Daniel Defoe: Die Pest zu London

Im Angesicht des Grauens

Daniel Defoe (ca. 1660 – 1731), der englische Schriftsteller aus der Zeit der frühen Aufklärung, wurde vor allem durch seinen Roman Das Leben und die seltsamen Abenteuer des Robinson Crusoe bekannt, den er 1719 verfasste.

1665 erlebte Daniel Defoe als Kind die große Londoner Pest, bei der die Stadt ein Fünftel ihrer Einwohner verlor. In seiner 1774 unter dem Titel A Journal of the Plague Year erschienenen Chronik dieser verheerenden Epedemie schildert er in einem fiktiven Tagebuch im Stil einer journalistischen Reportage die Ereignisse des Jahres 1665 in London. Der anonym veröffentlichte Bericht wurde lange Zeit selbst in Fachkreisen für einen authentischen Augenzeugenbericht gehalten und gilt bis heute als wichtiges kulturhistorisches Zeugnis.

In einer laut CD-Hülle von Sebastian Goy als Hörspiel bearbeiteten Version, die sich jedoch beim Hören als reine Lesung des großartigen Gerd Westphal aus dem Jahr 1960 entpuppt, werden in acht Kapiteln von „Die ersten Anzeichen der Pest“ bis zu deren Abklingen viel Aspekte beleuchtet: das Auftreten von Scharlatanen, Astrologen und Wahrsagern, die Pesthäuser, Massengräber und Leichenkarren, die Boten des Todes und die Verstrickung Gottes. Der Schrecken und die Angst der Bevölkerung sind durch die detailreichen Schilderungen Defoes zum Greifen nah und die Mischung aus konkreten Einzelschicksalen und nackten Zahlen macht das Grauen sehr real.

Durch die betont sachliche Art des Textes und des Vortrags wird ein plastischer Eindruck der tragischen Ereignisse um die große Londoner Pestepedemie von 1665 vermittelt, der durch das gelungene Booklet abgerundet wird.

Daniel Defoe: Die Pest zu London. DAV – Der Audio Verlag 2002
www.der-audio-verlag.de

Tanya Stewner: Liliane Susewind – Ein Eisbär kriegt keine kalten Füße

Um Haaresbreite einer Tragödie universellen Ausmaßes entronnen!

Rüdiger Bertram: Gegen uns könnt ihr nicht anstinken

Ein Stinktier fürs Leben

Für die meisten Menschen ist der zehnte Geburtstag ein Geburtstag wie jeder andere, aber für manche, wie z. B. für Zora, ist es ein ganz besonderer. Sie bekommen dann nämlich ihre „Begleiter“, sog. „Totemtiere“, die von nun an lebenslang nicht mehr von ihrer Seite weichen und für alle ohne Begleiter unsichtbar sind. Auch Zora hat bisher nichts von Lasse, dem Eisbären ihres Vaters, oder Mathilde, dem Zebra ihrer Schwester, geahnt, genausowenig wie ihre begleiterlose Mutter.

Doch dann taucht an Zoras zehntem Geburtstag plötzlich Dieter auf, das respektlose, freche, selbstbewusste, verfressene Stinktier, das gerne auch seine Stinkbomben als Waffe einsetzt. Zora ist entsetzt, erst recht, als sie feststellt, dass die coole Jessica und deren Freundin Lili ein tolles Einhorn und einen kuscheligen Fuchs haben. Nur die Außenseiter der Klasse, Leon und Anna, haben Tiere, die Zoras Stinktier vergleichbar sind: Leon die hyperaktive Ratte Jasper und Anna das Faultier Paula. Zoras Wunsch, endlich in Jessicas coole Clique aufgenommen und zu ihrer Party eingeladen zu werden, rückt in unerreichbare Ferne. Aber lohnt es sich wirklich, sich den Zicken Jessica und Lili anzudienen? Sind der unscheinbare Leon und die stille Anna nicht vielleicht sogar die interessanteren Freunde? Hat Dieter recht, wenn er Jessica und Lili als „doofe Schnepfen“ bezeichnet? Und dann hat Zora ja auch noch ihre beste Freundin Kati, die erst in einem Monat ihren zehnten Geburtstag feiert. Soll sie ihr von Dieter erzählen und wird Kati ihr überhaupt glauben?

