deshalb seine zweite Frau Mai, eine 17 Jahre jüngere Kinderärztin, sein spätes Glück.

Mit 71 erfährt Johan, dass er unheilbar krebskrank ist. Er kämpft, doch zugleich wünscht er sich einen würdevollen Tod, wenn es zum Ende kommt. Dabei soll Mai ihm helfen, wenn es so weit ist.

Der schmale Roman ist weder schwermütig noch pathetisch, aber ein äußerst berührender Beitrag zum Thema Sterbehilfe.

Linn Ullmann: Gnade. btb 2013
www.randomhouse.de

Rebecca Noldus: Meeresfieber

 Ein spannendes Seeabenteuer für Mädchen ab 12

Zwei Jahre ist es her, dass Geertjes Vater auf der Fahrt mit der Ostindienflotte nach Batavia ums Leben gekommen sein soll. Doch Geertje will sich mit dem Tod des geliebten Vaters, der während seiner Landurlaube immer so viel Freude und bescheidenen Luxus in ihr ärmliches, arbeitsreiches Leben gebracht hat, nicht abfinden. Verkleidet heuert sie auf der Eenhoorn an, um als Kochsjunge seine Spur aufzunehmen. Schnell legt sie ihre anfängliche Naivität angesichts von Krankheit, Hunger, einem tyrannischen Kapitän und Meutereiplänen ab. Der tägliche Kampf ums Überleben und die ständige Angst vor der Entdeckung werden für Geertje zu einer harten Bewährungsprobe.

Der historische Jugendroman der Niederländerin Rebecca Noldus ist gut recherchiert, zugleich überaus spannend und informativ. Eine Übersichtskarte, ein Schiffsplan und ein Fachwortverzeichnis erleichtern das Lesen.

Obwohl die harten Lebens- und Arbeitsbedingungen der Ostindienfahrer des 17. Jahrhunderts schonungslos geschildert werden, möchte ich dieses Buch Mädchen ab ca. 12 Jahren empfehlen.

Rebecca Noldus: Meeresfieber. Dressler 2007
www.dressler-verlag.de

Lavanya Sankaran: Die Farben der Hoffnung

Zwei Lebensschicksale im modernen Indien

Bangalore, mit über acht Millionen Einwohnern die drittgrößte Stadt Indiens, hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten vom verschlafenen Nest zu einer boomenden Metropole entwickelt. Probleme sind die unzuverlässige Infrastruktur, die mit dem Tempo nicht schritthalten konnte, die Korruption, die schlechte Regierungsführung und das enorme soziale Gefälle. Das große Kapital der Stadt sind ihre Jugend und Dynamik, die Menschen aus ganz Indien und der ganzen Welt anziehen.

In diesem Spannungsfeld hat Lavanya Sankaran, geboren in Bangalore, Studium in den USA, dort als Investmentbankerin tätig und heute zurück in ihrer Geburtsstadt als Unternehmensberaterin, ihren Debütroman angesiedelt.

Erzählt werden die Geschichten von Anand und Kamala, zwei höchst unterschiedliche Lebensschicksale. Beiden gemeinsam ist der Traum von einer besseren Zukunft und das Zurückstellen eigener Bedürfnisse zugunsten der Kinder.

Anand kommt vom Land, hat eine sehr gute Bildung. Während seine Eltern noch völlig in der traditionellen Lebensweise verankert sind, ist er ein typischer Mittelschichtsaufsteiger. Vidya, seine Frau, deren Familie noch während der Kolonialzeit reich geworden ist, ist ein Luxusweibchen, das seine Zeit mit Shoppen, Körperpflege und Partys verbringt. Doch Anand will mehr erreichen: Seine erfolgreiche kleine Firma „Cauvery Auto“ soll expandieren. Dazu benötigt er ein Grundstück, ein Ansinnen, das bei der gegebenen Undurchsichtigkeit der Eigentumsverhältnisse und der Korruption nahezu undurchführbar scheint. Als sich auch noch sein Schwiegervater einschaltet, kommt es fast zur Katastrophe…

Kamala dagegen ist eine junge Witwe vom Land, Analphabetin, die mit ihrem Sohn vor zwölf Jahren auf der Suche nach Arbeit nach Bangalore gekommen ist. Ihr einziges Ziel ist Bildung für ihren Sohn, dafür arbeitet sie als Angestellte in Anands Haus.

