Andreas Tjernshaugen: Das verborgene Leben der Meisen

Beobachtungen und Fakten

Der Norweger Andreas Tjernshaugen ist zwar kein studierter Ornithologe, doch wurden ihm das Interesse und die Liebe zu den Vögeln in die Wiege gelegt. Gerade die Tatsache, dass er Laie ist und dies auch betont, macht sein Sachbuch über Meisen so allgemein verständlich und gut lesbar.

Wir begleiten Andreas Tjernshaugen und seine Familie durch ein Vogeljahr, beginnend mit der jährlichen norwegischen Gartenvogelzählung im Januar/Februar, nehmen teil am Geschehen in seinem Garten in Nesudden bei Oslo mit einer missglückten und einer erfolgreichen Meisenbrut, die zweite zur Freude der Familie im neu aufgehängten „Spionagenistkasten“ mit eingebauter Kamera. Angereichert sind die eigenen Beobachtungen Tjernshaugens durch Erkenntnisse, die er aus Gesprächen mit verschiedenen Wissenschaftlern gewonnen hat, sowie mit vielen wissenswerten Fakten aus der Fachliteratur über Meisen, insbesondere Kohl- und Blaumeisen. Die Fotos und Zeichnungen sind einerseits hübsch anzusehen, andererseits illustrieren sie die Beschreibungen des Autors sehr anschaulich.

Da auch in unserem Garten nahezu in jedem Jahr Kohlmeisen brüten, konnte ich einige der Beobachtungen Tjernshaugens sehr gut nachvollziehen, anderes werde ich in den kommenden Jahren aufmerksamer verfolgen, zum Beispiel die Revierverteidigung, den Gesang und – falls ich tatsächlich einmal so früh aus dem Bett komme – das tägliche Paarungsritual während der Zeit des Eierlegens. Vieles war mir neu, so habe ich die Meisen fälschlicherweise bisher für treu und monogam gehalten, obwohl es bei Blaumeisen Vielweiberei gibt und man durch Vaterschaftstest seit den 1990er-Jahren weiß, dass einige Eier in den Nestern der Kohlmeise von fremden Vätern befruchtet wurden. Am meisten interessiert hat mich allerdings der Bericht über die „Fremdpflege“, also Kohlmeiseneier, die Blaumeisen von Wissenschaftlern untergeschoben wurden und umgekehrt, sowie das anschließend beobachtete Verhalten der im falschen Nest aufgezogenen Vögel. Weniger folgen konnte ich dem Autor dagegen in seinen Vergleichen zwischen Meisen und Menschen, auch wenn er diese Überlegungen vorsichtig anstellt, und in seinem (gescheiterten) Bemühen, die Meisen handzahm zu machen.

Zum Glück sind Kohl- und Blaumeisen dank ihrer sehr weiten Verbreitung und ihrer Anpassungsfähigkeit nicht vom Rückgang betroffen, wie so viele andere Vogelarten, im Gegenteil steigt ihre Verbreitung und Zahl.

Im Anhang gibt Andreas Tjernshaugen Tipps zur Fütterung (darf auch ganzjährig erfolgen), zu Nistkästen samt Bauanleitung, zur Vogelbeobachtung und zum Erkennen von Vogelstimmen.

Alles in allem ist Das verborgene Leben der Meisen ein anregendes Sachbuch, unterhaltsam und informativ, und mit dem rustikalen Pappeinband in einer sehr passenden Ausstattung.

Andreas Tjernshaugen: Das verborgene Leben der Meisen. Insel 2017
www.suhrkamp.de

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