Vordergründig ist Gegen uns könnt ihr nicht anstinken vor allem ein sehr lustiges, witzig illustriertes Kinderbuch, das man ab sechs Jahren vorlesen und ab der dritten Klasse selber lesen kann. Hinter der Geschichte um Freundschaften, Außenseiter, Mobbing und vermeintlich coole Cliquen steckt aber viel mehr als nur sehr gute Unterhaltung. Den wahren Wert von Menschen (und Begleitern) zu erkennen, Coolness von Zickigkeit zu unterscheiden, sich nicht vom äußeren Anschein blenden zu lassen und zu erkennen, dass, was auf den ersten Blick furchtbar erscheint, sich als Glück entpuppen kann, denn dass Dieter mehr als ein „stinkender Käse auf vier Beinen“ ist, erkennt Zora bald, dafür möchte dieses Buch wichtige Gedankenanstöße und Gesprächsgrundlagen geben. Ich kann es deshalb Mädchen und Jungen empfehlen und verspreche auch den Vorlesern viel Spaß und gute Unterhaltung.

Rüdiger Bertram: Gegen uns könnt ihr nicht anstinken. cbj 2016
www.randomhouse.de

Fred Vargas: Die schwarzen Wasser der Seine

Zwei Kurzkrimis um Kommissar Adamsberg

Auf einer CD mit ca. 87 Minuten Laufzeit liest die Schauspielerin Suzanne von Borsody zwei Kurzkrimis der bedeutendsten, vielfach ausgezeichneten französischen Krimiautorin Fred Vargas.

Im Mittelpunkt steht wie immer in Vargas‘ Krimis der Pariser Kommissar Jean-Baptiste Adamsberg, ein eigenwiller Ermittler mit viel kriminalistischem Gespür und einem ausgeprägten Bauchgefühl. Neben ihm arbeitet sein vernunftgesteuerter Leutnant Danglard.

In der ersten Geschichte hat Pi, ein Obdachloser, zufällig den Mord an einer Frau im Pelzmantel beobachtet. Mit viel Fingerspitzengefühl und psychologischem Geschick gelingt es Adamsberg, den misstrauischen, vom Leben gebeutelten Mann zu einer Aussage zu bewegen.

Im zweiten Fall scheint es sich um einen weihnachtlichen Selbstmord der klassischen Art durch Sturz von einer Seine-Brücke zu handeln, doch Adamsberg ist schnell anderer Meinung. Zur überraschenden Auflösung trägt ausgerechnet eine Nebenfigur der Geschichte bei.

Natürlich kann man diese Kurzkrimis nicht mit Fred Vargas‘ sonst überaus spannenden, verwickelten, oft unheimlichen Geschichten vergleichen. Und doch habe ich der Stimme Suzanne von Borsodys fasziniert zugehört, die jeder einzelnen Figur eigene Nuancen  verleiht, und habe darüber gestaunt, wieviele überraschende Wendungen und wieviel Charakterstudium in so kurzer Zeit Platz finden.

Fred Vargas: Die schwarzen Wasser der Seine. DAV – Der Audio Verlag 2007
www.der-audio-verlag.de

Cornelia Funke: Drachenreiter – Die Feder eines Greifs

Greif gegen Drache – Drache gegen Greif

Nachdem ich in der Vorbereitung auf die Fortsetzung zu Cornelia Funkes 1997 erschienenem Drachenreiter den ersten Band noch einmal mit Begeisterung gelesen hatte, war ich skeptisch, ob ein zweiter Band die hohe Vorgabe des ersten würde halten können, doch die Zweifel waren unbegründet. Der neue Band Drachenreiter – Die Feder eines Greifs steht dem ersten weder in der Spannung noch in der Fantasie oder Sprache im Geringsten nach und ist durch die vielen Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die Zitate am Anfang jedes Kapitels und den sehr detaillierten zwölfseitigen Anhang über Figuren und Orte noch deutlich mehr ausgeschmückt.

