Kristín Marja Baldursdóttir: Möwengelächter

Ein isländisches Dorf wird aufgemischt

Kristín Marja Baldursdóttir, isländische Journalistin und Autorin, entführt uns in ihrem ersten Roman von 1995 in ein ärmliches isländisches Fischerdorf um 1950.

Nach sieben Jahren in Amerika kehrt die junge Freyja als Witwe heim. Die Koffer voller Kleider und Kosmetika, ihre eisblauen Augen, ihre atemberaubende Figur und ihr märchenhaftes Haar bringen nicht nur ihre Familie, vor allem die pubertierende Agga, sondern den ganzen Ort und vor allem die Männer aus dem Gleichgewicht…

Ein stimmungsvoller, atmosphärischer Islandroman mit Krimielementen und Humor, der auch verfilmt wurde.

Kristín Marja Baldursdóttir: Möwengelächter. Fischer 2011
www.fischerverlage.de

Kristín Marja Baldursdóttir: Die Eismalerin

Isländische Familiengeschichte

Um 1900 verlässt die Witwe Steinunn Ólafsdóttir ihr Fischerdorf, um ihre sechs Kinder im Norden Islands zur Schule zu schicken. Gemeinsame harte Arbeit in der Fischfabrik ermöglicht allen eine Berufsausbildung. Karitas, das kunstbegabte Nesthäkchen, kann dank einer Gännerin die Kunstakademie in Kopenhagen besuchen. Kaum heimgekehrt, lernt sie den ehrgeizigen Sigmar kennen und wird schwanger. Die Karriere als Malerin rückt in weite Ferne, doch aufgeben will sie ihren Traum nicht.

Ein spannender Familienroman vor dem Hintergrund einer faszinierenden Landschaft voller unberechenbarer Naturgewalten.

Kristín Marja Baldursdóttir: Die Eismalerin. Fischer 2009
www.fischerverlage.de

Kirsten Boie: Der Junge, der Gedanken lesen konnte

Der Tod, auch ein Thema für Kinder!

Der zehnjährige Valentin aus Kasachstan ist neu in einer Hochhaussiedlung. Bei einer Entdeckungstour trifft er auf dem Friedhof lauter skurrile Leute,

Außenseiter wie er. Und bald steht der Hobbydetektiv und Leser von Detektivgeschichten vor kniffligen Fragen: Wer hat den Friedhofsgärtner niedergeschlagen, wer die verwirrte Obdachlose beklaut und wer ist der Juwelendieb? Ein bisschen Gedanken lesen und seine neuer Freund Mesut helfen ihm weiter.

In Kirsten Boies spannendem Kinderkrimi, poetisch, lustig und schräg, ist der Tod allgegenwärtig, ohne dass es düster und bedrohlich wird. Für Große und Kleine ab zehn Jahren absolut empfehlenswert.

Kirsten Boie: Der Junge, der Gedanken lesen konnte. Oetinger 2012
www.oetinger.de

Shan Sa: Kaiserin

 Fiktive Autobiografie aus dem China des siebten Jahrhunderts

Wu Zetian (624 – 705), „Licht“, war Chinas einzige Kaiserin.

In einer fiktiven Autobiografie, die gekonnt und spannend Fakten mit Fantasie mischt, lässt die in Frankreich lebende Chinesin Shan Sa sie über ihr Leben und die gnadenlose Hofgesellschaft berichten.

Als Zwölfjährige vom Kaiser in die Verbotene Stadt befohlen, gerät sie in einen Strudel aus Entwürdigung und Intrigen. Entgegen der Tradition wird sie die Frau des Thronfolgers, räumt brutal und skrupellos Gegner aus dem Weg, übernimmt nach und nach die Regierungsgeschäfte und lässt sich nach dem Tod ihres Mannes zur Kaiserin proklamieren. Sie regierte insgesamt fast ein halbes Jahr.

Der Roman liest sich sehr flüssig, die Sätze sind gleichmäßig fließend wie die chinesische Sprache. Man erfährt viel über das chinesische Kaiserreich des siebten Jahrhunderts, die Riten, die Religionen, die Architektur, die Kleidung, die Sitten und Gebräuche und vor allem über die Machtspiele und Grausamkeiten.

Shan Sa: Kaiserin. Piper 2017

www.piper.de

Hildegard Möller: Die Frauen der Familie Mann

Biografien der Frauen der Familie Mann

Alle waren sie außergewöhnliche Frauen mit mit überdurchschnittlichen Begabungen: Thomas Manns Frau Katia, deren Mutter Hedwig Pringsheim und die Großmutter Hedwig Dohm sowie die Töchter Erika, Monika und Elisabeth.

Warum schließlich nur Elisabeth beruflich und familiär beruflich und familiär einen eigenständigen, vom übermächtigen Vater losgelösten Lebensweg ging, hat Hildegard Möller hier auf der Grundlage von Briefen, Tagebüchern und literarischen Zeugnissen gründlich recherchiert und sehr anschaulich und unterhaltsam erzählt.

Hildegard Möller: Die Frauen der Familie Mann. Piper 2010
www.piper.de

Ernesto Mallo: Der Tote von der Plaza Once

Weit mehr als ein spannender Krimi

Comisario Lascano, „El Perro“, setzt sich während der argentinischen Militärdiktatur couragiert für Gerechtigkeit ein. Als die Leiche eines verhassten jüdischen Geldverleihers gefunden wird, abgelegt zwischen zwei durch ein Erschießungskommando Hingerichtete, führt er trotz aller Warnungen hartnäckig seine Ermittlungen durch.

