Silvia Stolzenburg: Die Fliege

Nicht „wer?“, sondern „warum?“

Lasse sich keiner von der harmlosen Fliege auf der herstellerisch sehr gut gemachten Klappenbroschur täuschen. Der zweite Krimi um das Stuttgarter Ermittlerteam Anna Benz und Markus Hauer beginnt mit einer äußerst brutalen Folterszene mit Todesfolgen am 6. Juni 2015. Die von drei Mördern im Spitalwald unweit des Katzenbacher Hofs in Stuttgart-Vaihingen abgelegte Leiche wird am nächsten Tag, Annas erstem Arbeitstag nach einem erholsamen Urlaub, gefunden und umgehend ein SOKO-Katzenbach-Team zusammengestellt. Da die Identität des jungen Mannes, dem nicht nur die Hände, sondern auch die Zunge fehlen, im ersten Drittel des Romans unbekannt ist, und die einzigen Zeugen ein kleiner Junge und ein Obdachloser sind, gestalten sich die Ermittlungen zunächst höchst problematisch. Erst mit der Identifizierung des Toten dank seines Zahnarztes kommt Bewegung in diesen Fall, von dem viele Spuren in den Bereich der Cyberkriminalität weisen…

Obwohl es sich bei diesem Krimi bereits um den zweiten Band einer Reihe handelt und ich Band eins, Tödliche Jagd, bisher nicht kenne, konnte ich das Buch problemlos lesen und verstehen. Das Privatleben und die komplizierte Vergangenheit von Anna Benz werden, soweit zum Verständnis nötig, rückblickend erklärt, sodass ich nie den Eindruck hatte, Zusammenhänge nicht zu verstehen.

Die große Stärke dieses Krimis ist die detailgetreue Schilderung der Ermittlungsarbeit, die so interessant erfolgt, dass ich keine Sekunde gelangweilt war. Im Gegenteil hätte ich mir durchaus gewünscht, dass die Arbeit der Polizei an diesem Fall, der schließlich vier Morde umfasst und eine Zusammenarbeit mit dem LKA München erfordert, länger als nur 12 Tage gedauert und ich noch mehr über Annas Gedankenwelt erfahren hätte. Die Auflösung des Falles, dessen Spannung sich nicht aus dem „Wer“ sondern aus dem „Warum“ speist, erfolgt aber schlüssig und umfassend und dankenswerterweise werden die Aktivitäten rund ums Netz auch für Nicht-Nerds gut verständlich erklärt. Stilistisch hat mir das Buch ebenfalls gut gefallen und nicht selten habe ich mich über kleine Seitenhiebe oder humorvolle Formulierungen amüsiert. Dass die beiden Hauptermittler sympathische Persönlichkeiten sind, die in einem harmonischen Team ohne die schon zu oft anderenorts dargestellten Kompetenz- und Machtstreitigkeiten arbeiten, hat mich darüber hinaus für diese Reihe eingenommen.

Da ich in der Nähe von Stuttgart lebe und die Handlungsorte Stuttgart und Tübingen ganz gut kenne, war der Krimi eine Art „Heimspiel“ für mich. Ich kann ihn aber nicht nur für Schwaben, sondern für alle Krimifans empfehlen, die allerdings dazu bereit sein müssen, zwei kurze, jedoch heftige und schockierende Gewaltszenen zu akzeptieren.

Silvia Stolzenburg: Die Fliege. Bookspot 2016
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