Eine Familie mit Schatten
Bevor Lola Rosa Salz im Jahr 1990 85-jährig ins Schattenreich des Komas hinübergleitet, in dem sie bis zu ihrem Tod im Alter von 110 Jahren verharren wird, ist ihr Leben geprägt von Schatten – vorhandenen und fehlenden – und vom Leipziger Hotel Fürstenhof.
Ihre Geschichte und die Geschichte der Familie Salz erzählen verschiedene Stimmen und jede Perspektive hat ihren eigenen Stil und ihre eigene Erzählweise, mal auktorial, mal in der Ich- oder Du-Form. Das macht die Lektüre einerseits abwechslungsreich, andererseits fand ich es auf die Dauer von 440 Seiten ermüdend. Auch das an sich sehr interessante und fantasievoll bearbeitete Motiv „Schatten“, das in allen Facetten beleuchtet wird bis hin zum Schatten der schattenblinden Enkelin Emma, der sogar ein eigenes Kapitel aus seiner Ich-Perspektive beisteuert, wurde mir irgendwann zu viel. Weniger wäre in beiden Fällen mehr gewesen und ich hätte dann mehr als 3,5, wegen des durchaus erkennbaren Schreibtalents von Christopher Kloeble auf vier aufgerundete Sterne vergeben.
Den ersten Teil über ihre Kindheit, die mit dem Dahinsiechen der Mutter und ihrem Tod unter für Lola folgenreichen Umständen endet, erzählt die Protagonistin selber. Im zweiten Teil erfahren wir von Lolas Mann, dem Schauspieler Alfons Ervig, von Lolas Odyssee mit zwei Kleinkindern in den letzten beiden Jahren des Zweiten Weltkriegs, ihrer Weigerung, beim verhassten Vater im Fürstenhof Hilfe zu suchen und von ihrem Erlebnis mit dem „Mann ohne Schatten“, das sie für immer traumatisierte. Die Auswirkungen dieser Traumatisierung bekommt vor allem die Tochter Aveline zu spüren, die fast daran zugrunde geht und über die Jahre 1959/60 mit ihrer Mutter erzählt. Über die Zeit der Wende, als das unter Aufsicht des DDR-Staats stehende Hotel Fürstenhof in Leipzig wieder an Lola übergeht, die nun die Zeit der Rache für ihr widerfahrenes Unrecht gekommen sieht, erzählt der Schatten der Enkelin Emma. Im fünften Teil berichtet Emma selber aus dem Jahr 2015, dem Jahr, in dem Lola nach ihrem Fall ins Koma ein zweites Mal stirbt, und mit dem sechsten Teil von Emmas Tochter aus dem Jahr 2027 schließt der Roman.
Die einzelnen Abschnitte haben mir unterschiedlich gut gefallen. Inhaltlich war für mich der Kriegsteil am interessantesten und emotional anrührendsten, stilistisch fand ich die mit viel Sprachwitz gespickte Erzählweise von Emmas Schatten besonders gelungen.
Insgesamt eine Lektüre, die ich nicht bereut habe, die aber aus den genannten Gründen Luft nach oben hat.
Christopher Kloeble: Die unsterbliche Familie Salz. dtv 2016
www.dtv.de
Zur Mädchen-Pferde-Reihe Lotta & Knuffel von Berit Bach für kleine Erstleserinnen ab Ende der ersten Klasse gehört der auch unabhängig problemlos zu lesende Band Aufregung um Knuffel. Knuffel, Lottas geliebtes Pony, das sie einst vor dem Schlachter gerettet hat, mag zuerst einfach nicht über Hindernisse springen und ist dann plötzlich spurlos verschwunden. Hat es ihr übelgenommen, dass sie ihm keinen Apfel gegeben hat? Oder hängt sein Verschwinden mit dem Zirkus Herkules zusammen, zu dem es früher gehört hat und der gerade wieder in der Stadt gastiert? Zusammen mit ihrer Reiterfreundin Lena macht Lotta sich auf die Suche.
Für absolute Leseanfänger sind die Erstleserbücher der ersten Lesestufe nach der Silbenmethode aus der Reihe Leserabe sehr empfehlenswert. Die große Fibelschrift, kurze Textabschnitte mit maximal sieben kurzen Zeilen im Flattersatz, überwiegend ein- und zweisilbige Wörter und die farblich abgesetzen Silben machen das Lesenlernen einfach und verhelfen den Leseanfängern zu ersten Erfolgserlebnissen. Durch die farbige Aufteilung der Wörter in Buchstabengruppen werden die Wörter strukturiert und ihr Sinn ist leichter zu erfassen. Mit Hilfe der Rätselfragen am Ende des Buches können die Kinder ihr Leseverständnis zusätzlich testen.
2011 in Italien erschienen, ist der erste der auf insgesamt auf vier Bände angelegten Neapolitanischen Saga der Kindheit und Jugend der beiden Protagonistinnen Elena und Lila gewidmet. Elena hat sich nach 60 Jahren der Freundschaft entschlossen, ihre gemeinsame Geschichte niederzuschreiben, anzuschreiben gegen das Vergessen, denn Lila ist im Alter von 66 Jahren plötzlich verschwunden, hat sich in Luft aufgelöst, ohne eine einzige Spur zu hinterlassen, ihr Leben einfach auslöschend.
Dieser Themenband des Jugend-Brockhaus ist zwar schon ein paar Jahre alt, trotzdem möchte ich ihn für geschichtsinteressierte Jugendliche ab ca. 12 Jahren unbedingt empfehlen.
Wie bringt man Jungs zum Lesen? Der S. Fischer Verlag versucht es in seiner Erstleserreihe Helden-Abenteuer, die natürlich exklusiv nur für Jungs ist, mit Action, coolen Illustrationen und starken Helden. Die Bände der Reihe richten sich an junge Leser ab Klasse zwei, die Schrift ist dementsprechend groß gewählt und es gibt viele Bilder im Comicstil, jedoch ist die Textmenge schon umfangreicher als bei den Büchern für Leseanfänger. Rätsel, ein Zusatztext, ein Wörterverzeichnis und Extraseiten zum Mitmachen ergänzen die Bände der Reihe.
Manche Bücher bekommt man durch Zufall genau im richtigen Moment in die Hände und bei Irisches Verhängnis ist mir genau das passiert. Ein Regentag während einer Rundreise durch Irland und wir hatten gerade exakt die darin beschriebene Gegend bereist, es hätte einfach nicht besser passen können. Vertraut mit den Orten und deren Geschichte, konnte ich mir vieles sehr gut vorstellen, anderes habe ich zusätzlich erfahren. Ein Glücksfall also, der das auch im Buch zur Genüge beschriebene irische Wetter vergessen ließ.
Der Diogenes Verlag bittet uns in diesem Sommer zu Tisch, nicht nur mit Brunos Küchenkalender 2017, der uns mit allen Sinnen ins Périgord entführt, sondern auch mit dem Debütroman Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens des US-Amerikaners J. Ryan Stradal.
Seit einiger Zeit bevölkern auffallend viele Insekten die Literatur, seien es im Erwachsenenbereich z. B. Laline Paulls Die Bienen oder im Jugendbuch Der Hummelreiter Friedrich Löwenmaul von Verena Reinhardt. Der Debütroman Käferkumpel der britischen Autorin M.G. Leonhard reiht sich in diesen Trend nahtlos ein und macht aus den Leserinnen und Lesern ab frühestens zehn Jahren nebenbei wahre Entomologen, also Käferexperten.