Ernesto Mallos erster Roman ist weit mehr als ein spannender Krimi. Er zeigt eindrucksvoll die düstere Stimmung in Argentinien Ende der 1970er-Jahre und die von Willkür und Brutalität geprägten gesellschaftlichen Verhältnisse. Dafür, und nicht für die eigentliche Krimihandlung, vergebe ich in erster Linie die 5 Sterne.

Ernesto Mallo: Der Tote von der Plaza Once. Aufbau 2010
www.aufbau-verlag.de

Loriot: Loriots Festival

Unvergänglicher Humor

Auf zwei CDs sind hier Loriots Dramatische Werke, die Heile Welt, die Liebesbriefe und einiges mehr enthalten. Gerade weil die Bilder fehlen, wird der Sprachwitz, der die Loriotsche Komik so auszeichnet, besonders deutlich.

Der kritische Blick auf unser Alltagsleben, auf die Absurditäten, Verklemmtheiten und Missverständnisse in Ehe und Familie, Berufsleben, Medien und Kultur begeistern mich bei jedem Hören aufs Neue. Und dann entstehen bei mir doch unwillkürlich die Bilder von den Knollenmännchen und dem Paar auf dem Sofa…

Loriot: Loriots Festival. Deutsche Grammophon Literatur 1998
www.dg-literatur.de

Marco Balzano: Damals, am Meer

Heimat

Leonardo, der Großvater, ist noch Analphabet, Kommunist, war Pfirsich- und Olivenbauer ohne eigenes Land in einem Dorf namens Barletta in Apulien und wurde mit dem Wirtschaftswunder als Arbeiter nach Mailand verschlagen. Apulien ist für ihn nach wie vor Heimat, der Ort, an dem die Familie noch den Zusammenhalt hatte, den sie in Mailand nach und nach verloren hat.

Für Riccardo, den Sohn, ist Barletta Geburtsort und das Dorf seiner Jugend. Er ist Chemotechniker und in Mailand zu Hause, ohne Sehnsucht nach dem Meer.

Der Enkel, Nicola, arbeitsloser Lehrer, kennt Apulien nur noch als Urlaubsort. Für ihn ist Mailand Heimat, er ist Stadtmensch durch und durch.

Widerwillig machen sich die drei auf die Reise nach Barletta, um die längst völlig verwahrloste Wohnung der Familie, die keiner mehr nutzen will, zu verkaufen. Jeder hängt seinen eigenen Gedanken und Gefühlen nach und trotzdem nähern sie sich erstmals wieder einander an.

Der Erstling des Italieners Marco Balzano ist ein kleines Buch der leisen Töne und der schöne Sätze, die man beim Lesen am liebsten anstreichen möchte.

Trotz des interessanten Themas und des angenehmen Schreibstils bin ich mit dem Roman leider nie richtig warm geworden.

Marco Balzano: Damals, am Meer. Kunstmann 2011
www.kunstmann.de

Metin Arditi: Tochter des Meeres

Wie eine griechische Tragödie

1930 kommen zwei Brüder auf die kleine griechische Insel Spetses, wo sie es dank harter Arbeit und Zusammenhalt zu bescheidenem Reichtum bringen. Während Nikos bald Vater eines Sohnes wird, muss Spiros lange auf die Tochter Pavlina warten.

Dann verunglücken die Brüder beim Fischen mit Dynamit, nur Spiros‘ Frau ahnt die Wahrheit. Und als Pavlina, die ihren Cousin schon immer liebt, eine Liebesnacht mit ihm erzwingt, nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Der atmosphärisch dichte Roman des Türken Metin Arditi erinnert an eine griechische Tragödie, wird aber durch die Sonne und die Farben Griechenlands nie düster.

Metin Arditi: Tochter des Meeres. dtv 2011

www.dtv.de

Barbara Rose: Die Frechen Krabben auf Gespensterjagd

Gemeinsam sind wir stark

Nachdem mir der erste Band der Reihe um die Frechen Krabben schon ausgesprochen gut gefallen hat, finde ich den zweiten, den man (mit etwas weniger Genuss) auch unabhängig lesen kann, sogar noch besser.

Die vier achtjährigen Mädchen, die zusammen die Frechen Krabben bilden, dürfen gemeinsam mit den Eltern von Lilli und Milli, den so wesensverschiedenen Zwillingen, Urlaub im alten Schloss der Gräfin von Zieselwitz machen. Unternehmungslustig wie im ersten Band bleiben die vier Freundinnen nachts natürlich nicht brav im Bett, sondern gehen um Mitternacht auf Gespensterjagd. Dass dieses gruselige Schlosskeller-Abenteuer, bei dem es weniger um Gespenster als vielmehr um waschechte Diebe geht, gut endet, verdanken sie Lottes Detektivbuch, ihren Tieren und der Affenbande, die zum Glück inzwischen ebenfalls ihren Urlaub im Schloss verbringt.

In diesem zweiten Band steht wieder das Motto „Gemeinsam sind wir stark“ im Mittelpunkt, nicht nur innerhalb der Frechen Krabben, sondern auch mit den drei Jungs der Affenbande.

Barbara Rose schafft es ganz ausgezeichnet, einerseits wirklich gruselige Spannung zu erzeugen, andererseits die Bedrohung nie zu groß werden zu lassen. Die Kinder sind nicht wirklich allein, denn in der Not sind ihre Tiere Emil (Zwergschwein), Wuschelzwerg (Neufundländer) und Frau Schröder (Äffchen) oder die Eltern in letzter Sekunde zur Stelle.

Ein spannendes, witziges, toll illustriertes, fantasievolles und sehr liebevoll geschriebenes Mädchenbuch, das ich zum Selberlesen ab ca. Ende der zweiten Klasse und zum Vorlesen ab ca. 5 Jahren wärmstens empfehlen möchte.

Barbara Rose: Die Frechen Krabben auf Gespensterjagd. Kerle 2015 www.kerle.de