Andrea Maria Schenkel: Als die Liebe endlich war

Es gibt immer ein Gestern

Drei Handlungsstränge und zwei Zeitebenen, erzählt in sieben Teilen und einem kunstvollen Prolog, die sich erst nach und nach in Beziehung zueinander bringen lassen, bilden das Gerüst dieses ausgesprochen empfehlenswerten Romans.

Da ist zum einen das Schicksal der deutsch-jüdischen Familie, die 1938 zu viert nach Shanghai aufbricht, aber nur die Mutter Grete, der knapp zwölfjährige Carl und die drei Jahre jüngere Ina betreten schließlich in Genua das Schiff. Erwin, der jüdische Arzt und Familienvater, kann sich nicht entschließen, seine deutsche Heimat zu verlassen. Kurzentschlossen kehrt er um im festen Glauben, ihm, dem zum Katholizismus konvertierten Juden, würde nichts passieren. Während seine Frau und die Kinder die Kriegsjahre unter immer schwierigeren Bedingungen, aber mit Hilfe eines älteren Paares in der von Japanern besetzten Stadt verbringen, wird Erwin in Dachau interniert.

Im zweiten Handlungsstrang verbringt die junge Erna die ersten Kriegsjahre bei ihrer schillernden Tante Marga in München, einer Anhängerin der Nationalsozialisten und Wahrsagerin der besseren Kreise, die sich nebenbei ganz pragmatisch ein Zubrot durch Abtreibungen und als Kindsvermittlerin verdient. Dank ihrer Vermittlung wird Erna die Gehilfin des Arzt Dr. Sauer, bei dessen Experimenten sie in Dachau assistiert.

In drei Kapiteln dazwischen treffen wir Carl als alten Mann in New York. Er ist nach dem Krieg nicht mit seiner Mutter und der Schwester nach Deutschland zurückgekehrt, fühlt sich nicht an ein Land, eine Rasse oder einen Glauben gebunden, und hat mit Emmi eine deutsche, ebenfalls nach dem Krieg eingewanderte Frau gefunden, die ihm die Wärme, Geborgenheit und Liebe geschenkt hat, nach der er sich sehnte. Eigentlich möchte er nur einen ruhigen Lebensabend mit ihr verbringen, doch dann holt die Vergangenheit beide ein…

Hätte ich nur den Titel des Romans gehört, so hätte ich einen eher seichten Liebesroman vermutet und mich nicht weiter dafür interessiert. Zum Glück hat mich aber der Name Andrea Maria Schenkel neugierig gemacht, von deren erfolgreichen Krimis ich schon viel gehört hatte, und tatsächlich wurde ich sehr positiv überrascht. Der Stil und die Souveränität der Autorin haben mir überaus gut gefallen. Äußerst gekonnt, mit der nötigen Distanz und trotz des schwierigen Themas auch mit dem ein oder anderen Augenzwinkern erzählt sie die unterschiedlichen Lebensschicksale spannend und nachvollziehbar und verknüpft sie mit spielerischer Leichtigkeit.

Eine Geschichte mit Nachhall!

Andrea Maria Schenkel: Als die Liebe endlich war. Hoffmann und Campe 2016
www.hoffmann-und-campe.de

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