Zwei Jahre, nachdem der Silberdrache Lung, sein Drachenreiter Ben, das Koboldmädchen Schwefelfell, der Homukulus Fliegenbein und ihre vielen  Helfer aus der Fabel-, Tier- und Menschenwelt Nesselbrand, den Goldenen, besiegt haben, gibt es wieder Arbeit für sie. Der letzte Pegasus hat seine Frau durch einen Unglücksfall verloren und die drei mutterlosen Pegasuseier können nur mit Hilfe der Sonnenfeder eines Greifs gerettet werden. Ben, der inzwischen mit seinen „adoptierten Eltern“ Barnabas und Vita Wiesengrund sowie deren Tochter Guinever als Fabelwesen-Schützer bedrohten Geschöpfen aller Art im norwegischen MÍMAMEIÐR Unterschlupf bietet, macht sich auf den Weg nach Indonesien, zusammen mit Barnabas, dem ängstlichen Fliegenbein, der abenteuerlustigen, verrückten und witzigen Rättin Lola Grauschwanz und dem Fjordtroll Hothbrodd. Die Mission ist überaus gefährlich, denn Greife gelten als habsüchtig und bösartig, verfügen über Furcht einflößende Schnäbel, Löwenpranken und eine Giftschlange als Schwanz und sind die einzigen Fabelwesen, denen Barnabas Wiesengrund eigentlich nie begegnen wollte. Drachen sind ihnen besonders verhasst, weshalb Lung mit einer List davon abgehalten werden muss, mit ihnen nach Indonesien zu kommen. Zehn Tage haben die vier Freunde Zeit, um die Feder zu erobern, eine nahezu unlösbare Aufgabe.

Die Ankunft auf der indonesischen Insel Pulau Bulu gestaltet sich dann auch sehr problematisch, weil sie mitten in den Machtkampf zwischen dem jungen Greif Shrii, der die Tiere der Insel beschützen möchte, und dem seit ewigen Zeiten grausam herrschenden Kraa, dem Schrecklichen, geraten. Zum Glück ist Lung doch noch rechtzeitig zur Stelle, da sich Barnabas‘ Hoffnung auf friedliche Verhandlungen keineswegs erfüllt, und so kommt es im indonesischen Dschungel zum Kampf Greif gegen Drache…

Auch wenn die Mission am Ende wie erwartet erfolgreich ist, die Freude in MÍMAMEIÐR laut herausgeschrien, -geschnattert und -gewiehert und Pulau Bulu eine glücklichere Insel wird, bleibt für Ben der Wehmutstropfen, dass er sich zwischen Norwegen mit seiner Familie und der großen Aufgabe und dem Himalaja, wo Lung und die Drachen am Saum des Himmels leben, entscheiden muss.

Das Abenteuer zur Rettung der Pegasuseier ist so spannend und fantasievoll erzählt und die Charaktere der verschiedenen Fabelwesen, Tiere und Menschen sind so überaus liebevoll ausgeschmückt, dass mir das Lesen von der ersten bis zur letzten Seite große Freude bereitet hat. Ich halte dieses zweite Fantasy-Märchen um den Drachenreiter und seine Freunde für ein ideales Vorlesebuch für die ganze Familie, würde die Altersgrenze mit zehn Jahren allerdings etwas höher ansetzen als beim ersten Teil.

Dass der letzte Satz eine Fortsetzung möglich erscheinen lässt, ist deshalb mehr als erfreulich, denn die Fantasie Cornelia Funkes scheint unerschöpflich!

