Ein bärenstarkes Team
Wie gut, dass Hase und Holunderbär lesen können, sonst hätten sie nie erfahren, dass am Ende eines jeden Regenbogens ein Goldschatz begraben liegt. So aber machen sie sich mit ihrem Ruderboot auf den Weg zu Holunderinsel, wo einst die Mümmelsee-Piraten ihr Unwesen trieben. Einen Schatz finden sie zwar nicht, aber es werden zwei aufregende Tage und am Ende haben sie etwas gewonnen, das „weit mehr als ein Goldschatz“ ist: einen neuen Freund.
Der Autor und Illustrator Walko hat mit Hase und Holunderbär – Der Schatz auf der Holunderinsel ein Abenteuer um die beiden Freunde Hase, genannt Freund Ritter wegen seines Ritterhelms, und Holunderbär für Erstleser aufbereitet. Die 45 Seiten umfassende Geschichte ist groß gedruckt und in teilweise kürzeren Zeilen im Flattersatz gesetzt. Allerdings sind die Satzstrukturen manchmal komplex und die Absätze schon etwas länger als bei ganz einfachen Leseanfänger-Büchern, pro Seiten gibt es bis zu 16 Zeilen Text und das Buch ist nicht in Kapitel unterteilt, so dass ich es eher für Jungen und Mädchen ab der zweiten Klasse empfehlen würde.
Auf großen, farbigen Bildern auf jeder Seite, die sehr gut zum Text passen, lassen sich zahlreiche zusätzliche, oft witzige Details entdecken. Text wie Illustrationen drücken die tiefe Verbundenheit der beiden Freunde aus, zeigen ihre Teamfähigkeit, ihr Vertrauen zueinander und ihre Hilfsbereitschaft anderen gegenüber.
Ein drolliges, spannendes, liebevoll geschriebenes und illustriertes Erstleserbuch, das man ab fünf Jahren auch sehr gut vorlesen kann.
Walko: Hase und Holunderbär – Der Schatz auf der Holunderinsel. arsedition 2018
www.arsedition.de
Herausstechend und zweifellos preiswürdig an Krokodilwächter ist der Umschlag: eindeutig Diogenes und doch mit den Schnitten, die den Blick auf den roten Leineneinband freigeben, ganz außergewöhnlich.
Eingerahmt wird der Künstlerroman Postskriptum des Schweizers Alain Claude Sulzer von zwei Kindheitserlebnissen des 1888 in Lemberg geborenen Protagonisten Lionel Kupfer. Im Prolog wird das Ertrinken seines Bruders geschildert, das er als Sechsjähriger miterlebt, im Postskriptum geht es um die Lektüre von Goethes Ballade vom Erlkönig, mit der er zwölfjährig sein Schauspieltalent entdeckt. Dazwischen erzählt Alain Claude Sulzer ein deutsches Schauspielerleben zwischen Januar 1933, als der gefeierte Star Lionel Kupfer im berühmten Hotel Waldhaus in Sils Maria zu Gast ist, und 1963, als die durch Krieg und Exil schmerzlich unterbrochene Karriere in den USA wieder in Gang gekommen ist.
Eine wirklich gute Idee hat der Schweizer Nord-Süd Verlag hier in seiner Reihe Ich lese selber umgesetzt: ein bekannter Bilderbuchheld als Lockvogel für Erstleser. Hermann Krekeler hat den Text nach der Erzählung von Hans de Beer für Leseanfänger bearbeitet, die unverwechselbaren Illustrationen stammen natürlich weiterhin vom bekannten holländischen Künstler selbst.
