Zeit für Ehrlichkeit

Nuala O’Faolain kannte ich als Autorin von Ein alter Traum von Liebe, einem Roman über eine Frau um die fünfzig, die in ihre Heimat Irland zurückkehrt, um sich selbst zu finden.
Nun begegnete mir Nuala O’Faolain wieder – als todkranke Frau in Hugo Hamiltons Roman Jede einzelne Minute. Hugo Hamilton, irisch-deutscher Schriftsteller und ein guter Freund, erfüllte ihr nur wenige Tage vor ihrem Tod infolge einer Krebserkrankung 2008 den Wunsch einer Berlinreise. Mit einer Liste von Dingen, die sie noch sehen und Freunden, die sie noch treffen wolllte, reiste Nuala O’Faolain an und es wurden unvergessliche Tage. In diesem 2014 erschienenen Buch, einer Homage an die deutlich ältere Freundin, hat er die Zeit verarbeitet.
Úna nennt er Nuala, sich selber Liam, und er schildert für beide unglaublich intensive Tage voller Programm, voller Gespräche und voller humorvoller Momente, obwohl immer präsent war, dass es sich um eine Abschiedsreise handelte.
Jede einzelne Minute ist zum Teil Roman, zum Teil Biografie Nuala O’Faolains und zum Teil Autobiografie Hugo Hamiltons, denn trotz ihrer schweren Erkrankung nahm Nuala lebhaften Anteil am Leben des Freundes und seinen Problemen. Er wiederum brauchte viel Geduld, denn die Freundin war rechthaberisch, unberechenbar und ruppig, zugleich aber auch großzügig, einfühlsam und anteilnehmend.
„Ein wunderbares, erstaunliches, zartes Buch. Ein Glücksfall.“ schreibt Elke Heidenreich, eine bekennende Bewundrerin von Nuala O’Faolains Büchern, in ihrem Nachwort. Auch mich hat dieses Zeugnis der Freundschaft beeindruckt und berührt.
Hugo Hamilton: Jede einzelne Minute. Luchterhand 2014
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Es ist bereits der siebte Band um den Göteborger Hauptkommissar Erik Winter in seinen teueren Designeranzügen und mit seiner Zigarillosucht, aber er eignet sich gut für einen Einstieg in die Reihe, weil der aktuelle Fall bis in Winters Anfänge bei der Polizei zurückreicht.

Der Einstieg in diesen Krimi fiel mir nicht leicht. Es ist bereits der dritte Band einer Serie um den italienischstämmigen Meraner Commissario Luciano Pavarotti und seine deutsche Bekannte Lissie von Spiegel, die ihm hobbymäßig bei seinen Ermittlungen zur Seite steht, und die Kenntnis der Vorgängerbände hätte das Verständnis deutlich einfacher gemacht. So kam ich mir manchmal vor wie Lissie, die nach einem Kopfschuss am Ende des Vorgängerbandes, ein Missgeschick Pavarottis, zu Beginn dieses dritten Bandes mit einer retrogaden Amnesie, also vollkommen ohne Erinnerung an die letzten Jahre, aus dem Krankenhaus entlassen wird. Nichtsdestotrotz möchte Lissie dem Commissario auch dieses Mal bei seinen Ermittlungen helfen, auch wenn sie nicht weiß, in welchem Verhältnis sie eigentlich zueinander stehen, und sie eigentlich auf der Suche nach ihrer eigenen Vergangenheit ist.


Als „wahres Monument der Pietät und Liebe“ bezeichnete Thomas Mann dieses Buch, das Oskar Maria Graf sein wichtigstes nannte. Was dem Titel nach aber wie eine bloße Biografie der Mutter wirkt, ist viel mehr als das: Es ist eine Familienbiografie, Autobiografie, eine Beschreibung dörflichen Lebens in Oberbayern ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Rückblicken bis ins 17. Jahrhundert und eine Chronik der politischen Ereignisse bis 1934.
Nicht der magische Realismus von Das Geisterhaus, wohl aber das bekannte erzählerische Können von Isabel Allende und Leidenschaft zeichnen diesen Roman aus.