Cornelia Funke: Drachenreiter – Die Feder eines Greifs. Dressler 2016
www.dressler-verlag.de

Cornelia Funke: Drachenreiter

Wunderbar interpretiert – aber leider gekürzt

Auf vier CDs liest Monty Arnold Cornelia Funkes geniales Fantasymärchen Drachenreiter mit angenehmer, nuancenreicher Stimme, ergänzt durch kurze Musiksequenzen von Ulrich Maske. Monty Arnold bringt die Stärken des Textes sehr gut zur Geltung, indem er den vielfältigen Charakteren durch die Stimmveränderungen noch mehr Leben einhaucht.

Leider bieten die vier CDs in insgesamt viereinhalb Stunden Hörzeit nur eine deutlich gekürzte Version des Kinder- und Jugendbuchs. Obwohl der Text trotzdem verständlich bleibt und die Grundhandlung natürlich dieselbe ist, tut es mir in diesem Fall um jede fehlende Szene leid, und ich würde eine vollständige Lesung deutlich der gekürzten vorziehen.

Cornelia Funke: Drachenreiter. Goya libre 2008
www.jumboverlag.de

Cornelia Funke: Drachenreiter

Die märchenhaft-abenteuerliche Reise zum Saum des Himmels

Neben Herr der Diebe ist der 1997 erschienene Drachenreiter mein Favorit im umfangreichen Werk von Cornelia Funke, obwohl ich sonst eher keine Fantasyleserin bin. Mag sein, dass es daran liegt, dass der Roman so märchenhafte Anklänge hat, dass die vielen Arten von Fabeltieren so ausgeprägte Charaktere haben und meist sehr sympathisch sind, und dass Cornelia Funke völlig auf gewalttätige Szenen verzichtet.

Eher nicht so sympathisch dargestellt werden – mit wenigen Ausnahmen – die Menschen, die der Welt der Fabelwesen ignorant gegenüberstehen und keinen Respekt vor der Natur zeigen. Da sie in ihrem Bestreben, sich die ganze Welt untertan zu machen, das Tal in Schottland, in dem sich eine Gruppe von Silberdrachen versteckt hält, fluten möchten, müssen diese eine neue Heimat suchen. der alte Drachen Schieferbart erzählt seiner Gruppe vom sagenhaften „Saum des Himmels“, einem Drachenparadies, wo noch Artgenossen leben sollen, doch nur der junge Silberdrache Lung bringt den Mut auf, sich auf die Suche nach diesem Ort zu machen. Zusammen mit seinem schnippischen Koboldmädchen Schwefelfell und der Landkarte der Ratte Gilbert Grauschwanz macht er sich auf den Weg. Ben, ein elfjähriger Waisenjunge, wird zu Lungs Drachenreiter. Nach und nach erfahren die drei Reisenden zu ihrer Überraschung, dass nicht nur die Menschen sie bedrohen. Noch gefährlicher ist Nesselbrand, der Goldene, ein von einem Alchimisten vor langer Zeit erschaffener Drachenjäger, der der Grund dafür ist, warum sich die Drachen einst an den Saum des Himmels zurückgezogen haben. Mit dem letzten Homunkulus namens Fliegenbein ist es dem schrecklichen Nesselbrand nun gelungen, einen Spion direkt bei Lung und seinen Freunden zu platzieren, mit dessen Hilfe er endlich den Saum des Himmels finden will.

Wie es Lung, seinen Begleitern und ihren zahllosen Unterstützern aus der Fabel-, Tier- und Menschenwelt schließlich gelingt, den Saum des Himmels im Himalaja zu finden und die schottischen Silberdrachen dorthin zu führen, erzählt Cornelia Funke in gut verständlicher Sprache in ihrem wunderbar mit Schwarz-Weiß-Tuschezeichnungen illustrierten Kinderbuch. Auch Jugendliche und sogar Erwachsene werden sich der Spannung und der Faszination der von Cornelia Funke entworfenen Welt nicht entziehen können, und jeder wird über kurz oder lang seine Lieblingsfigur darin finden. Mein Favorit ist die Ratte Lola Grauschwanz, die couragierte Pilotin eines Spielzeugzeugs, die so manches Mal helfend eingreift und nie um einen Kommentar verlegen ist.