Lavanya Sankaran hat mit diesen beiden Lebensgeschichten exemplarisch, sehr anschaulich und absolut lesenswert zwei Schicksale im modernen Indien nacherzählt.

Lavanya Sankaran: Die Farben der Hoffnung. Diogenes 2014
www.diogenes.ch

Bastian Sick: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod

Auf der Jagd nach Zwiebelfischen

Zwiebelfische sind im Buch- und Zeitungsdruck falsch gesetzte Lettern. In den Zwiebelfisch-Kolumnen von Bastian Sick bei SPIEGEL ONLINE stehen sie analog für „falsch gesetzte Wörter“.

47 der ebenso witzigen wie lehrreichen Kolumnen sind in Buchform unter dem Titel Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod erschienen. Darin erfährt man nicht nur alles zum richtigen Gebrauch des oft vernachlässigten Genitivs (deinetwegen, nicht wegen dir), sondern auch zur korrekten Pluralbildung (Pizzas oder Pizzen?), zum Gebrauch von Fremdwörtern (downgeloadet oder gedownloadet?), zum brutalstmöglichst gesteigerten Superlativissimus, zum in letzter Zeit inflationär verwendeten „’s“ (unterweg’s), zur Binde-Strich-Hysterie usw. Besonders unerbittlich verfolgt Sick die oft obskuren Auswüchse in den Texten seiner Journalistenkollegen.

Wem die unterhaltsamen Beispiele in den einzelnen Kapiteln nicht reichen, der findet zusätzlich übersichtliche Zusammenstellungen zu diversen der genannten Themen, die zu Quizrunden einladen.

Mir hat das Buch auch beim zweiten Lesen nach einigen Jahren viel Spaß gemacht!

Bastian Sick: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. Kiepenheuer & Witsch 2004
www.kiwi-verlag.de

Helene Tursten: Tod im Pfarrhaus

Kriminalinspektorin Irene Huss löst ihren vierten Fall

Nach Ermittlungen in der Upper class (Der Novembermörder), in einer Privatklinik (Der zweite Mord) und im Homosexuellenmilieu (Die Tätowierung) ermittelt Kriminalinspektorin Irene Huss von der Göteborger Kripo dieses Mal in Kirchenkreisen. Das Pfarrerehepaar Schytellius und deren erwachsener Sohn wurden brutal ermordet.

An Verdächtigen mangelt es nicht: Satanisten, denen Vater und Sohn wegen eines Kirchenbrandes auf der Spur waren, zwei Kollegen, die sich um die Nachfolge des leitenden Geistlichen streiten, und einige obskure kirchliche Mitarbeiter gehören dazu. Außerdem gibt es noch die Tochter Rebecka Schytellius, die in London lebt und von ihrem Psychiater vor der Polizei abgeschirmt wird. Doch Irene Huss lässt nicht locker und setzt eine Reise nach Großbritannien durch, weil sie spürt, dass sie nur dort weiterkommen kann…

Tod im Pfarrhaus ist ein Krimi, den man – einmal begonnen – nicht mehr aus der Hand legen möchte. Eine spannende Handlung, eine überaus sympathische Kommissarin mit einem erfrischend normalen Privatleben, die oft eher spontan als überlegt handelt, und eine überzeugende Auflösung sorgen für durchgehend gut Unterhaltung.

Helene Tursten: Tod im Pfarrhaus. btb 2004
www.randomhouse.de