Irmgard Kramer & Carola Sturm: Ein Löwe unterm Tannenbaum

  Weihnachtswunder werden wahr

Unterschiedlicher könnten die beiden Vorlesebücher, die ich in diesem Advent gelesen habe, gar nicht sein, obwohl sie beide für kleine Zuhörer ab etwa sechs Jahren, zum Selberlesen ab der dritten Klasse gedacht sind. Der kleine Weihnachtsteufel und der verflixte Wunschzettel von Anna Lott ist ein schräges Weihnachtsbuch mit modernen, teils comicartigen Illustrationen von Nikolai Renger, Ein Löwe unterm Tannenbaum von Irmgard Kramer dagegen eine klassisch-gefühlvolle Weihnachtsgeschichte mit wahren Weihnachtswundern am Ende und niedlichen, konventionellen Schwarz-Weiß-Rot-Illustrationen von Carola Sturm. Beide Bücher werden ihr Publikum ganz sicher finden und beide verkürzen auf ganz unterschiedliche Weise in 24 Kapiteln das Warten auf Weihnachten.

Mit dem kleinen Stofflöwen im „Laden für eh fast alles“ hat es im Dezember eine besondere Bewandtnis. Der zottelige, kuschelige Kerl mit den flauschigen Pfoten, den honiggelben Katzenaugen, der glänzenden Schnauze, den sieben Barthaaren, dem Pinselschanz und dem roten Lederband mit Herz erwacht am ersten Dezember und muss bis zum Heiligen Abend um Mitternacht einen Käufer gefunden haben, der ihn liebgewonnen hat. Dank eines uralten magischen Vertrags darf er lebendig bleiben, wenn er bis dahin nicht zurückgegeben wurde. Nun will er das unbedingt schaffen, denn er hat keine Lust auf ein weiteres Jahr in seiner unbequemen Kiste. Mittels einer klitzekleinen Erpressung bringt er ausgerechnet den eigenbrötlerischen Griesgram und ehemaligen Rockmusiker Richie dazu, ihn zu kaufen, obwohl der absolut nichts von Kindern und Stofftieren hält. Lieber lebt er allein in seiner Kate im Wald. So sieht es zunächst nicht nach einem Happy End aus, denn Richie als Vegetarier hat nichts zu essen für den Löwen im Haus und ist auch wenig angetan von all dem Quatsch in Löwes Kopf. Doch allmählich bröckelt Richies harte Fassade, nicht zuletzt durch das beherzte Eingreifen der neunjährige Lenja aus dem Nachbarhaus und ihrem Freund Robert.

Der Kampf des kleinen Weihnachtslöwen um Liebe und Zuneigung und seine tiefe Verzweiflung, als sein Vorhaben zu scheitern droht, ist herzallerliebst dargestellt, sowohl im Text als auch in den Illustrationen. Klingt kitschig? Ist auch ein bisschen kitschig, aber wann, wenn nicht in der Weihnachtszeit, darf es ein wenig rührselig sein? Daneben ist die Geschichte aber höchst spannend, abenteuerlich und manchmal sogar gruselig, wenn Lenja und der Löwe durch den dunklen Wald laufen. Lenjas kleine Schwester Mia, meine persönliche Lieblingsfigur in dieser Geschichte, die mich an meine jüngste Tochter erinnert, sorgt immer wieder für lustige Momente, ebenso wie die in bester Absicht ausgeführten Streiche des kleinen Löwen.

Und wie es sich für eine echte Weihnachtsgeschichte gehört, wartet am Schluss gleich ein mehrfaches Happy End: „In jener Nacht schliefen sie alle sehr lange nicht ein. Sie spürten dem Glück hinterher. Diesmal hatte es den Löwen nicht im Stich gelassen. Und es war zu Richie gekommen. Und irgendwie zu allen. Kein Wunder. Es war ja Weihnachten.“

Irmgard Kramer & Carola Sturm: Ein Löwe unterm Tannenbaum. Loewe 2018
www.loewe-verlag.de

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