Aus den genannten Gründen halte ich Drachenreiter für ein geniales Vorlesebuch ab frühestens acht Jahren und für die ganze Familie. Einen Globus sollte man unbedingt danebenstellen, um die abenteuerliche Reise jederzeit verfolgen zu können.

Cornelia Funke: Drachenreiter. Oetinger 2014
www.oetinger.de

Frank Goldammer: Der Angstmann

Ermittlungen in einer brennenden Stadt

Im Gegensatz zu den meisten historischen Romanen lese ich historische Krimis sehr gerne. Die Einbettung des Kriminalfalls in einen geschichtlichen Kontext, die langsamere Gangart der Ermittlungen durch die eingeschränkten technischen Möglichkeiten und die dadurch bedingte größere Bedeutung des polizeilichen Spürsinns und der Intuition der Ermittler machen für mich den Reiz dieses Genres aus. Wenn der Krimi dann auch noch so atmosphärisch und spannend wie Der Angstmann von Frank Goldammer geschrieben ist, und der Verlag sowohl bei der Gestaltung als auch beim Klappentext gute Arbeit geleistet hat, sind alle meine Erwartungen erfüllt.

Formal gliedert sich der klug aufgebaute historische Dresden-Krimi in zwei Teile. Der erste Teil spielt vom November 1944 bis zur völligen Zerstörung durch britische Bomber am 13. Februar 1945, der zweite nach der Besetzung durch die Russen im Mai 1945. Über beide Teile hinweg treibt ein brutaler Frauenmörder sein Unwesen, der mehrere Krankenschwestern bestialisch hinrichtet und die Leichen inszeniert.

Kriminalinspektor Max Heller, ein aufrechter, sympathischer Polizist, der nie in die Partei eingetreten ist, dem es nur um Wahrheit und darum geht, den Menschen Gerechtigkeit zu verschaffen und gesellschaftliche Werte zu erhalten, ermittelt unter widrigsten äußeren Bedingungen. Nicht nur, dass im ersten Teil fast alle Kollegen an der Front sind, es weder Blitzlichtbirnen noch Benzin gibt, auch ein strammer Nazi-Vorgesetzter ohne polizeiliche Kenntnisse, aber mit einem unerschütterlichen Glauben an den Endsieg, erschweren seine Arbeit. Der offensichtlich pathologische Täter schlägt immer wieder während des Fliegeralarms zu und in der Bombennacht vom 13. Februar 1945 kommt Heller ihm ganz nah, ohne ihn stellen zu können.

Im zweiten Teil hat die russische Besatzungsmacht die deutsche Polizei aufgelöst und es braucht Hellers ganze Überzeugungskraft, um an der Seite eines mehr am Aufgreifen von Nazis interessierten russischen Kommissars die Ermittlungen weiterführen zu dürfen – bis zum überaus spannenden Showdown…

Trotz der gruseligen Stimmung und des sehr fesselnden Schlussteils mit einer für mich ebenso überraschenden wie befriedigenden Auflösung ist Der Angstmann kein Thriller, denn Frank Goldammer widmet dem historischen Hintergrund großen Raum. Für mich ist genau diese sehr ausführliche, atmosphärische Schilderung der Lebensbedingungen in Dresden vor, während und nach der Zerstörung die große Stärke des Buches und ich fand sie zu keiner Zeit langatmig. Besonders die Situation vor der Zerstörung, als jeden Tag große Mengen von Flüchtlingen aus dem Osten in die Stadt strömten und unvorstellbares Chaos, Not und Verzweiflung herrschten, fand ich sehr interessant, genauso wie die Beschreibung der Zerstörungen und der russischen Besatzungszeit, während der zu Hunger und Elend auch noch eine unvorstellbare Angst der Bevölkerung kam.

