Historischer Husumkrimi um Theodor Storm
Zuallererst: Ich lese historische Krimis vor allem wegen des Settings, also der Beschreibung des historischen Kontextes. Krimihandlung und Spannung stehen für mich an zweiter Stelle. In dieser Beziehung bin ich hier voll auf meine Kosten gekommen, denn das Husum des Jahres 1843 ist für mich sehr lebendig geworden. Szenen, die z. B. auf dem Jahrmarkt oder im Wirtshaus spielen, haben mir dabei besonders gut gefallen, genauso wie die sehr detaillierte Schilderung von Gebäuden, Plätzen und Straßen. Der Tatsache, dass darüber hinaus auch noch Theodor Storm an so prominenter Stelle in die Handlung eingebaut ist, stand ich zunächst skeptisch gegenüber. Nach der Lektüre kann ich aber sagen, dass dies vorzüglich gelungen ist, ich sehr viel Neues über Storm erfahren habe und somit in meinen Augen kein „Missbrauch“ vorliegt, wie ich es ein wenig befürchtet hatte. Die gute Recherchearbeit und der flüssige, der historischen Umgebung angepasste Schreibstil, sind weitere Gründe, diesen historischen Krimi zu empfehlen. Ein Lob auch an den Fischer Verlag für die gute Ausstattung, eine klare Schrift, eine solide Bindung und einen nahezu schreibfehlerfreien Druck, alles Dinge, die für mich sehr wichtig sind.
Den Fortgang der Handlung schildert uns der junge Schreiber Peter Söt, der 1843 nach Husum kommt und dort in die Dienste des jungen, soeben vom Studium in seine Heimatstadt zurückgekehrten Anwalts Theodor Storm tritt. Wir erfahren schnell, dass Söt keineswegs freiwillig gekommen ist, vielmehr steht er in Diensten und unter der Aufsicht eines mysteriösen „Meisters“, der Spitzeldienste von ihm verlangt. Kaum ist Söt in Husum angekommen, geschehen dort merkwürdige Dinge: Storms Vater erhält eine makabere Morddrohung und dann kommt es wirklich zu unnatürlichen Todesfällen. Und auf einer „Todesliste“ stehen die Namen von acht ehrbaren Bürgern, darunter auch der des alte Storm.
In Form von Puzzleteilen dazwischengestreut ist ein zweiter Handlungsstrang, in dem es um einen Schiffsuntergang und den einzigen Überlebenden geht. Wie die beiden Geschichten zusammenhängen, wird erst spät und allmählich klar.
Mir hat dieser erste Teil einer neuen Krimiserie um Theodor Storm und Peter Söt gut gefallen, wobei die Qualität der Recherche, der Sprache und der historischen Schilderungen die Spannung und den Fortgang der Krimihandlung eindeutig übertrifft. Hier wäre weniger manchmal mehr gewesen, sowohl bei der Anzahl der handelnden Personen als auch der Spuren und Wendungen. Dafür wünsche ich mir in den nächsten Bänden noch genauere Charakterbeschreibungen der Hauptfiguren und etwas mehr Einsicht in ihre Beweggründe, soweit dies eben bei einem Ich-Erzähler möglich ist.
Ich freue mich jedenfalls auf weitere Bände und auf meinen nächsten Besuch in Husum, durch das ich zukünftig mit anderen Augen spazieren werde.
Tilman Spreckelsen: Das Nordseegrab. Fischer 2015
www.fischerverlage.de