Zwei ganz unterschiedliche Lebensentwürfe prallen im zweiten Roman von Celeste Ng (sprich: Ing), Kleine Feuer überall, aufeinander. Elena Richardson ist wie Shaker Heights, der Vorort von Cleveland, in dem bereits ihre Großeltern lebten und den sie selbst nur zum Studium für kurze Zeit verlassen hat: durch und durch geplant, reglementiert, geordnet. Sie und ihr Mann haben vier Kinder, zwei Häuser, vier Autos, ein kleines Boot und Angestellte für die perfekte Abwicklung des Alltags. Elena wählt demokratisch, denkt in Maßen fortschrittlich und ist der Überzeugung, dass die Welt nur richtig funktioniert, wenn man feste Regeln einhält. Einziger Wermutstropfen ist die jüngste Tochter Izzy, 14 Jahre alt, die sich seit der Schwangerschaft an keine Regel hält und das schwarze Schaf der Familie ist, impulsiv, kompromisslos und „dazu geboren, andere in Rage zu bringen“, vor allem ihre Mutter. Das ererbte Zweithaus in der Winslow Road stellt Elena als eine Form der Nächstenliebe für eine niedrige Miete Leuten zur Verfügung, „die es verdienen“. Die sorgfältig ausgewählten neuesten Bewohnerinnen sind die Fotokünstlerin Mia Warren und deren 15-jährige Tochter Pearl. Mia und Pearl führen ein Nomadenleben, besitzen nur, was sie in ihrem VW Golf transportieren können, sind seit Pearls Geburt 46 Mal umgezogen und leben, was Elena zugleich fasziniert und beunruhigt, nach eigenen Regeln. Doch dieser Umzug soll ihr letzter sein, Mia hat Pearl endlich versprochen, sesshaft zu werden.
Kann ein Tag, der mit dem Fund eines perfekten Stöckchens für ihre Mischlingshündin Frieda beim Morgenspaziergang beginnt, zum Albtraum werden? Er kann, wenn das Stöckchen wie in diesem Fall im Auge einer männlichen Leiche steckt. Von diesem Moment an geht es im Leben der Bärbel Böttcher, 54, arbeitslose Tierpräparatorin, früh verwaist, ledig, ohne Kinder und alleinlebend, drunter und drüber. Sie, deren Hauptverbindung zur Außenwelt bisher die Verkaufsshows eines Shoppingsenders waren, muss die Polizei in Person von Kommissar Lichtblau verständigen, Stunden auf dem Kommissariat verbringen und bekommt dafür nicht einmal das ersehnte Stöckchen überlassen. Am Nachmittag steht die frischgebackene Witwe vor ihrer Tür und attackiert sie mit dem Elektroschocker und einem Ausbeinmesser. Wenige Stunden später hat Bärbel zwei Gefangene und zwei Leichen an der Backe und in den kommenden zehn Tagen passiert mehr, als in den vorhergehenden 54 Jahren. Dabei geraten nicht nur Bärbels beschauliche Gegenwart und ihre Zukunft ins Wanken, auch ihre Vergangenheit stellt sich plötzlich ganz anders dar…
Im sehr empfehlenswerten Nachwort zu „Die Nachtigall“ schreibt die 1960 geborene US-amerikanische Autorin Kristin Hannah: „Allzu oft werden die Geschichten von Frauen im Krieg übersehen oder vergessen. Frauen neigen dazu, aus dem Kampf zurückzukehren, zu schweigen und mit ihrem Leben weiterzumachen. Die Nachtigall ist ein Roman über diese Frauen und die waghalsigen, gefährlichen Entscheidungen, die sie getroffen haben, um ihre Kinder und ihre Lebensart zu retten.“ Den Frauen im besetzten Frankreich 1939 bis 1945 ein Denkmal zu setzen und die Leser zum Nachdenken darüber anzuregen, wie sie selbst in einer solchen Situation handeln würden, ist die Intention ihres Romans. Beides ist ihr gut gelungen. Allerdings hätte ich mir gewünscht, die Handlung wäre weniger gefühlvoll und melodramatisch aufbereitet gewesen und die Sprache weniger einfach. Und doch: Wer einen spannenden, emotionalen, leichten Unterhaltungsroman zu diesem Thema lesen möchte, wird ihn hier finden.