Max Heller taugt für mich zum Serien-Ermittler und ich freue mich schon auf weitere Bände mit ihm!

Frank Goldammer: Der Angstmann. dtv 2016
www.dtv.de

Maren Gottschalk: „Die Morgenröte unserer Freiheit“

Nelson Mandela für politisch interessierte Jugendliche

Diese Lebensgeschichte des Nelson Mandela stammt aus der Biografien-Reihe für Jugendliche ab ca. 14 Jahren aus dem Verlag Beltz & Gelberg und ist durchaus auch für Erwachsene als Einstieg empfehlenswert.

Maren Gottschalk beschränkt sich in ihrem flüssig zu lesenden Buch nicht nur auf die bekannten biografischen Eckdaten Nelson Mandelas, der 1918 als Sohn eines Thembu-Häuptlings geboren wurde, privilegiert aufwuchs, studierte und erst allmählich in die Politik und den ANC einstieg, fast 30 Jahre in Haft überwiegend auf der Gefängnisinsel Robben Island verbrachte, nach seiner Entlassung zum ersten schwarzen Staatspräsidenten Südafrikas aufstieg und zusammen mit de Klerk den Friedensnobelpreis erhielt. Sie erzählt darüberhinaus die Geschichte Südafrikas und seine Besiedlung durch die Weißen, beschreibt den ANC, die Inkartha-Bewegung und die Lebensbedingungen der Schwarzen und geht auf das Verhalten der Welt in Bezug auf die Apartheitsbewegung ein.

Die kritische Biografie ist geschickt mit Zitaten angereichert, sie setzt jedoch politisches Interesse und eine gewisse Konzentrationsfähigkeit voraus und ist dementsprechend für Jugendliche keine ganz leichte Lektüre.

Maren Gottschalk: „Die Morgenröte unserer Freiheit“. Gulliver 2013
www.beltz.de

Kirsten Boie: Wieder Nix!

Algenpest und Haigebiss, der Nix ist wieder da!

Hatte Jonathan den Nix, den thermoskannengroßen „Seejungmann“ mit den grünen Haaren, dem Fischschwanz und dem Dreizack, am Ende von Band eins, Verflixt – ein Nix, an die Ostsee zurückgebracht, so ist er ein Jahr später in Band zwei einfach wieder da!

Jonathan ist inzwischen acht Jahre alt, Hilary, die Freundin seines Vaters, lebt bei ihnen und erwartet ein Baby und die Hochzeit steht kurz bevor. Alles eigentlich sehr erfreulich, da taucht der Nix wieder auf und macht das, was man schon von ihm gewöhnt ist: Ärger und Scherereien. Sichtbar wird er nur bei Wasserrauschen, essen will er nur Fische, quengeln ist seine Hauptbeschäftigung, auch wenn er in diesem zweiten Band schon etwas umgänglicher ist, er spricht meist in Reimen und sein Ziel ist es nach wie vor, sich in eine Menschin zu verlieben. So sind Jonathan und seine Freundin Leo auch ziemlich hin- und hergerissen, ob sie sich freuen sollen oder nicht. Doch mittlerweile sind sie schon recht gewitzt im Umgang mit dem kleinen Kerl und tricksen ihn immer wieder aus, deshalb schafft er es schließlich auch nicht, den Polterabend und die Hochzeit zu ruinieren…

Band eins hat mir zwar noch etwas besser gefallen, aber auch Wieder Nix ist ein tolles, hübsch illustriertes Vorlesebuch ab sechs Jahren, zum Selberlesen ab acht, in dem es vor Ideen nur so wimmelt, bei dem man lachen kann und über Jonathans und Leos Einfälle staunt und am Ende wieder tief durchatmet, als Jonathan und Hilary den Nix ein weiteres Mal zurück zur Ostsee bringen, denn „Seejungmänner gehören einfach nicht aufs Land“!

Kirsten Boie: Wieder Nix! Oetinger 2007
www.oetinger.de